Gotteskrieger im Kampf in Syrien

ORF/Journeyman TV

Der europäische Gotteskämpfer

„Big A“, ein dänischer Drogendealer und säkularer Muslim, schwört der Kriminalität ab – und meint, die Religion für sich entdeckt zu haben. Er will Allah dienen und zieht in den Dschihad nach Syrien.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 22. März 2016
um ca. 23.10 Uhr, ORF 2

„kreuz und quer“ zeigt die HD-Dokumentation „Der europäische Gotteskämpfer“ des Journalisten Nagieb Khaja, die „Big A“ bis an die Front folgt und einen seltenen Einblick in die sonst abgeschottete Welt europäischer Gotteskämpfer in Syrien gewährt.

„Der europäische Gotteskämpfer“

Bei der Polizei Kopenhagens war Abderozzak Benarabe längst kein unbeschriebenes Blatt: Unter dem Namen „Big A“ war der Däne marokkanischer Herkunft in den Straßen der Stadt bekannt.

Von seinen 39 Jahren hatte er bereits zwölf wegen Drogen- und Gewaltdelikten in Gefängnissen verbracht, als er 2012 seine zwielichtige „Karriere“ in den Hinterhöfen Kopenhagens – vorläufig – beendete. Die Abwendung von Gewalt und Drogengeschäften hatte einen Grund: Bei seinem jüngeren Bruder wurde Krebs diagnostiziert. Benarabe deutet die Krankheit als Strafe Gottes.

Der bis dahin säkulare Muslim wendet sich der Religion zu: „Gott sagte zu mir: ‚Hey, wach auf!’“ Benarabe ist sich sicher: Beten nützt bei seinen schweren Verbrechen ohnehin nichts mehr. Und so beschließt er, in Syrien auf der Seite islamistischer Rebellen zu kämpfen. „Ich hoffe, dass mir Allah dadurch vergeben kann.“

Ohne politisches und religiöses Vorwissen heuert er bei einer Salafisten-Gruppe an, die dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahesteht. In dieser Einheit dienen vor allem Syrer, einige kaum 16-jährig. Es sind keine professionellen Kämpfer. Die Männer machen auch nicht den Eindruck besonderer ideologischer Radikalität.

Zunächst kann für den Neuen kein Gewehr aufgetrieben werden. Trotzdem fährt Benarabe mit an die Front – konkret nach Arihah, ganz im Nordwesten Syriens gelegen, eine im Jahr 2012 zerbombte Stadt. Die Rebellen haben einen Stützpunkt der Soldaten von Staatspräsident Baschar al-Assad eingekesselt. Die Armee wehrt sich mit Bomben aus Helikoptern und Fliegern.

Mit ihren Gewehren feuern die Salafisten scheinbar ziellos aus einem Fenster auf den weitgehend unsichtbaren Feind. Dann trifft ein Scharfschütze des Gegners den Kopf eines Dschihadisten. Dieser verblutet auf der staubigen Straße, wenige Meter neben Benarabe. In den Halbruinen versucht man indes, weitere Schwerverletzte zu reanimieren – vergeblich. „Big A“ steht bei all dem etwas ratlos abseits. Aber Benarabe gibt sich dennoch entschlossen.

Endlich bekommt auch er ein Gewehr. Wie es funktioniert, muss ihm niemand erklären. Sechs Tage stürmt er gegen den Stützpunkt. Kameraden loben seine Tapferkeit, ein Granatensplitter zerfetzt seinen Rucksack. Trotzdem schickt ihn der Kommandant nach Hause, wo Benarabe Geld und Material beschaffen soll.

Zum zweiten Mal fährt er nach Syrien. Zwischen den Hilfsgütern hat er Zielfernrohre und Nachtsichtgeräte versteckt. Ohne durchsucht zu werden, rollt der Mini-Konvoi über die türkisch-syrische Grenze. Dann verliert Journalist Nagieb Khaja den Kontakt. Offenbar reist „Big A“ überhastet zurück nach Kopenhagen.

Eine rivalisierende Gang versucht, seine Geschäfte an sich zu reißen. Es dauert nicht lange, bis er durch diese „Geschäfte“ wegen schwerer Körperverletzung wieder im Gefängnis in Kopenhagen einsitzt. Die erhoffte Erlösung durch den Dschihad ist für Abderozzak Benarabe ausgeblieben.

– Ein Film von Nagieb Khaja (Bearbeitung: Ursula Unterberger)