Essen retten

ORF/Cinevision

„Essen retten“ und „Todsünden

Weltweit landet rund die Hälfte aller produzierten Nahrungsmittel nicht auf den Tellern, sondern wird zu Abfall. In Entwicklungsländern ist es vor allem die unzureichende Infrastruktur, die zu Verlusten bei Ernte, Lagerung und Transport führt.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 12. April 2016 um 22.35 Uhr, ORF 2, Mittwoch , 13. April 2016 um 20.15 Uhr, ORF III

In entwickelten Ländern wie Österreich sind es jedoch vor allem Überproduktion und Verschwendung, die Berge von Nahrungsmüll erzeugen: In einer Welt, in der fast eine Milliarde Menschen von Hunger oder Mangelernährung betroffen ist, stellt sich somit auch ein massives ethisches Problem.

Im Rahmen des MUTTER ERDE-Schwerpunkts „Essen verschwenden ist Mist“ sucht „kreuz und quer“ – präsentiert von Doris Appel – in der von Christian Kugler nach einer Idee von Vera Russwurm realisierten Dokumentation „Essen retten“ nach den Ursachen des globalen Problems auf der lokalen Ebene und geht dabei von der täglichen Nahrungsmittelverschwendung in heimischen Haushalten und in der Gastronomie aus.

Wie schmeckt eine Todsünde? Um 23.20 Uhr gibt Haubenkoch Walter Eselböck namhaften Gästen – unter ihnen Ursula Strauss, Hans Peter Haselsteiner, Martina und Karl Hohenlohe – kulinarische Antworten. In Michael Cencigs Film „Todsünden – Ein Menü in sieben Gängen“ mutet er seinen Gästen eine breite Variation von kulinarischen Interpretationen der sieben Todsünden zu – vom gefüllten Schnittlauch für den Geiz bis zur „erwürgten Bluttaube“ für den Zorn. Das Einzige, worauf sich bei diesem gleichermaßen heiteren wie tiefsinnigen, jedenfalls aber kontroversen Gelage alle Gäste einigen können: „Es schmeckt vorzüglich.“

Essen retten

ORF/Cinevision

„Essen retten“

Die Dokumentation begleitet Vera Russwurm bei ihrer Suche nach Auswegen aus der Nahrungsmittelverschwendung und zeigt mögliche Lösungen, „Nahrungsmüll“ zu vermeiden. Das Filmteam hat sich u. a. auf die Suche nach privaten Initiativen gemacht, die versuchen, die Menge an Lebensmittelabfällen zu reduzieren und das Bewusstsein für das Problem zu schärfen. So entstand etwa aus einer aktionistischen Bewegung namens „wastecooking“ vor Kurzem ein kleines Unternehmen, das aussortiertes Gemüse verarbeitet und als Mittagsmenüs an Büros liefert – und das umweltschonend per Fahrrad. Der deutsche Filmemacher Valentin Thurn wiederum initiierte nach seiner Kino-Doku „Taste the Waste“ eine Basisbewegung namens „foodsharing“. Ehrenamtliche „foodsaver“ retten dabei Lebensmittel vor dem Müll und verteilen sie gratis in Form von virtuellen Essenskörben per Internet an Interessenten. Mittlerweile hat diese Bewegung auch Österreich erreicht.

„Essen retten“ zeigt aber auch Initiativen, die schon bei der Produktion und beim Einkauf ansetzen. So entstehen in Österreich immer mehr „Foodcoops“: Die Mitglieder dieser Einkaufsgemeinschaften versuchen, ihre Lebensmittel abseits der Logik und Logistik der großen Handelsketten zu beschaffen, die den Markt in Österreich mittlerweile weitgehend beherrschen. Weil die Foodcoops direkt bei den Produzenten einkaufen, gelingt es diesen wiederum, von den Handelsketten und der von ihnen geförderten industriellen Agrarproduktion unabhängiger zu werden. Genau das ist auch das Hauptziel einer anderen Entwicklung: Die CSA (Community Supported Agriculture) oder „Solidarische Landwirtschaft“ ermöglicht es Bauern, ihre Produkte autonom zu erzeugen, indem sie sich nicht mehr den Mechanismen des industriellen Agrarmarktes aussetzen müssen.

Ein Film von Christian Kugler nach einer Idee von Vera Russwurm

Todsünden

ORF/Metafilm/Bettina Schimak

„Todsünden: Ein Menü in sieben Gängen“

Im burgenländischen Restaurant Taubenkobel wird ein siebengängiges Menü serviert – pro Todsünde eine Köstlichkeit. Bedenkliche Charakterzüge wie Geiz, Trägheit und Hochmut kommen im wahrsten Sinn des Wortes auf den Tisch und werden Gegenstand einer genussvollen Auseinandersetzung, eingebettet in eine Art Völlerei auf höchstem Niveau.

„Ich bin kein sehr maßvoller Mensch“, beichtet der Unternehmer Hans Peter Haselsteiner: „Mäßigung ist nicht meine Stärke, Duldsamkeit ist nicht meine Stärke. Insofern neige ich vielleicht zum Zorn. Aber wer mich kennt, weiß, solange ich laut werde, ist alles in Ordnung. Aber wenn der Haselsteiner leise wird und seine Stimme eine bestimmte Tonlage annimmt, dann wird es ungemütlich.“

Vom Neid unter Ordensfrauen berichtet die Franziskanerschwester Michaela: „Ich war mit einer zweiten im Noviziat. Sie war äußerst geschickt, besonders im Haushalt, konnte wunderbar kochen, und ich konnte nichts außer beten und meditieren. Der Neid auf sie hat dazu geführt, dass ich mich überwunden habe und selbst zu kochen begann.“

Können Todsünden also auch zu etwas Gutem führen? Eher nicht, meint Herbert Pietschmann, Professor für theoretische Physik: „Todsünden heißen so, weil sie die Liebe töten. Zum Beispiel der Hochmut. Wer sich besser fühlt als der andere, kann den anderen nicht lieben. Liebe setzt immer voraus, dass man auf Augenhöhe miteinander verkehrt. Der Hochmut ist also eine Todsünde, weil er die Liebe tötet.“ Überhaupt gibt es laut Pietschmann nur ein Gegenteil für alle Todsünden: „Die Liebe.“

Wie kommt es dann, dass die Wollust – der Inbegriff der ungehemmten körperlichen Liebe – zu den Todsünden zählt? Die an sich sehr freizügig denkende Sexkolumnistin Janina Lebiszczak zieht eine klare Grenze zwischen ethisch vertretbaren und inakzeptablen Sexpraktiken: „In dem Moment, wo ich dem anderen etwas aufzwinge, wogegen dieser sich sträubt, ist es nicht mehr moralisch.“

Ursula Strauss ortet bei sich einen gewissen „faulen Anteil“. Die vielbeschäftigte Schauspielerin bekennt also einen gewissen Hang zur Trägheit: „Sie ist mein Motivator. Würde ich nicht so viel arbeiten, würde ich nur den ganzen Tag auf dem Sofa liegen und fernsehen.“

Der Ski- und „Dancing Star“ Rainer Schönfelder liefert Belege für gleich mehrere Todsünden: „Als Spitzensportler musst du bis zu einem gewissen Grad geizig sein. Du geizt mit Informationen, die du dir erarbeitet hast. Zum Beispiel auf dem Hardwaresektor. Wenn du dir dort einen gewissen Vorsprung erarbeitet hast, der dich den anderen überlegen macht, teilst du diese Information nicht mit deinen Konkurrenten. Oder mein Zorn. Der ist extrem. Wenn jemand mit mir auf den Golfplatz geht, wird er danach sagen: Das war nicht der Rainer Schönfelder. Da kann es schon einmal sein, dass ich einen Golfschläger übers Knie biege. Aber ich bin nur zornig auf mich selbst. Ich bestrafe mich selbst. Aber ich achte darauf, dass kein anderer Mensch zu Schaden kommt.“

Völlerei schließlich ist sowohl für die Restaurantkritiker Martina und ORF-III-Präsentator Karl Hohenlohe ein Thema als auch für den Haubenkoch Walter Eselböck. Karl Hohenlohe kann nicht „ein wenig essen. Wenn wir Restaurants testen, bekommen wir oft 15-gängige Menüs serviert. Meine Frau kostet dann nur von allem ein wenig. Aber ich esse 15 Gänge. Dann ist mir oft fürchterlich schlecht. Und ich empfinde es auch als Sünde, so in sich hineinzufressen. Ich fühle mich dann wirklich schuldig.“ Walter Eselböck hat diese Neigung überwunden: „Früher hab ich die Völlerei ausgelebt. Aber irgendwann bin ich draufgekommen, dass die guten Köche schlank sind. Sie denken nach – was tut mir gut? Und nur das muten sie sich dann zu und auch ihren Gästen.“

Ein Film von Michael Cencig