Der segnende Papst Franziskus auf dem Balkon.

APA

Weihnachtssegen „urbi et orbi“

Der ORF war live dabei, als Papst Franziskus seine Weihnachtsbotschaft verkündete und Gottes Segen für die Stadt Rom sowie die ganze Erde erbat. Zehntausende Menschen aus aller Welt waren dazu auf den römischen Petersplatz gekommen.

Die Weihnachtsbotschaft des Oberhaupts aller Katholikinnen und Katholiken ist für Millionen Menschen weltweit von Bedeutung. Auch den Segen erbat Papst Franziskus sowohl für die Stadt Rom, das heißt „urbi“, als auch für die ganze Erde, „orbi“. Alexander Kofler kommentierte die Zeremonie vor dem Petersdom für den ORF.

Es ist die Herrschaft der Liebe

Liebe Brüder und Schwestern, frohe Weihnachten! Heute erlebt die Kirche wieder das Staunen der Jungfrau Maria, des heiligen Josef und der Hirten von Bethlehem, als sie das Kind betrachten, das als Neugeborenes in einer Krippe liegt: Jesus, der Retter. An diesem lichterfüllten Tag klingt die prophetische Verheißung wieder auf:
„Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter; man nennt ihn wunderbaren Ratgeber, starken Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.“

Die Herrschaft dieses Kindes, des Sohnes Gottes und Marias, ist nicht eine Herrschaft dieser Welt, die sich auf Stärke und Reichtum gründet. Sie ist die Herrschaft der Liebe. Sie ist die Macht, die Himmel und Erde erschaffen hat, die jedem Geschöpf Leben gibt: den Mineralen, den Pflanzen, den Tieren. Sie ist die Kraft, durch die Mann und Frau gegenseitig angezogen werden und durch die sie ein Fleisch werden, eine einzige Existenz. Sie ist die Macht, die das Leben erneuert, Schuld vergibt, Feinde versöhnt, das Böse in Gutes verwandelt. Das ist die Herrschaft Gottes. Diese Herrschaft der Liebe hat Jesus Christus dazu geführt, seine Herrlichkeit abzulegen und Mensch zu werden; und sie sollte ihn dann dazu führen, sein Leben am Kreuz hinzugeben und von den Toten aufzuerstehen.

Es ist die Herrschaft des Dienstes, die auf der Erde das Reich Gottes errichtet, das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens. Daher ist die Geburt Jesu vom Gesang der Engel begleitet, die da verkünden: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“. Heute läuft diese Verkündigung über die ganze Erde und will alle Völker erreichen, besonders jene, die von Krieg und erbitterten Konflikten verwundet sind und die Sehnsucht nach Frieden viel stärker empfinden.

Friede den Männern und Frauen im gemarterten Syrien, wo allzu viel Blut vergossen wurde. Vor allem in der Stadt Aleppo, die in den letzten Wochen Schauplatz einer der grauenhaftesten Schlachten war, ist es umso dringlicher, dass für die erschöpfte Zivilbevölkerung Hilfe und Beistand gewährleistet wird und die Menschenrechte geachtet werden. Es ist Zeit, dass die Waffen endgültig schweigen und die internationale Gemeinschaft sich aktiv dafür einsetzt, dass eine Lösung auf dem Verhandlungsweg gefunden und das zivile Zusammenleben in diesem Land wieder hergestellt wird.

Friede den Frauen und Männern des geschätzten Heiligen Landes, das von Gott erwählt und geliebt ist. Israeliten und Palästinenser mögen den Mut und die Entschlossenheit haben, eine neue Seite der Geschichte zu schreiben, in der Hass und Vergeltung dem Willen, gemeinsam eine Zukunft gegenseitigen Verständnisses und Einklanges zu schaffen, den Platz räumen.

Mögen auch der Irak, Libyen und der Jemen die Einheit und den Zusammenhalt wiederfinden, wo die Bevölkerungen unter dem Krieg und unter grausamen terroristischen Aktionen leiden.
Friede den Männern und Frauen in verschiedenen Regionen Afrikas, besonders in Nigeria, wo der Terrorismus sogar Kinder ausnutzt, um Schreckenstaten und Mord zu verüben.

Friede im Südsudan und in der Demokratischen Republik Kongo, damit die Spaltungen wieder verheilen und alle Menschen guten Willens sich dafür einsetzen, einen Weg der Entwicklung und des Teilens zu beschreiten, und dafür, der Logik der Konfrontation die Kultur des Dialogs vorzuziehen.

Friede den Frauen und Männern, die noch immer an den Folgen des Konflikts in der östlichen Ukraine leiden, wo es dringend einer gemeinsamen Willensanstrengung bedarf, um der Bevölkerung Erleichterung zu verschaffen und die übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen.

Eintracht erflehen wir für das liebe kolumbianische Volk, das danach strebt, einen neuen und mutigen Weg des Dialogs und der Versöhnung zu vollziehen.

Dieser Mut rege auch das geliebte Venezuela an, die nötigen Schritte zu unternehmen, um den gegenwärtigen Spannungen ein Ende zu setzen und gemeinsam eine Zukunft der Hoffnung für die gesamte Bevölkerung aufzubauen.

Friede all jenen, die in verschiedenen Regionen Leiden aufgrund beständiger Gefahren und fortwährenden Unrechts zu ertragen haben. Möge Myanmar die Anstrengungen verstärken, das friedliche Zusammenleben zu fördern und mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft den nötigen Schutz und die nötige humanitäre Hilfe denen zu bieten, die dessen ernstlich und dringend bedürfen.

Möge die koreanische Halbinsel erleben, dass die Spannungen, die sie durchqueren, in einem erneuerten Klima der Zusammenarbeit überwunden werden.

Friede denen, die einen geliebten Menschen verloren haben durch grausame Terrorakte, die im Herzen vieler Länder und Städte Angst und Tod gesät haben. Friede – nicht in Worten, sondern praktisch und konkret – unseren im Stich gelassenen und ausgeschlossenen Brüdern und Schwestern, denen, die Hunger leiden, wie auch den Opfern von Gewalt. Friede den Vertriebenen, den Migranten und den Flüchtlingen sowie allen, die heutzutage Objekt des Menschenhandels sind. Friede den Völkern, die wegen der wirtschaftlichen Ambitionen weniger und wegen der habgierigen Gefräßigkeit des versklavenden Götzen Geld Leid tragen. Friede allen, die vom sozialen und wirtschaftlichen Elend gezeichnet sind, und denen, die an den Folgen der Erdbeben oder anderer Naturkatastrophen leiden. Friede den Kindern an diesem besonderen Tag, an dem Gott Kind geworden ist, vor allem jenen, die der Freuden ihrer Kindheit beraubt sind aufgrund von Hunger, von Kriegen und durch den Egoismus der Erwachsenen.

Friede auf Erden allen Menschen guten Willens, die unauffällig und geduldig ihrer täglichen Beschäftigung nachgehen, in der Familie und in der Gesellschaft, um eine humanere und gerechtere Welt zu schaffen. Dabei trägt sie die Überzeugung, dass es nur im Frieden die Möglichkeit einer glücklicheren Zukunft für alle gibt. Liebe Brüder und Schwestern, uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt: Es ist der Fürst des Friedens. Nehmen wir ihn auf!

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Thomas Bogensberger
Verena Maria Kalenda