Frau auf der Flucht

ORF/Metafilm/Michael Brauner/Christan Schüller

Eine Frau auf der Flucht und Christenverfolgung

„Seit 10 Jahren bin ich auf der Flucht“, schreibt Zaenab Al Kashmany in ihr Tagebuch. Nach dem ersten Irak-Krieg musste ihre Familie Baghdad verlassen und in die Provinz ziehen.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 25. April 2017
um 22.35 Uhr, ORF 2

Wiederholung:

Mittwoch, 26. April 2017
um 20.15 Uhr, ORF III

Als junge Frau wollte sie sich den Regeln der konservativen Männergesellschaft nicht mehr beugen und ging zum Studium nach Syrien, wo das Leben damals westlicher war.

In Damaskus lernte sie auch die christliche Weltanschauung kennen. Besonders Christen protestantischer Gemeinden gefielen ihr, weil Frauen dort Pastorinnen werden können. Doch der syrische Bürgerkrieg hat sie aus Damaskus vertrieben.

Wieder zurück im irakischen Tikrit, musste sie vor dem IS in die Türkei flüchten. Über Griechenland kamen Zaenab und ihr jüngerer Bruder Taha nach Österreich. Jetzt leben sie im niederösterreichischen Horn.

Frau auf der Flucht

ORF/Metafilm/Michael Brauner/Christan Schüller

Doch ihre Flucht ist nicht zu Ende. Denn Zaenabs Asylantrag wurde abgelehnt. Als irakische Bürger bekamen die Geschwister nur befristeten Aufenthalt. Da der IS inzwischen aus ihrer Stadt vertrieben wurde, droht ihnen die Abschiebung.

Für die Biologin bedeutet das eine Katastrophe. Denn in ihrem zerstörten Land regieren weiterhin jene Kräfte, vor denen sie seit Jahren flieht: konservative religiöse Führer und bewaffnete Milizen, die Frauen wie ihr keine Freiräume lassen.

„Meine Träume sind für europäische Frauen selbstverständlich“, schreibt sie in ihr Tagebuch. „Ich will als Biologin arbeiten oder wenigstens als Krankenschwester. Ich will gut Deutsch sprechen, den Führerschein machen und einmal ein eigenes Auto haben.“ Zurzeit besucht sie eine Schule für Altenpflege. Ihr Bruder Taha geht ins Gymnasium und hat eine österreichische Freundin. Aber ihr ungewisser Status überschattet den Alltag.

Ein Film von Michael Brauner und Christian Schüller
Redaktion: Christoph Guggenberger

Christenverfolgung

ORF/BBC/Robin Barnwell

Christenverfolgung

In den Ländern des Nahen Ostens, wo das Christentum seit fast 2000 Jahren Kultur und Gesellschaft mitgeprägt hat, kämpft es heute um seine Existenz.

Hunderttausende Christen sind in den vergangenen Jahren vor allem von islamistischen Kampf- und Terrormilizen im Irak und in Syrien vertrieben worden.

Bedrohung und Folter

Die britische Journalistin Jane Corbin reist durch die betroffenen Länder und sucht heilige Stätten, Klöster und Dörfer auf, in denen Christen gelebt haben oder noch leben. Sie spricht mit Menschen, die wegen ihres christlichen Glaubens Folter, Verfolgung und Vertreibung durchmachen mussten.

Ein irakischer katholischer Priester berichtet, man habe ihn tagelang gefoltert und ihm die Zähne herausgebrochen: „Mach dir keine Sorgen. Wir haben die ganze Nacht vor uns, und du hast noch viele Zähne.“

Kloster an der Frontlinie zum Terror-Kalifat

Auf dem Berg Dschabal Alfaf im Nordirak liegt das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Mattai, dem Evangelisten Matthäus geweiht. Gegründet im 4. Jahrhundert, ist es eines der ältesten existierenden christlichen Klöster der Welt. Zudem ist Mor Mattai für seine beträchtliche Sammlung von syrisch-christlichen Manuskripten bekannt.

Etwa 20 Kilometer von Mossul entfernt, der vormals multiethnischen Stadt, aus der die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) die beträchtliche Zahl von Christen vertrieben hat, liegt Mor Mattai heute an der Grenze des ausgerufenen IS-Kalifats.

Schüsse und Explosionen sind deutlich zu hören, Sicherheitskräfte bewachen das Kloster. Sechs Mönche, die mit Aramäisch noch die Sprache Jesu sprechen, halten die Stellung – sie haben auch Flüchtlingsfamilien aufgenommen. Und sie improvisieren Unterricht für die Kinder.

Häuser zerstört, Dörfer besetzt

Die 13-jährige Nadin erzählt von dem Haus, in dem ihre Familie auf zwei Stockwerken wohnte. „Wir waren so glücklich dort, konnten tun, was wir wollten“, erzählt sie. Das Haus wurde zerstört, das Dorf vom IS besetzt.

Alle sechs Familienmitglieder – zwei Erwachsene und vier Kinder – sind nun in einem Zimmer des Klosters untergebracht. Dabei hatte die Familie noch Glück. Nadin erzählt von anderen Mädchen, die vom IS offenbar als Sexsklavinnen gekidnappt wurden. Es fällt ihr sichtlich schwer, darüber zu reden.

Christen müssen flüchten oder wandern aus

Aber auch dort, wo keine Terrormilizen brandschatzen, sind die Christen in Bedrängnis. In Palästina etwa ist der Druck auf die Minderheit groß, die wirtschaftliche Situation prekär. Durch die meist gute Bildung suchen viele eine bessere Zukunft im Ausland, in den USA, in Kanada oder Australien.

In Bethlehem, der Geburtsstadt Jesu, waren 1947 noch 85 Prozent der Bevölkerung Christen. Heute leben noch etwas über 7.000 von ihnen unter den mehr als 30.000 Einwohnern der Stadt. Und der Exodus hält weiter an.

Weltweit wächst die christliche Religion. Doch gerade in ihren Ursprungsländern des Nahen Ostens mit einer mindestens 1.600 Jahre alten Tradition, droht das Christentum zu verschwinden. Eine Doku, die die dramatische Situation der Christen in der umkämpften Region vor Augen führt.

Regie: Jane Corbin
Deutsche ORF-Fassung: Sabine Aßmann
ORF-Redaktion: Christoph Guggenberger, Helmut Tatzreiter