Rockerpriesters Guy Gilbert

ORF/Marcus Marschalek

Der Rockerpriester und Gelassenheit - Ein göttlicher Zustand?

Dicke Silberringe, selbst gedrehte Zigaretten und Lederjacke: Die Überraschung ist immer wieder groß, wenn sich der 82-jährige „Altrocker“ Guy Gilbert als katholischer Priester zu erkennen gibt.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 08. August 2017
um 22.35 Uhr, ORF 2

Christoph Riedl-Daser präsentiert „kreuz und quer“, ab 22.35 Uhr in ORF 2 zunächst mit „Stola und Lederjacke – Das Leben des Rockerpriesters Guy Gilbert“, einem Film über einen katholischen Priester, der sich als eine Art „Altrocker“ um Jugendliche kümmert. Danach geht es ab 23.10 Uhr mit dem Film „Gelassenheit – Ein göttlicher Zustand?“ weiter.

Stola und Lederjacke – Das Leben des Rockerpriesters Guy Gilbert

Dicke Silberringe, selbst gedrehte Zigaretten und Lederjacke: Die Überraschung ist immer wieder groß, wenn sich der 82-jährige „Altrocker“ Guy Gilbert als katholischer Priester zu erkennen gibt. Ein Moment, den er sichtlich genießt und dem er meist auch ein paar derbe Ausdrücke nachschiebt.

Rockerpriesters Guy Gilbert

ORF/Marcus Marschalek

Dabei spielt Guy Gilbert, der in seiner Heimat Frankreich weithin bekannt ist, mit seinem Image als wilder Rocker. Das nämlich hilft ihm bei seiner selbstgewählten Lebensaufgabe: Seit nun bald fünf Jahrzehnten versucht er mit Erfolg, Jugendliche und junge Erwachsene von der „schiefen Bahn“ zu holen und zurück in ein Leben mit Zukunft zu führen.

Zu einem seiner Silberringe an Guy Gilberts Hand sagt er selbst: „Ich fand einen Jungen um zwei Uhr früh auf der Straße. Ich habe ihm geholfen, seine Mutter wiederzufinden, die Prostituierte war – er hat mir später diesen Ring gegeben, in Notre-Dâme in Paris, vor genau 50 Jahren. Der Bub sagte mir: ,Trage ihn bis an dein Lebensende!‘. Dieser Ring symbolisiert für mich heute alle Jugendlichen, denen ich bisher geholfen habe.“

Eines seiner Projekte: ein Bauernhof in der Haute Provence, wo er mit einem Team aus Sozialarbeitern und Pädagogen junge Menschen aus Paris betreut. Mit Hilfe der Zootherapie sollen die straffälligen Jugendlichen dort wieder in ein „normales“ Leben zurückfinden.

Der Bauernhof Faucon ist in den Sommermonaten auch zu einem spirituellen Zentrum geworden. Aus ganz Frankreich kommen Menschen, um den katholischen Priester Guy Gilbert hier zu sehen. Für viele von ihnen ist er zum wichtigen Ratgeber und Helfer in schwierigen Lebenssituationen geworden.

Täglich wird Gottesdienst gefeiert. Als Altar wählt Guy Gilbert einen simplen Stein und auch sonst ist in seiner Liturgie einiges anders als in einem „normalen“ katholischen Gottesdienst.

Der 82-Jährige ist auch für seine flotten Sprüche bekannt: „Die Kirche redet von der Liebe zu den Bedürftigen. Wenn sie aber diese Liebe nicht lebt, soll sie die Klappe halten … Glaube ohne Werke ist Katzenlulu.“

Das Filmemacherteam Mijou Kovacs und Marcus Marschalek haben den „etwas anderen“ katholischen Priester in den Alpes-de-Haute-Provence und in Paris mehrere Tage lang mit der Kamera für „kreuz und quer“ begleitet.

Niki Glattauer

ORF/Meta Film/Michael Cencig

Gelassenheit – Ein göttlicher Zustand

„Ich bin ungeduldig, ich bin aufbrausend – also nicht unbedingt das, was man mit Gelassenheit verbinden würde“, sagt Niki Glattauer, Buchautor und Lehrer an einer Neuen Mittelschule in Wien. Dennoch kann er sich mit dem Thema dieser Doku identifizieren: „Ich glaube, bei Menschen, die sehr emotional reagieren – das tu ich – da ist die Gelassenheit vielleicht sogar die Voraussetzung dafür, dass man das darf.“

In diesem Film geht es nicht um die hehre und vollkommene Gelassenheit, die durch nichts zu erschüttern ist. Es geht um Menschen, die versuchen, sich auch unter schwierigen Bedingungen ihren Emotionen nicht völlig auszuliefern, die Gelassenheit als Ressource begreifen, an der man ein Leben lang arbeiten kann.

„Gelassenheit hat sehr viel damit zu tun, wie gut ich als Mensch geerdet bin und wie gut ich in meiner Basis ruhen kann“, spricht der Unternehmer Ernst Gugler aus eigener Erfahrung: „Ich hab als Kind nicht dieses warme Nest bekommen, in dem ich geschützt aufwachsen konnte. Und das begleitet mich auch jetzt als Großvater noch. Da fehlt mir dieses Urvertrauen, dass das, wie es jetzt ist, nicht besser sein könnte, auch wenn’s im Äußeren noch so scheiße ausschaut.“

Gabriele Kypta begleitet Führungskräfte wie Ernst Gugler. Eines ihrer Seminare nennt sich „Führungstool Gelassenheit“. Für Gabriele Kypta geht es im Wesentlichen darum „Zeit zu gewinnen – und wenn’s nur ein ganz kurzer Moment ist – zu entscheiden, will ich jetzt in diese Emotion hineingehen oder nicht. Das ist für mich Gelassenheit: dass ich eine Wahl habe. Die hab ich sonst nicht, wenn mich meine Gedanken so treiben und der Stress und die Wut …“

Den roten Faden des Films bildet das kleine rote Büchlein des deutschen Philosophen Wilhelm Schmid mit dem Titel „GELASSENHEIT – Was wir gewinnen, wenn wir älter werden“. Dieses Buch hat sich mehr als 400.000-mal verkauft – ein untrügliches Indiz dafür, dass Gelassenheit – bzw. der Mangel daran – mittlerweile für viele Menschen Thema ist.

In der „kreuz und quer“-Doku kommen neben den Genannten auch eine Bäuerin und Hüttenwirtin, ein Palliativmediziner, eine siebenfache Mutter und eine Arbeitslose zu Wort. Und Wilhelm Schmid selbst, der die wichtigsten Lebensbereiche benennt, in denen Gelassenheit zum einen geboten ist und zum anderen geübt werden kann: im Umgang mit Lüsten und Glück, im Umgang mit Schmerzen und Unglück und – last but not least – im Umgang mit der Unausweichlichkeit des Todes:

„Gelassenheit ist, was wir gewinnen können, wenn wir älter werden. Ein Schritt auf dem Weg zu ihr ist, eine Haltung zur Grenze des Lebens zu finden, die näher rückt. In unmoderner Zeit hielt sich die Unruhe angesichts des Todes in Grenzen. Das war etwas, das musste man auch hinter sich bringen. Nur für moderne Menschen ist das so eine große Fragwürdigkeit geworden. Und deswegen ist es wichtig, eine Haltung dazu zu finden, um damit leben zu können.“

Niki Glattauer hat diese Haltung für sich gefunden, wenn er gegen Ende der Doku bekennt: „Ich bin ein gläubiger Mensch. Da kommt noch eine gewisse Gelassenheit dazu. Das Vertrauen darauf, dass dieses Leben nicht das Einzige ist, zieht sich bei mir durch viele Bereiche und erleichtert mir das Leben ungemein. Weil ich’s nicht so ernst nehm. Ich nehm’s ernst im Sinn von ich tu – aber es hängt mein Leben nicht vom Leben ab, sozusagen.“