Eremiten

ORF/metafilm

Eremiten – Reise nach innen und Richtige Männer! Muslime und Frauenrechte

„Eine Stadt sucht einen Einsiedler.“ Anfang 2017 landete die österreichische Gemeinde Saalfelden in den internationalen Schlagzeilen, als sie die 350 Jahre alte Klause am Palfen neu besetzen wollte. Über 50 Bewerber aus aller Welt wollten Eremit in Saalfelden werden.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 28. November 2017
um 22.35 Uhr, ORF 2

„kreuz und quer“ – präsentiert von Doris Appel – widmet sich dem Thema Männer. Zunächst geht es um den Eremiten von Saalfelden, ab 23.20 geht es um „richtige Männer“.

Eremiten – Reise nach innen

Am Ende machte der Belgier Stan Vanuytrecht das Rennen. Inzwischen hat sich der pensionierte Landvermesser und Artillerieoffizier in der Eremitage eingelebt. Er führt ein Leben ohne Strom und ohne fließendes Wasser, dafür mit viel Zeit zum Gebet nach der Regel des Heiligen Benedikt.

Der Medienhype um den Eremiten zeigt: Gerade in einer Zeit der Hektik und Vernetzung scheinen Einsiedler faszinierend anders zu sein. Sie gelten als Aussteiger, Sonderlinge oder weise alte Männer.

Die Realität ist unspektakulärer und zugleich vielschichtiger: Stan Vanuytrecht ist einer von etwa 90 christlichen Eremitinnen und Eremiten im deutschsprachigen Raum. Sie haben sich auf eine radikale spirituelle Suche begeben. In der Einsamkeit und im Schweigen versuchen sie in sich selbst Platz für das Göttliche zu machen. Dabei folgen sie einer alten Tradition mit präzisen Regelwerken.

Der Film begleitet drei unterschiedliche Eremiten in ihrem von Gebet und Arbeit geprägten Alltag. Stan Vanuytrecht in Saalfelden fand erst nach einer schmerzhaften Scheidung und einem psychischen Zusammenbruch zurück zum Glauben. Der Benediktinermönch Jakobus Kaffanke musste lange kämpfen, bis sein Wunsch nach einem eremitischen Leben die Zustimmung seines Abts fand. Und der pensionierte Pfarrer Johannes Schuster suchte die Einsamkeit, nachdem er jahrelang als Leprahelfer in Krisengebieten mit menschlichem Not und Elend konfrontiert wurde.

Dass sich gerade heute viele Menschen nach Stille sehnen, zeigt das überaus erfolgreiche Turmeremitenprojekt der Diözese Linz: Für jeweils eine Woche können spirituell interessierte Menschen die Turmstube im Linzer Dom beziehen und in der Tradition christlicher Exerzitien Einkehr halten.

Ob Benediktinerbruder oder Turmeremitin auf Zeit: Sie alle schöpfen aus der Tradition der frühchristlichen Wüstenväter. In den Wüstengebieten des Nahen Ostens praktizierten Eremiten schon im 3. Jahrhundert radikale Bußübungen und einen auf das absolute Minimum reduzierten Lebensstil. Doch die Wüste ist kein Wellnessparadies: In ihr findet man die Nähe Gottes, aber auch den Kampf mit der eigenen Angst und Verführbarkeit, personifiziert im Teufel und in Dämonen.

In seiner authentischsten Form lebt das Erbe der Wüstenväter heute in den koptisch-orthodoxen Wüstenklöstern Ägyptens weiter. Hier genießen Eremiten höchstes Ansehen.

Der Mönch und Bischof Anba Gabriel, Oberhaupt der österreichischen Kopten, hat prägende Jahre in einem Wüstenkloster verbracht. Im neu gegründeten Antoniuskloster Obersiebenbrunn in Niederösterreich möchte er dem Geist der Wüste eine neue Heimat geben. Ihre magische Kraft beschreibt er mit einem einfachen Satz: Hier hört man die Stimme des Herzens.

Ein Film von Stefan Ludwig
Produktion: Metafilm
ORF Redaktion: Helmut Tatzreiter

Richtige Männer: Der türkische Gezi-Park-Aktivist Ihsan Eliacik

ORF/Integral Films

Richtige Männer! Muslime und Frauenrechte

Was bedeutet es, Mann und gläubiger Muslim zu sein? In den meisten islamischen Ländern gibt es ein patriarchales, also männerdominiertes Gesellschaftssystem. Die Rechte von Frauen und Mädchen wie auch von Homosexuellen sind oft extrem eingeschränkt. In diesen Ländern haben die Männer das Sagen, sie bestimmen über das Leben der anderen.

Doch wie kommen Männer mit dieser ihnen zugeordneten, traditionellen Rolle zurecht? Die türkisch-norwegische Filmemacherin Nefise Özkal Lorentzen, gläubige Muslimin und moderne, westliche geprägte und emanzipierte Frau zugleich, zeigt in ihrer Dokumentation muslimische Männer, die auf der Suche nach einem neuen Rollenverständnis sind und sich daher für die Selbstbestimmung der Frauen engagieren.

Die Reise der Filmemacherin führt nach Bangladesch, in die Türkei, nach Indonesien und Kuwait.

Imtiaz Pavel lebt in Bangladesch. Er erfand ein Rätsel-Brettspiel, das er mit Dorfkindern spielt, um ihnen schon in jungen Jahren deutlich zu machen, dass Männer und Frauen gleichgestellt sind. Naif Al-Mutawa ist Psychologe aus Kuwait und der Schöpfer der ersten Superhelden-Comic in der islamischen Welt, „The 99“.

Von seinen 99 Superhelden trägt jeder einen der 99 Namen Allahs. Al-Mutawa glaubt an die Macht des Erzählens hat erkannt, dass in der islamischen Welt Comics einen anderen Hintergrund brauchen als Geschichten von Superman oder Batman, die Welt ein stückweit verändern zu können.

Syaldi Sehude und vier andere junge Männer machen in Indonesien auf das gesellschaftliche Problem von Vergewaltigungen aufmerksam: Sie kleideten sich in Miniröcke und zogen mit Transparenten durch die Straßen von Jakarta.

Diese provokante Aktion griff die Jakarta Post mit ihrer Schlagzeile auf – und hatte so landesweite Wirkung. Zuerst müssten sich Männer befreien, damit sich Frauen emanzipieren können, sind Syaldi Sehude und seine Freunde überzeugt: Richtige Männer sollten ebenso emotional sein und weinen können wie Frauen.

?hsan Eliaçik ist unter den Anhängern des Gezi-Aufstandes in der Türkei bekannt. Er leitet eine Aktivistengruppe in der Türkei, die sich Anti-Kapitalistische Muslime nennt. Der Regisseurin verbindet mit ihm die Hoffnung, dass sich der echte Islam von fundamentalistischen Strömungen in der Türkei abgrenzen kann.

Als muslimischer Theologe meint Eliaçik, dass die Probleme mit der Männlichkeit nicht im Islam selber verwurzelt seien, sondern falsche Interpretationen des Koran und das dominante patriarchalische System die Männer zu Gier nach Macht und Besitz drängten.

Ein Film von Nefise Özkal Lorentzen
Deutsche Bearbeitung: Rosemarie Pagani-Trautner
ORF Redaktion: Christoph Guggenberger