Kuppel des Petersdoms in Rom bei Nacht

Reuters/Alessia Pierdomenico

Christmette mit Papst Franziskus

In der Heiligen Nacht übernahm der ORF die festliche Christmette aus dem Petersdom in Rom. Auf einer eigenen Tonspur gab es dabei wieder den zusätzlichen Audioguide für Menschen mit Sehbehinderung. Jesuit Christian Marte und Audiosdeskriptor Johannes Karner führten durch die Christnacht.

Zum Hochfest der Geburt Jesu Christi hatten sich Zehntausende Gläubige in der Peterskirche eingefunden. Lektoren aus unterschiedlichen Ländern trugen in ihren Sprachen die Bibeltexte vor. Nach der Eucharistie zog der Papst feierlich zur Krippe, um den Kind gewordenen Gott anzubeten.

Christmette mit Audiodeskription

Ein Licht im Land der Finsternis

Lesung: Jesaja 9

Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf. Du erregst lauten Jubel und schenkst große Freude. Man freut sich in deiner Nähe, wie man sich freut bei der Ernte, wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird. Denn wie am Tag von Midian zerbrichst du das drückende Joch, das Tragholz auf unserer Schulter und den Stock des Treibers. Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter; man nennt ihn: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens. Seine Herrschaft ist groß, und der Friede hat kein Ende. Auf dem Thron Davids herrscht er über sein Reich; er festigt und stützt es durch Recht und Gerechtigkeit, jetzt und für alle Zeiten. Der leidenschaftliche Eifer des Herrn der Heere wird das vollbringen.

Das Erscheinen der Herrlichkeit

2. Lesung: Titus 2

Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten. Sie erzieht uns dazu, uns von der Gottlosigkeit und den irdischen Begierden loszusagen und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben, während wir auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung warten: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus. Er hat sich für uns hingegeben, um uns von aller Schuld zu erlösen und sich ein reines Volk zu schaffen, das ihm als sein besonderes Eigentum gehört und voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun.

MUSIK

Noel, Noel

Quare fremerunt gentes
Warum toben die Völker?

Cum iubilo

Heute ist uns der Heiland geboren, Christus, der Herr

Halleluja

Credo

Quem vidistis pastores
Hirten, wen habt ihr gesehen?

In heiligem Schmuck

Stille Nacht, heilige Nacht

Ave verum corpus
Sei gegrüßt, wahrer Leib!

Alma redemptoris mater
Erhabene Mutter des Erlösers

Adeste fideles
Eilt herbei, ihr Gläubigen!

Tu scendi dalle stelle
Du kommst von den Sternen herab

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Cappella Musicale Pontificia „Sistina“

unter der Leitung von
Monsignore Massimo Palombella

Coro Guida „Mater Ecclesiae“

unter der Leitung von
Monsignore Marcos Pavan

Orgel: Juan Paradell

Fürchtet euch nicht!

Evangelium: Lukas 2

In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen.
So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war. In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen, und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.“ Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.“

Gott ein unerkannter, nicht erkennbarer Gast

Predigt

Maria „gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.“ Mit diesem einfachen, aber klaren Satz führt uns Lukas ins Zentrum der Heiligen Nacht: Sie gebar ihren Sohn. Durch Maria erblickte Jesus das Licht der Welt, ja Maria schenkt uns das Licht der Welt. Eine schlichte Erzählung, die uns eintauchen lässt in jenes Ereignis, das für immer unsere Geschichte verändert. Alles in dieser Nacht wurde zum lichten Hoffnungsquell. Gehen wir einige Verse zurück. Auf das kaiserliche Dekret hin sahen Maria und Josef sich genötigt aufzubrechen. Sie mussten ihr Volk, ihr Haus und ihre Heimat verlassen und sich auf den Weg machen zur Volkszählung. Weder ein bequemes noch ein leichtes Unterfangen für ein junges Paar, so kurz vor der Geburt eines Kindes. Sie waren gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Im Herzen waren sie wegen des Kindes, das bald zur Welt kommen sollte, voller Hoffnung auf die Zukunft. Ihre Schritte jedoch waren voller Unsicherheiten und Gefahren, die dem begegnen, der sein Zuhause verlassen muss.

Und dann mussten sie die wohl größte Schwierigkeit bewältigen: bei der Ankunft in Betlehem die Erfahrung machen, dass sie dort niemand erwartete, dass dort kein Platz für sie war. Und gerade dort, inmitten dieser Herausforderung, hat Maria uns den Immanuel geschenkt. Der Sohn Gottes musste in einem Stall zur Welt kommen, weil die Seinen keinen Platz für ihn hatten. „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ Und dort, inmitten der Dunkelheit einer Stadt, die für den weit gereisten Fremden weder Raum noch Platz hat, inmitten der Dunkelheit einer sehr bewegten Stadt, die, wie es in diesem Fall scheint, dadurch aufgebaut wird, dass jeder nur auf sich bedacht ist, gerade dort entzündet sich der revolutionäre Funke der Zärtlichkeit Gottes. In Betlehem tat sich da ein kleiner Lichtblick auf für jene, die ihr Land, ihre Heimat und ihre Träume verloren haben. Sogar für jene, die der Erstickung eines in sich verschlossenen Lebens verfallen waren.

Hinter den Schritten von Maria und Josef verbergen sich viele Schritte. Wir sehen die Spuren ganzer Familien, die auch heute gezwungen sind, von zu Hause wegzugehen. Wir sehen die Spuren von Millionen Menschen, die nicht freiwillig gehen, sondern gezwungen sind, sich von ihren Lieben zu trennen, weil sie aus ihrem Land vertrieben werden. In vielen Fällen ist es ein Aufbruch voller Hoffnung auf eine bessere Zukunft, in vielen anderen Fällen hat dieser Aufbruch nur einen Namen: Überleben. Die aktuellen Nachfolger des Herodes zu überleben, die zur Durchsetzung ihrer Macht und zur Mehrung ihrer Reichtümer nicht davor zurückschrecken, unschuldiges Blut zu vergießen. Maria und Josef, für die kein Platz war, sind die ersten, die den umarmen durften, der kommt, um uns allen ein Bürgerrecht zu verleihen. Ihn, der in seiner Armut und Kleinheit aufzeigt und deutlich macht, dass die wahre Macht und wirkliche Freiheit darin bestehen, der Zerbrechlichkeit der Schwächsten respektvoll und hilfsbereit zu begegnen.

In jener Nacht wird er, dem man für seine Geburt keinen Platz zugestanden hatte, denen verkündet, die keinen Platz an den Tischen und in den Straßen der Stadt hatten. Die Hirten sind die ersten Adressaten dieser guten Nachricht. Aufgrund ihrer Arbeit waren dies Männer und Frauen, die am Rande der Gesellschaft leben mussten. Ihre Lebensumstände, die Orte, wo sie sein mussten, machten es ihnen unmöglich, alle vorgeschriebenen religiösen Reinigungsriten einzuhalten, und so galten sie als unrein. Ihre Haut, ihre Kleidung, der Geruch, ihre Sprechweise, ihre Herkunft verriet sie. Alles an ihnen erweckte Misstrauen. Sie waren Männer und Frauen, von denen man sich fernhalten und die man fürchten musste, sie galten als Heiden unter den Gläubigen, als Sünder unter den Gerechten, als Fremde unter den Bürgern. Und ihnen – den Heiden, Sündern und Fremden – sagt der Engel: „Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren, er ist der Christus, der Herr.“ Dies also ist die Freude, die wir in dieser Nacht eingeladen sind zu teilen, zu feiern und zu verkünden. Die Freude, mit der Gott uns Heiden, Sünder und Fremde in seiner unendlichen Barmherzigkeit umarmt hat und uns dazu treibt, es ihm gleich zu tun.

Der Glaube dieser Nacht lässt uns Gott als den erkennen, der überall dort anwesend ist, wo wir glauben, er sei abwesend. Er ist ein unerkannter, nicht erkennbarer Gast, der in unseren Städten, in unseren Vierteln, in unseren Bussen unterwegs ist und an unsere Türen klopft.

Und eben dieser Glaube drängt uns, einer neuen Auffassung des Sozialen Raum zu geben und keine Angst zu haben, neue Formen der Beziehung auszuprobieren, in denen niemand das Gefühl haben muss, in dieser Welt keinen Platz zu haben. Weihnachten ist die Zeit, die Kraft der Angst in eine Kraft der Liebe zu verwandeln, in eine Kraft für eine neue Auffassung von Nächstenliebe. Nämlich die Nächstenliebe, die sich nicht mit der Ungerechtigkeit zufrieden gibt, als wäre sie etwas Normales, sondern den Mut hat, inmitten von Spannungen und Konflikten zu einem „Haus des Brotes“, zu einem Raum der Gastfreundschaft zu werden. Daran erinnerte uns Johannes Paul II. „Habt keine Angst! Öffnet die Tore, ja reißt sie weit auf für Christus!“

Im Kind von Betlehem kommt Gott uns entgegen, um uns zu Protagonisten des uns umgebenden Lebens zu machen. Er schenkt sich uns, damit wir ihn in die Arme nehmen, damit wir ihn hochheben und umarmen – damit wir in ihm uns nicht scheuen, den Dürstenden, den Fremden, den Nackten, den Kranken und den Gefangenen in die Arme zu nehmen, sie aufzurichten und zu umarmen. Habt keine Angst! Öffnet die Tore, ja reißt sie weit auf für Christus! In diesem Kind lädt Gott uns ein, der Hoffnung zu dienen. Er lädt uns dazu ein, auf die vielen Menschen achtzugeben, die unter der Last der Trostlosigkeit so vieler verschlossener Türen aufgegeben haben. In diesem Kind macht Gott uns zu Protagonisten seiner Gastfreundschaft.

Ergriffen von Freude über dein Geschenk, bitten wir dich, kleines Kind von Betlehem, dass dein Weinen uns aufwecke aus unserer Gleichgültigkeit und unsere Augen öffne für den, der leidet. Deine Zärtlichkeit wecke unsere Sensibilität und schenke uns, dass wir uns angesprochen fühlen, dich in all jenen zu erkennen, die in unseren Städten, in unserem Alltag, in unseren Leben ankommen. Deine revolutionäre Zärtlichkeit überzeuge uns, dem Ruf zu folgen und uns für die Hoffnung und Zärtlichkeit unserer Leute einzusetzen.

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