Orgel und weiße Gebotstafeln in goldenem Strahlenkranz zwischen hellen, großen Kirchenfenstern

epd/ Marco Uschmann

Kreuz der Hoffnung

Der traditionelle evangelische Gottesdienst am Karfreitag kam heuer live aus Markt Allhau im Südburgenland. Mit der Gemeinde begingen ihn Oberkirchenrätin Ingrid Bachler und Pfarrer Heribert Hribernig.

Der Karfreitag ist ein besonderer Tag, ein Tag der schwer zu verstehen ist. Der Mensch gewordene Gott wird von Menschen hingerichtet, aus Neid und Eifersucht, Hass und Gewalt, Lüge und Verleumdung, Gleichgültigkeit und Zynismus. Daran denken Christinnen und Christen am Karfreitag und sehen doch im Tod Jesu Grund zur Hoffnung. Weshalb, war Thema dieses Gottesdienstes.

Bis zum Tod

Eingangspsalm: Paulus an die Philipper 2

Jesus Christus erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tod, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn Gott erhöht und ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre des Vaters.

Es ist vollbracht

Evangelium: Johannes 19

Sie nahmen ihn aber, und er trug selber das Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus in der Mitte. Pilatus schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der Juden König. Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. Da sagten die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: „Schreibe nicht ,Der König der Juden’, sondern dass er gesagt hat: ,Ich bin der König der Juden.’“ Pilatus antwortete: „ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.“

MUSIK

J.S.Bach:
O Mensch, bewein die Sünde groß!

Sarabande

Ja, das glaube ich

Jesus am Kreuz

O Haupt voll Blut und Wunden

Klavierimprovisationen über
Herzliebster Jesu
Korn, das in die Erde

In Christus ist mein ganzer Halt

Bist zu uns wie ein Vater

Dietrich Buxtehude:
Praeludium in e

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Kinderchor

Posaunenchor

Vokalensemble

Die Soldaten aber, da sie Jesus gekreuzigt hatten, nahmen seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch den Rock. Der aber war ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander: "Lasst uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wem er gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt: ,Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.’ Das taten die Soldaten. Es standen bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria Magdalena. Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, sprach er zu seiner Mutter: „Frau, siehe, das ist dein Sohn!“ Danach sprach er zu dem Jünger: „Siehe, das ist deine Mutter!“ Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, sprach er, damit die Schrift erfüllt würde: „Mich dürstet.“ Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie füllten einen Schwamm mit Essig, legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund. Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: „Es ist vollbracht.“, neigte das Haupt und verschied.

Gerechtigkeit werden

Lesung: 2. Korinther 5

Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, den Gott ermahnt durch uns. So bitten wir nun an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.

Versöhnung zwischen Gott und Mensch

Predigt

Liebe Gemeinde, der Karfreitag ist ein besonderer Tag. Ein Tag, der schwer zu verstehen ist – kann man ihn überhaupt verstehen? Ich versuche, diesem Tag näher zu kommen, mit einem Blick auf Jesus. Wenn ich an den Tod Jesu denke, entsteht vor meinen Augen ein Bild von einem dunklen Abgrund, ein Abgrund von Schmerz und Leiden und Tod. Es fällt mir schwer, zu verstehen, wie das möglich sein konnte, was das Johannesevangelium berichtet. Das Leiden und Sterben Jesu, die unaufhörliche Grausamkeit der Menschen, die den Abgrund erst möglich macht.

Ich würde diesen Abgrund gerne vermeiden, um ihn herumgehen, ihn verdrängen. Aber es führt kein Weg daran vorbei. Es gibt kein Ostern ohne Karfreitag, keine Auferstehung ohne das Kreuz. Viele stehen verständnislos vor diesem Abgrund, vor diesem Karfreitag. Darum schauen wir heute gemeinsam auf das Kreuz und auf Jesus, den Gekreuzigten. Am Kreuz wird deutlich, zu welchen Taten der Mensch fähig ist. Das Kreuz ist ein Symbol menschlicher Grausamkeit. Solange Menschen foltern und töten, solange es Terror und Zerstörung gibt, erinnern Kreuze an die unendlichen Leiden verfolgter, gequälter und getöteter Menschen.

Am Karfreitag stellt sich die Frage: Was hat Jesus ans Kreuz gebracht? Die Antwort ist: Neid und Eifersucht, Lüge und Verleumdung, Gleichgültigkeit und Zynismus, also lauter Verhaltensweisen, die wir aus unserem eigenen Leben kennen. Verhaltensweisen, die im Abgrund der menschlichen Seele verborgen sind und ab und zu an die Oberfläche kommen und das Leben vergiften und zerstören können.

Wir Menschen sind als Ebenbild Gottes geschaffen, sagt die Bibel. Viele gute Eigenschaften zeichnen uns aus. Wir können einfühlsam, hilfsbereit und liebevoll sein. Wir können aber auch hartherzig, grausam und böse sein. Ich denke zum Beispiel an die Geschichte unzähliger jüdischer Menschen, die vor achtzig Jahren mit dem sogenannten Anschluss Österreichs an Deutschland eingeleitet wurde.

Der Blick auf das Kreuz Christi kann uns einen Einblick geben in den Abgrund der menschlichen Seele, in den täglichen Kreuzweg, auch in die täglichen Stolpersteine. Was wir da sehen und entdecken, lässt einen Menschen zweifeln am Menschen als Ebenbild Gottes. Der Seelsorger und Poet Joop Roeland schreibt über diesen besonderen Kreuzweg:

„Tagtäglich die Verurteilung:
vom Vorurteil eingeteilt, abgeschrieben, totgeschwiegen.
Ein Mensch voller Wunden geht seinen Weg.
Und überall die Stolpersteine: das Wort – eine Lüge,
das Versprechen – eine Falle.
Festgenagelt wird hier, der auf der Strecke geblieben ist.
Der Arbeitslose: eine statistische Zahl.
Der Behinderte: ein Fall.
Der Flüchtling: eine politische Streitfrage.
Der Obdachlose: eine Peinlichkeit.“

Der Kreuzweg der Stolpersteine ist der Weg, der zum Karfreitag führt.

Es ist ein besonderer Tag. Der Blick richtet sich nicht nur auf den Abgrund menschlicher Grausamkeit, sondern auch noch auf einen anderen Grund, der - Gott sei Dank, viel tiefer reicht: Wir schauen auf den Grund der göttlichen Liebe und Versöhnung. Wir sehen, wie aus dem Kreuz des Todes das Kreuz der Hoffnung wird. Am Kreuz sehen wir nicht nur, wie ein unschuldiger Mensch leidet, wir sehen auch, wie Gott an uns und für uns leidet. Auch das ist schwer zu verstehen. Warum tut Gott das?

Auf diese Frage hat der Apostel Paulus, in seinem 2. Korintherbrief eine tiefe Antwort gegeben: " Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung."

Für uns bedeutet diese Antwort das: Im Abgrund des Kreuzes werden die Unheiligkeit des Menschen und die Heiligkeit Gottes miteinander versöhnt. Das Kreuz ist der Ort der tiefsten und endgültigen Versöhnung zwischen Gott und Mensch. Gott selber schließt die Kluft. Gott selbst baut eine Brücke über den Abgrund. So wird aus dem Kreuz des Todes das Kreuz der Hoffnung. Einer Hoffnung, die zur Versöhnung führt.

Das griechische Wort für Versöhnung heißt „katallagee“ und bedeutet ursprünglich „Austausch“. Die Rollen am Kreuz sind vertauscht: die schuldigen Menschen bleiben am Leben, der unschuldige Jesus aber stirbt den Tod am Kreuz. Luther nannte dieses Bild den fröhlichen Wechsel: Das, was zu uns gehört - Ungerechtigkeit, Friedlosigkeit, Leid und Tod, nimmt Gott uns ab und lädt es auf sich selbst. Und das, was zu Gott gehört - Licht, Gerechtigkeit, Friede und ewiges Leben, das schenkt er uns. Aus Gnade. Das Kreuz wird so zum Bild des Heils, der Begnadigung, der Erwählung des Menschen – das Kreuz wird zu unserer Hoffnung.

Katallagee heißt Austausch! Ein wunderbarer Wechsel hat auf Golgatha stattgefunden: Tod und Leben, Sünde und Heil sind von Gott vertauscht worden.

Der Karfreitag ist ein besonderer Tag. Wir stehen heute unter dem Kreuz Christi, erschüttert und dankbar, ergriffen und versöhnt mit Gott. Es gibt einen Ort, wo wir unser altes Leben ablegen, zur Ruhe kommen und ausatmen können - das Kreuz Christi. Der „fröhliche Austausch“ bringt uns in einen besonderen Zustand der Freiheit des Handelns.

Wir sind aufgerufen:
Wer nichts hat – mit anderen zu teilen;
Wer traurig ist – mit anderen zu lachen;
Wer sprachlos ist – für andere zu sprechen;
Wer in sich selbst gefangen ist – andere zu befreien;
wer vom Leben verletzt ist – die anderen zu heilen.

Ich denke an die nun bald 62-jährige Geschichte des christlich-jüdischen Dialogs in Österreich und die Früchte des gemeinsamen Weges. „Lasst euch versöhnen mit Gott“, sagt der Apostel Paulus. Nichts braucht unsere Gesellschaft mehr, nichts braucht unser Land, unsere Welt, mehr als versöhnte Menschen, Botschafterinnen und Botschafter der Versöhnung.

Können wir das? Solche Botschafter und Botschafterinnen der Versöhnung sein?
Können wir das? Die Versöhnung weitertragen in unsere Familien, in die Arbeitswelt, in den Alltag?
Ist es möglich, in die ganze Zerrissenheit menschlichen Lebens und menschlicher Beziehungen hinein die Versöhnung Christi zu tragen?

Ich meine: Ja, trotz aller Anstrengungen und Probleme, die damit verbunden sind. Ich sage ein überzeugtes Ja, das stärker und lauter wird, mit allen Menschen, die es hören und weitertragen. Wie eine einzelne Stimme, die mit anderen gemeinsam zum Chor wird.

Der Karfreitag ist ein besonderer Tag. Er ist schwer zu verstehen. Wir sehen im Abgrund des Todes Jesu den Austausch, den Gott für die Menschen macht: Dass sein Tod zur Fülle der Erlösung wird. Dass aus dem Kreuz des Todes neues Leben wächst, ein Leben, das die Hoffnung nie aufgibt.

Was bewirkt diese Hoffnung? Sie bewirkt, dass Menschen den Mut haben, sich einzulassen auf die Lebenssituationen von anderen, dass sie sich nicht beirren lassen in der Liebe, die sie leben; in der Barmherzigkeit, die sie anderen zuteil werden lassen; in der Freundlichkeit, mit der sie anderen begegnen und in der Hoffnung, die sie zu anderen tragen. Die Hoffnung braucht dieses bewusste Ja. Ich verstehe diese Hoffnung als Kennzeichen einer echten Menschlichkeit, wie sie offenbar ist im Wesen des Gekreuzigten, der sich kreuzigen ließ - aus lauter Liebe.

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