Lexikon der Religionen:

Jüdische Glaubensinhalte

Juden glauben an einen einzigen Gott, der das Universum erschaffen hat. Die Juden haben durch ihren Bund mit Gott seine Gebote zu erfüllen - wie streng, das sehen viele als Auslegungssache.

„Schma Israel“ (Höre Israel) lautet das wichtigste Gebet des Judentums, das zugleich Züge eines Glaubensbekenntnisses trägt. Ein allgemein gültiges und verbindliches Bekenntnis ist dem Judentum allerdings fremd. Am nächsten mögen einem solchen die 13 Glaubensartikel des Moses Maimonides kommen. Im 12. Jahrhundert versuchte der jüdische Philosoph und Rechtsgelehrte darin eine Zusammenfassung der jüdischen Glaubensinhalte. Zwar wurde der Text in gekürzter Form in die Gebetsbücher aufgenommen, er erhielt aber dennoch nicht den Status eines Bekenntnisses.

Thora als wichtigste Quelle des Glaubens

Im Zentrum des jüdischen religiösen Lebens steht die Thora, die die fünf Bücher Mose umfasst. Gemeinsam mit den „Nevi’im“ (Propheten) und den „Ketuvim“ (Schriften) bildet die Thora den „Tanach“. Die darin zusammengestellten Texte gelten für die jüdische Religion als normativ.

Neben dem Tanach existiert noch der Talmud, dessen Zentrum die Mischna bildet. Diese ist nach traditionellem jüdischen Verständnis die verschriftlichte mündliche Lehre, die Mose neben der schriftlichen - der Thora - von Gott erhalten hat. Die Mischna enthält vor allem Bestimmungen zum jüdischen Religionsgesetz.

Unterschiedliche Schriftauffassungen

Wie relevant das Schriftverständnis für die jüdische Religion ist, zeigt sich an den drei großen Strömungen des Judentums. Sie unterscheiden sich gerade in ihrem Verständnis der Schrift. Das orthodoxe Judentum hält daran fest, dass sowohl Thora als auch Mischna von Gott offenbart und verfasst wurden. Das Reformjudentum sieht die Thora zwar als Offenbarung Gottes, aber von Menschen verfasst an. Schrift und Gebote können deshalb auch neu ausgelegt werden. Das konservative Judentum beschreitet einen Mittelweg. Es hat ein ähnliches Offenbarungsverständnis wie das Reformjudentum, hält aber verstärkt an Geboten und Traditionen fest.

Die Dreiteilung ist allerdings nicht als absolut zu verstehen. Daneben gibt es eine Vielzahl von kleineren Denominationen, die sich zu keiner der Richtungen zugehörig fühlen und Juden, die gar keiner festgelegten Strömung angehören.

Bund mit Gott verpflichtet zur Einhaltung der Gebote

Dennoch muss das Thora-Verständnis als bestimmend für Verständnis und Auslegung der Gebote angesehen werden. 613 „Mitzwot“ (Plural von „Mitzwa“ = Gebot) finden sich laut Talmud in der Thora. Darunter fallen Speisenvorschriften ebenso wie Reinheitsgebote und das Gebot, den Schabbat einzuhalten. Wird die Thora als wörtlich von Gott gegeben verstanden, müssen auch alle ihre Gebote genau befolgt werden. Sieht man in ihr göttliche Offenbarung in menschlicher Form, kann auch über die Gültigkeit der Gebote diskutiert werden.

Nach orthodoxem Verständnis sind die Ver- und Gebote auf jeden Fall für alle Juden verbindlich. Ab dem 13. Lebensjahr ist ein jüdischer Bub zur Einhaltung der Gebote Gottes verpflichtet, Mädchen ab dem zwölften Lebensjahr. Buben werden dann zum „Bar Mizwa“ (Sohn des Gebots), Mädchen zur Bat Mizwa (Tochter des Gebots).

Beschneidung als Zeichen des Bundes

Hinter der Vorstellung eines göttlichen Gesetzes steht der Glaube, dass Gott mit seinem Volk einen Bund geschlossen hat – eine Überzeugung, die sich an zahlreichen Stellen der jüdischen heiligen Schriften findet: angefangen bei Abraham, Isaak und Jakob über Moses bis hin zu den Propheten. Die Vorstellung vom göttlichen Bund wurde zu der bestimmenden Größe für die jüdische Religion. So erfuhr etwa die Beschneidung neugeborener Buben, die bei vielen Völkern des Orients verbreitet war, im Judentum die Deutung als Zeichen des Bundes mit Gott.

Schöpfergott, im Gebet ansprechbar

In der Zeit des babylonischen Exils (597 bis 539 v. Chr.) wurde JHWH („JHWH“ ist der unaussprechliche Eigenname Gottes) zu einem monotheistischen Gott und Schöpfer des gesamten Kosmos. Auch der Mensch wird als Geschöpf Gottes verstanden und verdankt seine Existenz JHWH. Dieser darf zwar weder in Bildern dargestellt noch soll seine Name ausgesprochen werden. Er wird aber dennoch nicht nur als ferner Schöpfergott verstanden, sondern als personal und im Gebet ansprechbar gedacht. Sein Wirken zeigt sich in der Geschichte seines Volkes. Die Geschichte des Volkes Israel wird darum auch als Geschichte des Handelns Gottes gedeutet.

Auferstehungslehre erst relativ spät entstanden

Wohl auch deshalb spielten Jenseitsvorstellungen über lange Zeit im Glauben Israels keine Rolle. JHWH war der Gott der Lebenden und der Tod war vor allem durch die Trennung von Gott charakterisiert. Die jüdische Unterwelt („Scheol“) ist zuvorderst ein unbestimmter Ort der Schatten. Auch der Gedanke der Auferstehung kommt verhältnismäßig spät auf. Erst im Buch Daniel, das vermutlich um die Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts entstanden ist, sind Anklänge an eine Auferstehungslehre und ein postmortales Gericht zu erkennen. Dass die jüdische Heilserwartung primär eine irdische ist, kommt auch in der Vorstellung des Messias („der Gesalbte“) zum Ausdruck.

Keine Erbsünde im Judentum

Auch in apokalyptischen Vorstellungen wird der Messias nie zur Erlöserfigur. Denn anders als im Christentum bedarf der Mensch im Judentum keiner Erlösung aus der Erbsünde. Zwar sündigt jeder Mensch im Laufe seines Lebens, doch bringt aufrichtige Reue die Versöhnung mit Gott mit sich.

Ebenso gab und gibt es im Judentum keine Mission. Solchen Bestrebungen stand schon die enge Verschränkung von Volksgemeinschaft und Religion entgegen. Freilich stellte sich spätestens unter einem voll ausgestalteten Monotheismus die Frage, wie sich das Verhältnis Gottes zu den Nichtjuden gestaltet. Aus der Noah-Erzählung (Noah lebte laut Thora vor Abraham und konnte deshalb gar kein Jude sein) und dem dort geschilderten Bund zwischen Gott und Noah leiteten die Rabbiner die sieben noachidischen Gebote ab. Diese sollen für alle Nichtjuden Geltung haben. Wer sich als Nichtjude an diese hält, gilt im Judentum auch als „Zaddik“ (Gerechter).

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