Lexikon der Religionen:

Erbsünde

Christliches Konzept von der Schwäche des Menschen

Die Erzählung vom Sündenfall (Gen 3) muss als ätiologische Geschichte gelesen werden: Es wird eine Kausalität an den Anfang gesetzt, um auszudrücken, was hier und heute bewusst ist, nämlich die Endlichkeit, Begrenztheit und – auch moralische – Hinfälligkeit des Menschen.

Ein Kirchenfenster mit dem Sündenfall

Thinkstock/iStock/Javier García Blanco

Kirchenfenster mit der Abbildung des Sündenfalls: Eva, verführt von der Schlange. bietet Adam einen Apfel vom „Baum der Erkenntnis“ an.

Mensch nicht konkret verantwortlich für Ursünde

„Erbsünde“ ist daher eine missverständliche Übersetzung des lateinischen „peccatum originale“; diese „Ursünde“ ist keine Sünde, für die der Mensch konkret verantwortlich wäre und sie ist auch nicht vererbbar. Vielmehr befinden sich alle Menschen in einem in mehrfacher Hinsicht geschwächten Zustand, der immer wieder durch persönliche Schuld aktualisiert wird und erlösungsbedürftig macht. Das führt Apostel Paulus im Römerbrief aus, in dem er die Ursünde Adams als Zustand der befreienden Gerechtigkeit Christi gegenüberstellt (Röm 5).

Während in der Bibel keine ausführliche Lehre von der Erbsünde vorliegt, hat der Kirchenlehrer Augustinus (354 bis 430) die Erbsünde zu einem wichtigen Bestandteil der Theologie ausgebaut, die er mit der Lust bei der Zeugung in Zusammenhang bringt – mit bedenklichen Folgen für die Auffassung von Sexualität durch die weitere Kirchengeschichte. Martin Luther, der sich intensiv mit Augustinus beschäftigte, sah in der Sexualität eine Schöpfungsgabe, war aber vom sündhaften Zustand der Menschheit so überzeugt, dass er keine menschliche Anstrengung für fähig hielt, sich davon zu befreien.

Taufe hebt Bindung an die Sünde auf

Tatsächlich führt die Einsicht in die grundsätzliche Gefallenheit des Menschen nach christlicher Überzeugung zum Glauben an die Erlösung. Das Wort ist erst im antiken Zusammenhang voll verständlich: Sklaven wurden gekauft und verkauft; um einen Sklaven freizulassen, konnte er über den vereinbarten Kaufpreis freigekauft, somit ausgelöst werden. In diesem Bild ist Christus derjenige, der durch sein Leben und seinen Tod den Preis dafür bezahlt hat, dass die Menschen, die an ihn als Gottes Offenbarer glauben, erlöst, somit von der „Erbsünde“ freigekauft sind.

Die Besiegelung des Glaubens geschieht durch das Sakrament der Taufe. Sie hebt nach christlicher Überzeugung die zwingende Bindung des Menschen an die Sünde auf, befreit ihn zwar nicht von der Endlichkeit und Begrenztheit, gibt ihm aber die Möglichkeit, angesichts persönlicher Schuld mit Gott und den Mitmenschen ins Reine zu kommen.

Übersichtsartikel zum Christentum

Siehe dazu auch im ORF-Religionslexikon: