Missbrauch von Religionen

Wieder sind in diesem Sommer Bilder von Terroranschlägen um die Welt gegangen. Sie machen traurig ob des sinnlosen Sterbens so vieler Menschen. Sie machen wütend ob der Menschenverachtung der Attentäter und derjenigen, die zu solchen Anschlägen anstiften.

Zwischenruf 3.9.2017 zum Nachhören:

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Und sie machen Angst: Die Art der Anschläge verfehlt ihre Wirkung nicht: Das Gefühl, auch trotz massiver Anstrengungen von Sicherheitskräften nirgendwo wirklich sicher zu sein, verunsichert.

Olivier Dantine
ist evangelisch-lutherischer Superintendent der Diözese Salzburg/Tirol

Im Namen von Religionen

Was mich auch sehr erschüttert ist, dass Terroranschläge im Namen von Religionen verübt werden. Religiöse Fundamentalisten verwenden Symbole einer Religion und reißen einzelne Texte aus ihren Heiligen Schriften oder von Aussagen wichtiger Identifikationsfiguren aus dem Zusammenhang. Daraus basteln sie Ideologien, die Gewalt rechtfertigen oder gar verherrlichen. Das betrifft islamistischen Terror, der in den letzten Jahren besonders viele Opfer gefordert hat, übrigens sind immer wieder auch viele Muslime unter Opfern dieser Anschläge. Aber es betrifft auch rassistische Gruppierungen, die christliche Symbole als Kampfsymbol verwenden.

Berühmtheit hat der „Ku-Klux-Klan“ in den USA mit dem brennenden Kreuz erlangt. Aber auch in Südafrika hat es zur Zeit des rassistischen Apartheid-Regimes Christen gegeben, die diese Rassentrennung und die Überlegenheit der europäisch-stämmigen Menschen mit der Bibel begründen wollten. Und in Europa treten Gruppen auf, die ein wie auch immer verstandenes „christliches Abendland“ verteidigen wollen, und dabei gegen Muslime und auch gegen Flüchtlinge hetzen.

Engagiert gegen Fundamentalismus

Was immer wieder betont wird, kann ich nur wiederholen: Dies ist ein Missbrauch von Religion, und dieser Missbrauch diskreditiert auch all jene Gläubigen unterschiedlicher Religionen, die sich darum bemühen, ihre Religion in einer offenen Weise zu leben: nämlich in Toleranz und Dialog mit der Gesellschaft und anderen Religionen und Weltanschauungen. Es ist auch ein Angriff gegen jene Gläubigen, die sich für ein würdiges Leben aller Menschen in ihren Gesellschaften einsetzen.

Zwischenruf
Sonntag, 3.9.2017, 6.55 Uhr, Ö1

Aber ebenso sind Reaktionen, die alle Angehörigen einer Religion mit den gewalttätigen Fundamentalisten gleichsetzen, für das Miteinander der Menschen gefährlich. Erst neulich hat eine Studie ergeben, dass es in Österreich beträchtliche Vorbehalte gegen Muslime gibt. Eine Ursache dafür liegt wohl auch in diesen pauschalen Anschuldigungen.

Zu sagen, dieser Missbrauch von Religion habe mit der Religion selbst gar nichts zu tun, greift aber zu kurz. Selbstverständlich sind auch die Religionen in der Verantwortung, sich klar von diesem Missbrauch zu distanzieren und sich auch aktiv gegen die Engführung der eigenen Religion durch radikalen Fundamentalismus zu engagieren. Ein Bereich, in dem dies geschieht, beginnt nun wieder, wenn morgen im Osten Österreichs das neue Schuljahr startet. Damit beginnt auch für viele Schülerinnen und Schüler der Religionsunterricht.

Grundlage für Frieden

Als evangelischer Theologe ist mir religiöse Bildung sehr wichtig. Der Glaube braucht mündige Christen, die ihren Glauben kritisch reflektieren können, über ihren Glauben Auskunft geben können und so dialogfähig werden. Auf diese Weise halte ich religiöse Bildung für einen wichtigen Baustein gegen Fundamentalismus und Intoleranz und nicht zuletzt gegen die Ängste vor fremden Kulturen und Religionen. Die Stärkung der eigenen religiösen Identität in einer zunehmend vielfältigen Gesellschaft sowie das wertschätzende Kennenlernen anderer Religionen spielt hierbei eine wichtige Rolle. Dass zunehmend im Religionsunterricht die Kooperation zwischen den Konfessionen und Religionen gelebt wird, wird das Erreichen dieser Bildungsziele noch weiter fördern.

Auf diese Weise wird schon in der Schule der Same dafür gelegt, dass das Miteinander der Religionen zu einer Grundlage für Frieden in der Gesellschaft wird.