Ambros - Riten im Advent

Vorab einige Zuschreibungen: Helena: Wirtstochter niederer Herkunft aus Drepanon, Helena: heilige Hure aus Trier (dort sei ihr Lebensmittelpunkt gewesen)...

Gedanken für den Tag 7.12.2017 zum Nachhören:

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Flavia Julia Helena Augusta (vom Sohn Kaiser Konstantin verliehener Ehrentitel): betagte Pilgerreisende zu den heiligen Stätten, Verehrerin der Fußspuren unseres Erlösers, eifrige Reliquiensammlerin (Lanze: Wien St. Stephan, Kreuzteile, Dornen, 3 Nägel, INRI-Inschrift, Apostelfinger des Thomas, sterbliche Überreste der hl. 3 Könige, später weiterverschenkt), Helena: Nutznießerin des ausbeuterischen constantinischen Fiskalismus (mit enormer Steuerlast), Helena: durch Christus vom Mist zur Macht geführt (wie es der Kirchenvater und Zeitgenosse Ambrosius von Mailand prägnant ausdrückt), und also springen wir gleich auf diesen heutigen Tagespatron über.

Ambrosianischer Lobgesang

Da sitze ich nun, Ambros, in einem Ganzkörper-Porträt der vier lateinischen Kirchenväter auf dieser Wiener Tafel des Meisters von Großgmain (wie mein Porträtist aus der Zeit Rueland Frueaufs mit Notnamen genannt wird), da sitze ich in eigener Lesenische meinem schlauen Schüler (und Täufling) Augustin von Hippo gegenüber, hinter mir der schreibende große Gregor (mein späterer kirchenmusikalischer Widersacher), mit Gesichtszügen mir zum Verwechseln ähnlich, und lasse mich von den Besucherinnen in den abgedunkelten Räumen des Oberen Belvedere beiläufig mustern.

Bodo Hell
ist Schriftsteller

Altmännerporträt, Tiara, verbrämter Festmantel, mit niedergeschlagenen Augen, keine Aureole, aber Goldhintergrund, auf rotem Polster in leicht verdrehter Ecke, maßwerkvertäfelte Studierstube, oben und unten ein paar geschlossene Bücher im Repositorium, vor mir und zum Beschauer quasi hergedreht, ein Buch aufgeschlagen, links halte ich die Seiten, rechts das Leseband, das weiter hinten eingelegt ist, und sinniere darüber nach, warum auch auf dieser Doppelseite mit Initialen und Strichen statt Buchstaben oben das Datum des MalAkts 1498 zu lesen steht und wer diese Kraxel wohl nachträglich angebracht hat.

Zu meinen Verdiensten und zur Fortentwicklung der Glaubenskirche will ich lieber schweigen. Eines aber fühle ich mich doch veranlasst anzumerken: Wer weiß, ob ich den ambrosianischen Lobgesang (Te Deum laudamus) in die Welt gesetzt und propagiert hätte, wäre mir damals bewusst gewesen, dass dieser Hymnus dereinst zur Segnung von Waffen missbraucht würde, und zum Säbelzücken der Korporierten im Hochamt erklänge.

Als kleiner Lichtblick erscheint mir als Bienenpatron die Nachricht aus dem fernen 21. Jahrhundert: Da soll sich nämlich mein Namens- und Priesterkollege (Ambros Aichhorn) um die kleinen Wesen der Erde kümmern, etwa um die Hummeln, und hier speziell wieder um die gefährdeten Eisenhuthummeln in Goldegg, am Salzburger Untersberg und anderswo.

Musik:

„Duo“ von Anton Bruhin und Peter Weber
Label: Urs Engeler Editor