Das Tempo der Blase

Wer keinen Wecker hat, hat eine Blase. Sie gibt das Tempo vor oder inspiriert uns, ohne Erbarmen, mit null Toleranz, zu einer Geschwindigkeit beim Verlassen des Bettes, die durchaus die höchste aller möglichen Geschwindigkeiten sein kann.

Gedanken für den Tag 6.7.2018 zum Nachhören:

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Wir leben im Blasentempo, das uns nicht gehört, dem aber wir gehören. Ob dieser Zustand des aufgestandenen Seins oder des aufgestanden worden Seins dann wirklich mit der uns jeden Morgen abverlangten Auferstehung wirklich etwas zu tun hat, bleibt dahingestellt. So mancher völlig zerrüttete Schlaf soll auf der Toilette schon eine unvollkommene Fortsetzung gefunden haben.

Herbert Maurer
ist Schriftsteller und Übersetzer

Orangensaft und Ingwer

Dennoch können wir uns – meistens – glücklich schätzen, diese eingebaute „Wasseruhr“ zu haben, einen ganz privaten Chronometer, der keine Batterien kostet und nicht aufgezogen werden muss. Das Herz hat seinen Rhythmus und das Tropfen des Wassers in unserem Unterbauch eben auch. Unsere Blase schenkt uns eben die akustische Hoffnung auf frisches Hochquellenwasser und eine heiße Dusche. Sie macht manchmal auch ein bisschen Schmerzen, als Vorgeschmack auf den Tod, wenn unsre Zeit dann wirklich verronnen – aber immerhin ja auch in uns hinein geronnen ist. Zwischen dem Trinken und seinem Gegenteil ist das Tempo wohl bemessen.

Wir können uns und die Blase mit einem heißen Tee und Orangensaft belohnen, vor allem mit Ingwer, der besonders anregend sein soll. Doch das sind Details. Eine leichte, erleichterte Zeit wünschen wir einander und unserer Blase.

Musik:

Jorge Bolet/Klavier: „Les jeux d’eau a la Villa d’Este“ - Nr. 4 aus „Annees de Pelerinage“ - Zyklus für Klavier, Troisieme Annee : Italie von Franz Liszt
Label: Decca 411803