Der niederösterreichische Don Camillo

Keine Woche verging, wo der Priester nicht irgendeinen bösen Streich über sich ergehen lassen musste. Regelmäßig wurde ihm während des Gottesdienstes der elektrische Strom abgedreht. „Es ist den Leuten der Kampf gegen den Pfarrer in Fleisch und Blut übergegangen“, klagte dieser.

Gedanken für den Tag 27.7.2018 zum Nachhören:

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Diese Szenen stammen nicht aus einer Geschichte von Giovannino Guareschi, sondern spielten sich in der Zwischenkriegszeit in der Gemeinde Kleinhöflein im nördlichen Weinviertel ab. Der Pfarrer hieß Maximilian Hofbauer. Auf diesen niederösterreichischen Don Camillo bin ich gestoßen, als ich vor vielen Jahren ein Buch zum Thema
Widerstand verfasst habe.

Michael Krassnitzer
ist Journalist

Wie Don Camillo und dessen Schöpfer Guareschi war Hofbauer ein erbitterter Gegner der Linken. Als Religionslehrer intrigierte er erfolgreich gegen sozialdemokratische Kollegen, auch mit antisemitischen Untertönen. Leute wie er waren mitverantwortlich für die aufgeheizte politische Stimmung in Österreich, die 1934 in Bürgerkrieg und Diktatur mündete.

Der Balken im Auge

Aber auch im Positiven hatte Hofbauer etwas gemeinsam mit Don Camillo und Guareschi: Wenn er Zeuge eines Unrechts wurde, dann konnte sich sein Zorn auch gegen das eigene Lager richten. Mittlerweile in Wien tätig, protestierte Hofbauer heftigst bei seinem Erzbischof, als ein Zinshaus im Besitz eines Konvents mangels Rentabilität abgerissen werden sollte – eine Katastrophe für die mittellosen Bewohner. Es sei, so schrieb er, „nicht Sache christlicher Nächstenliebe, Parteien, die schon Jahrzehnte im Hause sind, davonzujagen um eines persönlichen Vorteils willen.“
Vor solcher Konsequenz ziehe ich meinen Hut. In Abwandlung eines Bibelzitates möchte ich sagen: Nur wer sich des Balkens im eigenen Auge bewusst ist, hat auch das Recht, den Splitter im Auge des anderen zu kritisieren.

Musik:

Benedetto Lupo/Klavier, Orquesta Ciudad de Granada unter der Leitung von Josep Pons: „Can can“ Animatissimo - 5.Satz aus: Concerto Soiree für Klavier und Orchester von Nino Rota
Label: harmonia mundi France HMC 901864