Die Freiheit des Denkens

Die englische Schriftstellerin Emily Brontë, die vor 200 Jahren am 30. Juli geboren wurde, wuchs als Tochter eines Priesters der Church of England auf. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Kirche in Bewegung: Methodisten und Evangelikale gewannen an Zulauf und stellten die traditionelle Amtskirche in Frage.

Gedanken für den Tag 1.8.2018 zum Nachhören:

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Religiöse Fragen verbanden sich mit sozialen. Nicht nur die Kirche war in Bewegung. Die aristokratische Gesellschaft wich einer modernen Industriegesellschaft, was bei den einen für Unruhe sorgte, für die anderen soziale, politische und rechtliche Reformen nötig machte, neue Rechte für das Bürgertum und für Arbeiter. Vater Brontë dürfte den Evangelikalen und ihrem Fokus auf individuelle Beziehung zu Gott, auf ein gottgefälliges Leben und bibeltreue Frömmigkeit durchaus zugeneigt gewesen sein. Erziehung durch Angst scheint er nicht gepflegt zu haben. Seine Kinder ließ er, soweit sich das eruieren lässt, in großer gedanklicher Freiheit aufwachsen, gab ihnen Gelegenheit zu lesen – nicht nur die Bibel und religiöse Schriften, sondern auch Zeitungen – und zu denken.

Die Zeit im Internat

Ganz anders sah das Leben im Mädchenpensionat Cowan Bridge aus. Charlotte Brontë hat diesen Ort in ihrem Roman „Jane Eyre“ verewigt. Ein Ort der unbarmherzigen Strenge, des Brechens vor allem von munteren und aufgeweckten Kindern. Ohne entsprechende Züchtigung, so die damals durchaus übliche Meinung des calvinistischen Leiters, wären die sündigen Kinder verdammt.

Was die Zeit in diesem Internat, die endete, als die zwei älteren Schwestern todkrank nach Hause geschickt wurden und starben, in Emily angerichtet hat, weiß man nicht. Leider wurden ihre Notizen und Briefe fast vollständig vernichtet. Fest steht, dass sie in der Fremde nicht glücklich war und dass sie aufblühte, wenn sie nach den Zeiten außer Haus wieder im väterlichen Pfarrhaus war. Dort schrieb sie. Und was sie schrieb, war einerseits durchaus beeinflusst von der Religiosität des Vaters, stand aber andererseits teils gar nicht im Einklang mit religiösen und kulturellen Doktrinen ihrer Zeit.

Brigitte Schwens-Harrant
ist Germanistin, Theologin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung „Die Furche“

Die Freiheit des Denkens besingt Emily Brontë in ihrer Lyrik. Sie ist auch Grundlage für einen Roman wie „Sturmhöhe“. Da träumt Catherine, die Hauptfigur, sie sei im Paradies und ist darüber so entsetzt, dass sie die verärgerten Engel wieder auf die Erde schicken. Die gesellschaftlich goutierte Ehe wird als Paradies angedeutet und abgelehnt, auf die unmögliche Leidenschaft zu Heathcliff richtet sich die Sehnsucht. Dass sich Catherine dennoch für die gesellschaftlich opportune Variante entscheidet, das erst tritt die ganze große Unheilsgeschichte los. Starke Worte und Bilder Mitte des 19. Jahrhunderts. In vieler Hinsicht war Emily Brontë ihrer Zeit voraus.

Musik:

„Wuthering heights“ von Kate Bush
Label: EMI 7464142