„Nicht feige ist meine Seele"

Teils romantisch, teils balladenartig, vor allem aber immer musikalisch sind die Gedichte Emily Brontës, die man am besten im Original, auf Englisch lesen sollte. Da entfalten sie die Melodie und auch die vielen Anklänge. An die Bibel. An Augustinus. An literarische Vorgänger.

Gedanken für den Tag 4.8.2018 zum Nachhören:

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Religiös durchdrungen sind sie, auch jene Texte, die die Imagination ansprechen und willkommen heißen und um Beistand bitten, als wäre sie der Heilige Geist.Als „Mystikerin, christliche Lyrikerin, Häretikerin, Heidin, intellektuelle Denkerin“ und „emotionale Schriftstellerin“ wurde Emily Brontë bezeichnet. „Die Hervorhebung irgendeiner dieser Facetten ihres Geistes oder ihrer Natur dürfte, wie unterhaltsam auch immer das sein mag, in die Irre führen, denn keine davon wird ihr in ihrer Integrität als literarische Schriftstellerin gerecht“, schrieb Biografin Muriel Spark. Und fragt: Kometenhaftes Phänomen, große romantische Eremitin oder zutiefst individualistische Ketzerin? Emily Brontë war alles zugleich.

Brigitte Schwens-Harrant
ist Germanistin, Theologin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung „Die Furche

Die meisten der 200 überlieferten Gedichte schrieb Brontë zwischen 1838 und 1839, nach ihrer Zeit als Lehrerin am Internat, wo sie sich überhaupt nicht wohlgefühlt hatte. 1848 starb Emily Brontë 30jährig. Von den letzten drei Lebensjahren sind nur drei Gedichte komplett erhalten. Man weiß nicht, ob ihr die Kreativität ausging in diesen Jahren, ob die Arbeit am Roman alle ihre Kräfte brauchte, ob vielleicht ihre Gedichte vernichtet wurden.

Gedichte sind keine Predigten

Im Jänner 1846 verfasste sie jenes Gedicht, das wegen einer Zeile im zweiten Absatz „O Gott in meiner Brust“ und einer im dritten Absatz „Eitel die tausend Kredos“ zu unzähligen Interpretationen geführt hat. Diese tausend Kredos „Wecken nur Zweifel im Menschen“, heißt es weiter, „Der sich so fest an deine Unendlichkeit hielt“. Erteilt sie hier der Religion eine Absage? Wird hier ein individualistischer Glaube auf die Spitze getrieben? Gott in seiner Unendlichkeit in Frage gestellt? Oder unterschieden zwischen Glaube und Religion als Institution und letztere kritisch abgelehnt? Der Interpretationen gibt es viele. Brontës Gedicht endet mit der Gewissheit: „Für den Tod gibt’s keinen Raum … was du bist, kann nie vernichtet werden.“ Gedichte sind keine Predigten. Es ist der Form der Lyrik zu verdanken, dass sich die Gedichte sperren gegenüber Engführungen.

„Nicht feige ist meine Seele, Sie zittert nicht in der sturmzerzausten Welt“ Mit diesen Zeilen setzt Emily Brontë ein und bietet damit der Angst die Stirn. Wichtige und starke Worte auch für die Gegenwart.

Musik:

„Forever blue“ von Dani Klein
Label: Ariola 74321122172