Papst: Schlagen von Kindern nicht tabu

Der Papst hat bei seiner Generalaudienz am Mittwoch kontroverse Aussagen zu Erziehung gemacht: Für ihn sind körperliche Bestrafungen akzeptabel - solange die Würde des Kindes gewahrt bleibe.

Die Meldung, der Papst erachte körperliche Züchtigung unter bestimmten Voraussetzungen für angemessen, verbreitet sich derzeit wie ein Lauffeuer. Bei der Generalaudienz am Mittwoch, bei der es um die Rolle der Väter ging, lobte der Papst einen Vater, der zugegeben hatte, sein Kind zu schlagen. Der „Guardian“ griff die Meldung von Radio Vatikan am Donnerstag auf. Seitdem hagelt es in Sozialen Netzwerken Kritik an den Äußerungen des Papstes.

„Einmal habe ich einen Vater bei einem Treffen mit verheirateten Paaren sagen gehört, ,ich muss meine Kinder manchmal ein bisschen schlagen, aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu erniedrigen‘“, erzählte Papst Franziskus und fuhr mit den Worten „wie schön“ fort. Denn: „Das ist der Sinn der Würde. Er muss ihn bestrafen, macht es richtig und schreitet so voran“, sagte der Papst. Bei der Audienz sagte Franziskus, es sei wichtig, dass Väter bei der Kindererziehung präsent seien. Ein guter Vater sei geduldig und könne vergeben. Zu viel Kontrolle bedeute, „die Kinder nicht wachsen zu lassen“, so der Papst.

„Einfache Sprache nicht verstanden“

Thomas Rosica, ein Mitarbeiter der Pressestelle im Vatikan, verteidigte die Aussagen des Papstes. Der Papst habe offensichtlich nicht davon gesprochen, einem Kind gegenüber grausam oder gewalttätig zu sein, sondern darüber, „jemandem beim Wachsen und Reifen zu helfen“, wird Rosica im „Guardian“ zitiert.

„Wer hat nicht schon sein Kind diszipliniert oder ist von den Eltern bestraft worden?“, so Rosica. Wenn man Franziskus mit Kindern beobachte, würden die „Bilder und Gesten für sich sprechen“, schrieb Rosica in einer E-Mail. Wer aus den Aussagen von Papst Franziskus etwas anderes schließe, habe ein Problem. Denn diejenigen hätten die vom Papst eingeläutete „Revolution der einfachen Sprache und einfachen Gesten“ nicht verstanden.

Katholische Jungschar: „Jeder Schlag verletzt“

Mit einer Aussendung hat die Katholische Jungschar Österreichs (KJS) auf die kontroversen Aussagen des Papstes reagiert. Gewalt an Kindern sei nie gerechtfertigt und Gewaltfreiheit die Basis für Aufwachsen in Würde: „Anlässlich der jüngsten Medienberichte zur Aussage von Papst Franziskus möchten wir als Katholische Jungschar betonen, dass Gewalt in der Erziehung keinen Platz hat.“

Die Bundesvorsitzende der KJS, Sara Dallinger: „Jede Form von Gewalt, egal ob körperliche oder psychische, verletzt das Kind. Wer Gewalt als Mittel in der Erziehung einsetzt, missachtet in jedem Fall die Würde des Kindes.“

Die KJS verstehe Gewaltfreiheit als „Grundprinzip der christlichen Lehre“. Erwachsene hätten die Pflicht, Kinder zu beschützen und sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen. „Wir sind Vorbilder in all unseren Handlungen, und jede Handlung hat Konsequenzen für die Beziehung zwischen Kind und Erwachsenem“, so Dallinger. Gewalt dürfe kein Mittel in der Erziehung sein. Die KJS stehe hier „ganz klar auf der Seite der Kinder“.

Der Papst „irrt“

Kritik kam auch vom Katholischen Familienverband (KFÖ). „Ich bin da keinesfalls seiner Meinung. Wir haben eine Vergangenheit, in der es üblich war, dass Kinder geschlagen worden sind - und da wollen wir keinesfalls wieder hin“, sagte KFÖ-Präsident Alfred Trendl. Es sei „immer auch ein Zeichen der Überforderung, wenn Eltern handgreiflich werden“. Daher sei die Gesellschaft gefordert, Eltern entsprechend zu unterstützen. Gewalt an Kindern sei „in jeder Form abzulehnen. Hier irrt der Papst aus unserer Sicht“, so Trendl.

Auch der Deutsche Kinderschutzbund hat die Äußerungen von Papst Franziskus kritisiert. „Wir finden es sehr schade, dass das Oberhaupt der katholischen Kirche das Schlagen von Kindern als Strafe erlaubt“, sagte die Bundesgeschäftsführerin des Schutzbundes, Paula Honkanen-Schoberth.

Papst-Sprecher Federico Lombardi reagierte nun auf die breite Entrüstung. „Der Papst hat nicht dazu eingeladen, Kinder zu schlagen.“ Vielmehr habe Franziskus über die Verantwortung der Eltern gesprochen, ihre Kinder mit Liebe und Respekt auf den richtigen Weg zu bringen und ihre Würde zu bewahren.

Appell an Väter

Papst Franziskus hatte bei der Generalaudienz in der vorangegangenen Woche bereits über die Rolle von Vätern gesprochen. Wie Radio Vatikan berichtete, hatte er kritisiert, dass Väter mitunter zu wenig für ihre Kinder da seien. Diese Erkenntnis habe er aus Gesprächen gewonnen. Franziskus: „Ich fragte jeweils, ob die Väter mit ihren Söhnen und Töchtern spielen und wie viel Zeit sie dafür in Anspruch nehmen. Ich muss zugeben, dass die Antworten oft sehr enttäuschend waren. Denn ich musste feststellen, dass es Kinder und Jugendliche gab, die in sozusagen verwaisten Familien lebten. Bitte, liebe Väter, seid aufmerksamer!“

Die Abwesenheit der Väter sei eines der schlimmsten Probleme „unserer Zeit“, sagte der Papst. Das sehe man etwa bei Kindern und Jugendlichen, „denen eine väterliche Bezugsperson in ihrem Alltag fehlt. Diese Kinder fallen dann durch die Abwesenheit des Vaters auf. Aber wir dürfen auch nicht ins andere Extrem fallen und den Vater als Autoritätsperson ansehen“, so der Papst. Franziskus sagte, dass er in der kommenden Generalaudienz die „schönen Seiten“ der Vaterschaft präsentieren wolle.

Gewalt in katholischer Kirche

Durch die Aussage des Papstes gerät die im vergangenen Jahr geäußerte Kritik des UNO-Menschenrechtsausschusses zur Überwachung der UNO-Kinderrechtskonvention wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. In seinem Abschlussbericht hatte der Ausschuss den Vatikan aufgefordert, Kinder vor jeglicher körperlicher oder psychischer Gewalt zu schützen.

Grund für die Kritik waren die Berichte über körperliche Misshandlungen in katholisch geführten Schulen und Institutionen - insbesondere in Irland. Der Vatikan hatte sich dagegen zur Wehr gesetzt und den Bericht heftig kritisiert: Körperliche Züchtigung werde vom Vatikan in keiner Weise gefördert, zudem habe der Ausschuss die jüngsten Bemühungen zum Schutz vor Missbrauch nicht in den Bericht miteinbezogen.

Schläge sind Alltag

Schläge und andere Formen der Misshandlung gehören für die meisten Kinder weltweit zum Alltag, zu diesem Ergebnis kam eine Studie des Kinderhilfswerks UNICEF. Rund eine Milliarde Kinder zwischen zwei und 14 Jahren - etwa 60 Prozent aller Kinder - erlebten regelmäßige Gewalt, hieß es in der Studie.

In Ländern wie Ägypten, dem Jemen und dem Tschad müssen 40 Prozent der Kinder schwere Prügelstrafen erdulden. In den USA dürfen Eltern ihre Kinder schlagen, solange die Gewaltanwendung sich in einem „vernünftigen“ Rahmen bewegt. In 19 US-Staaten ist es dem Schulpersonal immer noch gesetzlich erlaubt, Schüler zu schlagen. In rund 39 Ländern ist die Prügelstrafe in jeglicher Form verboten: Österreich, Deutschland, Schweden, der Südsudan und Turkmenistan sind einige davon. Das Kinderhilfswerk kritisiert, dass zu wenige Staaten Kinder gesetzlich vor Gewalt schützen.

religion.ORF.at/dpa/KAP

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