Vatikan entzieht Enzyklika-Leaker Akkreditierung

Der Vatikan-Experte, der die neue Papst-Enzyklika vorab veröffentlicht hat, wird dafür vom Vatikan mit Akkreditierungsentzug bestraft. Medien spekulierten, die Vorab-Veröffentlichung solle dem Papst schaden.

In einem Brief an den „Vatikanisten“ der italienischen Zeitschrift „L’Espresso“, Sandro Magister, der die neue Papst-Enzyklika geleakt hat, schrieb Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am Dienstag, dass das Leaking mit Akkreditierungsentzug sanktioniert werde. Die Online-Publikation des Textentwurfs und der Bruch der Sperrfrist seien regelwidrig und verursachten „große Unannehmlichkeiten für viele Journalistenkollegen“ sowie eine erhebliche Störung des Betriebs im vatikanischen Presseamt, so Lombardi in dem Brief. Das Schreiben wurde öffentlich ausgehängt. Liberale italienische Medien spekulierten am Dienstag darüber, inwieweit die Vorab-Veröffentlichung darauf abziele, dem Papst zu schaden.

Vatikan-Sprecher Federico Lombardi

Reuters/Alessandro Bianchi

Vatikan-Sprecher Federico Lombardi

Zulassung zu Pressesaal entzogen

Magister ist mit Wirkung vom Dienstag die Zulassung zum vatikanischen Pressesaal „auf unbestimmte Zeit“ entzogen. Am Montag hatte er über seinen Blog das 192 Seiten umfassende Faksimile einer vorläufigen Fassung des Lehrschreibens „Laudato si“ von Papst Franziskus verbreitet - mehr dazu in Papst-Umweltenzyklika geleakt: „Nicht endgültig“. Es handele sich um eine erste Version der Vatikan-Druckerei, die vor einigen Tagen wegen notwendiger Korrekturen eingestampft worden sei, teilte die Zeitschrift mit.

Der 71-jährige Magister hatte nach einem Studium der Theologie und Philosophie sowie der Geschichtswissenschaften in Mailand die Journalistenlaufbahn eingeschlagen. Seit 1974 arbeitet er mit dem Schwerpunkt katholische Kirche und Vatikan für das Wochenmagazin „L’Espresso“, das im gleichen Verlag erscheint wie die linksliberale und kirchenkritische Tageszeitung „La Repubblica“. Magister hatte in jüngerer Zeit wiederholt kritische Beiträge zum Pontifikat von Franziskus veröffentlicht.

Eine Enzyklika ist eines der wichtigsten Lehrschreiben der katholischen Kirche. Sie soll den Gläubigen als Wegweiser dienen. In der für Donnerstag erwarteten Enzyklika des Papstes geht um das Thema Umweltschutz und Klimawandel. Der Titel des rund 200 Seiten langen Schreibens ist „Laudato si, sulla cura della casa comune“ (Gelobt seist Du - Über die Sorge um unser gemeinsames Haus der Schöpfung). Er stellt eine Referenz an Franziskus’ Namensgeber Franz von Assisi dar, der ist mit seinem Sonnengesang „Laudato si“ zum großen „Öko-Heiligen“ der Kirche geworden ist.

Medien: Leak soll Papst schaden

Nach der am Montag erfolgten Veröffentlichung durch „L’Espresso“ spekulierten am Dienstag italienische Medien über die Motive der Urheber. Die Indiskretion sei das Werk konservativer Kräfte innerhalb und außerhalb der Kurie, schreibt die Zeitung „La Stampa“ am Dienstag unter Berufung auf nicht genannte vatikanische Quellen. Ihr Ziel sei es, damit die Wirkung der Enzyklika zu schwächen und der Person des Papstes zu schaden, so die in Turin erscheinende Zeitung. Auch die Tageszeitung „Corriere della Sera“ gibt eine vatikanische Quelle mit der Einschätzung wider, den betreffenden Personen gefalle die harte Kritik an der Umweltpolitik der Industrienationen nicht.

Papst Franziskus

APA/EPA/Claudio Peri

Die Wirkung der Enzyklika von Papst Franziskus soll geschwächt werden, vermuten liberale italienische Zeitungen

Dem inoffiziellen Text zufolge benennt die Enzyklika in einem ersten Kapitel globale Gefahren wie Umweltverschmutzung, Klimawandel, Trinkwasserknappheit und einen Rückgang der Biodiversität sowie die sozialen Probleme, die daraus entstehen. Dem wird in einem zweiten Kapitel eine christliche Schöpfungslehre aus biblischer Sicht entgegengestellt.

Das dritte Kapitel macht laut der geleakten Fassung Technokratie und die neuzeitlichen Haltung des Menschen, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, als Wurzeln der Umweltkrise aus. Daran schließt sich eine Vision einer umfassenden Ökologie an, die Prinzipien wie Gemeinwohlorientierung und Generationengerechtigkeit beinhaltet.

Kritik im Vorfeld

Die Enzyklika schließt dem durchgesickerten Entwurf zufolge mit Handlungsleitlinien für Politik, Wirtschaft und Religionen im fünften Kapitel sowie Vorschlägen für eine Spiritualität der Ökologie im sechsten Kapitel. Den Abschluss bildet ein „Gebet für unsere Erde“.

Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung hatte es in den USA Kritik an der Enzyklika gegeben. Konservative Katholiken, etwa der Präsidentschaftsbewerber Rick Santorum, riefen den Papst auf, „die Wissenschaft den Wissenschaftlern zu überlassen“. Er habe zum Klimawandel keine Lehrautorität.

Klimaforscher: Papst nimmt Wissenschaften ernst

Die neue Enzyklika von Papst Franziskus ist nach Ansicht eines führenden Klimaforschers ein wichtiges Zeichen für den Umweltschutz. „Wenn das Oberhaupt von mehr als einer Milliarde Katholiken weltweit die Bewahrung der Schöpfung und insbesondere den Schutz der Erdatmosphäre zum Mittelpunkt einer Enzyklika macht, ist das natürlich ein starkes Signal“, sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, der Deutschen Presse-Agentur. Der Forscher wird das päpstliche Lehrschreiben am Donnerstag im Vatikan mitvorstellen.

In der Enzyklika geht es um den Klimawandel und den Schutz der Schöpfung. Der Papst nehme die Erkenntnisse der Wissenschaft sehr ernst und sehe die ethische Herausforderung, sagte Schellnhuber. „Schließlich ist der Klimawandel auch eine Frage der Gerechtigkeit: Wir verfeuern fossile Brennstoffe und stoßen Unmengen Treibhausgase aus für unser Wohlleben hier und heute - und bürden die hierdurch entstehenden Risiken, etwa immer extremeres Wetter sowie den Anstieg des Meeresspiegels, anderen auf.“ Vor allem die armen Länder des Südens würden darunter leiden.

religion.ORF.at/KAP/dpa

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