Flüchtlinge als Filmemacher
Farsi, Arabisch, Englisch, Somali, Französisch und auch ein paar Brocken Deutsch ergeben einen bunten Klangteppich: Im ORF Zentrum am Küniglberg haben sich 46 Asylwerber, Flüchtlinge und Medienschaffende Anfang Juli 2015 zu einem ersten Kennenlernen für das Kurzfilmprojekt „Start where you are“ getroffen. Gemeinsam will man in den nächsten Wochen Videobeiträge zum Thema Exil produzieren.
Nur wenige hier haben bisher mit einer Kamera gearbeitet. In ihrer Heimat waren sie z.B. KFZ-Mechaniker, Musiker, Friseure, Lehrer, manche hatten bisher keine Chance auf Schule, Ausbildung oder Beruf.
Jüdisches Filmfestival Wien
religion.ORF.at begleitet das Jüdische Filmfestival Wien als Medienpartner und berichtet über ausgewählte Programmpunkte.
Die Idee zum Kurzfilmprojekt stammt von Sarah Stroß, der künstlerischen Leiterin des Jüdischen Filmfestivals in Wien. Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten und in fremden Ländern angekommen sind, sollten ihre Erfahrungen filmisch aufarbeiten können. Ein kreativer und dynamischer Prozess, der den oft eintönigen Alltag des monatelangen, manchmal auch jahrelangen Wartens auf Asylbescheide in Lagern und Heimen unterbrechen soll.
Know-how von Profis
Rasch wurden für das Projekt auch Kooperationspartner gefunden. ORF, die Brunnenpassage der Caritas und die Initiative Insider stellten Ressourcen zur Verfügung. Darüber hinaus waren Filmemacherinnen und Filmemacher, Kameraleute und Journalisten bereit, das Projekt mit ihrem Know-how zu begleiten.
ORF/Marcus Marschalek
Sieben Teams starteten in das Projekt, mit dem Ziel, über Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede hinweg, gemeinsame Filme zu produzieren. Ideen wurden ausgetauscht, Drehbücher skizziert. Für viele ein durchaus herausfordernder Prozess des Sichöffnens. Nicht alle haben durchgehalten, einige sind während der drei Monate Produktionszeit ausgestiegen, dafür kamen aber auch neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu, erzählt Niloufar Jalalian aus dem Iran.
ORF/Marcus Marschalek
Bildsprache und Symbolik, der Umgang mit Musik und Filmschnitt sind durchaus von Land zu Land sehr unterschiedlich. Das sei eine Herausforderung im gemeinsamen Umsetzen der Videos gewesen, stimmen viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Projekt überein.
ORF/Marcus Marschalek
Tumult bei Dreharbeiten in Traiskirchen
Einige der Filme greifen das Flüchtlingslager Traiskirchen als Thema auf. Die Dreharbeiten vor dem Lager sorgten durchaus für turbulente und auch witzige Szenen. So entwischte dem Team um Mohammad Shakeri, einem Musiker aus dem Iran, kurz vor den entscheidenden Aufnahmen eine Taube. Die „Hauptdarstellerin“ flog auf das Lagerdach. Polizei und Sicherheitsfirma in Traiskirchen dachten zuerst, es würde sich um eine Kameradrohne handeln und baten Shakeri zum Verhör, eine halbe Stunde später war der Vorfall aufgeklärt. Die Taube war jedoch weg und das Drehbuch musste rasch adaptiert werden.
ORF/Marcus Marschalek
Für den Film Healing Titiya wurde ganz bewusst mit Schwarz-Weiß-Bildern und Farbe gearbeitet. „Wenn man in ein neues Land ins Exil kommt, dann ist alles fremd und das hindert einen, die Schönheit und Buntheit zu sehen. Erst in der Beziehung zu andern Menschen - in meinem Film beginnt Titiya mit anderen Kindern zu malen - erschließen sich plötzlich die Farben, dann wird alles bunter und schöner“, erzählt Shakeri.
Präsentation des Kurzfilmprojekts „Start where you are“
Sa. 10.10. 18.00 Uhr
Brunnenpassage: 1160, Brunnengasse 71 (Eintritt gratis)
Sa. 17.10. 14.00 Uhr
Kino De France, im Rahmen des „Kurzfilmprogramm 1: Exil“
Am 10. und 17. Oktober wird nun das Ergebnis des Filmprojektes im Rahmen des Jüdischen Filmfestivals Wien präsentiert. Sieben Filme wurde fertiggestellt: Face the Truth, Dreizehn Fragen, Healing Titiya, Her Eyes, Inside Traiskirchen, Die Sprache ist eine Mauer und Current status: It’s complicated, erzählen von Fluchterfahrungen und dem Leben im Exil.
Ein wesentlicher Output des Filmprojektes sind auch die neu gewonnen Beziehungen und Freundschaften in den Teams, erzählt Ernst Pohn von ORF III. Menschen die zuvor noch anonym in der Masse der Asylwerber waren, kamen einander im Projekt näher, hatten plötzlich ein Gesicht und eine Geschichte.
Marcus Marschalek, religion.ORF.at