„Vatileaks 2“: Zwei Festnahmen im Vatikan

Im Skandal um geheime Dokumente über Finanzmissstände im Vatikan, die Journalisten zugeschanzt worden seien, sind am Montag im Vatikan zwei Personen festgenommen worden.

Dabei handelt es sich um den spanischen Prälaten Lucio Angel Vallejo Balda und die Vatikan-Beraterin Francesca Chaouqui - ihnen drohen Haftstrafen bis zu acht Jahren. Die 32-jährige Italienerin Chaouqui, die der Papst im Juli 2013 überraschend in die neu gegründete Kommission zur Überprüfung der vatikanischen Finanz- und Güterverwaltung berufen hatte, sei bereits aus der Haft entlassen worden, da sie mit den Justizbehörden zusammenarbeite, hieß es in einer Presseaussendung der vatikanischen Staatsanwaltschaft. Der Spanier Vallejo Balda war Sekretär der Präfektur für Wirtschaftsangelegenheiten und des vatikanischen Wirtschafts- und Finanzsektors (COSEA).

Die Festnahmen erfolgten bereits am Samstag und Sonntag, die Information wurde aber erst am Montag von der vatikanischen Staatsanwaltschaft bekanntgegeben. Die Kommunikationsexpertin Chaouqui war unter anderem für das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young tätig gewesen. Kritiker hatten Zweifel an Chaouquis Kompetenz für die Aufgabe geäußert. Die Italienerin, die in der katholischen Studentenschaft aktiv war, ist die einzige Frau in der Kommission.

Sollen Dokumente weitergegeben haben

Die beiden Verdächtigen sollen den italienischen Investigativjournalisten Gianluigi Nuzzi und Emiliano Fittipaldi vertrauliche Dokumente für deren Bücher über die Misswirtschaft und Intransparenz bei den vatikanischen Finanzen zugespielt haben. Beide Bücher erscheinen am Mittwoch. Der Vatikan will jedoch Initiativen gegen ihre Veröffentlichung ergreifen.

Papst Franziskus leitet das Angelus-Gebet auf dem St.-Petersplatz vom Fenster aus

APA/EPA/ANSA/Ettore Ferrari

Papst Franziskus könnte es mit einem neuen Skandal zu tun bekommen

Die Bücher würden auf Dokumenten basieren, die den Journalisten auf illegale Weise zugeschanzt worden seien. Das Vertrauen des Papstes sei damit schwer verletzt worden, verlautete am Montag aus dem Vatikan. Thema der beiden Bücher sollen Geldverschwendung und Misswirtschaft im Vatikan sein, so das Webportal Vatican Insider am Montag.

„Vatileaks 2“ und brisante Bücher

Vatican Insider spricht von einem „Vatileaks 2“. In der „Vatileaks“-Affäre gelangten im Jahr 2012 vertrauliche Dokumente vom Schreibtisch Papst Benedikts XVI. an die Öffentlichkeit. Sein Kammerdiener Paolo Grabiele gestand den Diebstahl, die Hintergründe blieben unklar.

In den vergangenen Tagen hatten italienische Medien zudem über einen angeblichen Hackerangriff auf den Computer des obersten vatikanischen Wirtschaftsprüfers Libero Milone berichtet. Die Ernennung Milones zum obersten Wirtschaftsprüfer ist Teil der von Papst Franziskus eingeleiteten Kurienreform. Er soll die Finanzen sämtlicher Dienststellen im Kirchenstaat überprüfen. Der Angriff auf Milones Computer erfolgte wenige Tage vor der Erscheinung der zwei heiklen Sachbücher.

Berichte über Unstimmigkeiten im Vatikan

Im Zuge der Neuorganisation des vatikanischen Wirtschafts- und Finanzsektors durch Papst Franziskus gab es in den vergangenen Monaten wiederholt Berichte über angebliche Unstimmigkeiten im Vatikan. Der Leiter des neu geschaffenen Wirtschaftssekretariats, der australische Kardinal George Pell, soll durch weitreichende Forderungen und forsches Auftreten Widerstand hervorgerufen haben.

Der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi, der die "Vatileaks"-Affäre ins Rollen brachte.

AP/Domenico Stinellis

Der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi brachte die „Vatileaks“-Affäre ins Rollen

„Via Crucis“ heißt das neue Werk des Investigativjournalisten Nuzzi, das am Mittwoch vom Verlag Chiarelettere in Italien veröffentlicht wird und am selben Tag in mehreren Sprachen erscheint, darunter auch auf Deutsch im Salzburger Ecowin-Verlag. „Alles muss ans Licht - Das geheime Dossier über den Kreuzweg des Papstes“, lautet der Titel im deutschsprachigen Raum. Die Veröffentlichung des Buches wird mit großer Spannung erwartet, denn Nuzzi ist für seine brisanten Werke über Intrigen und Machenschaften im Vatikan bekannt.

2009 veröffentlichte Nuzzi „Die Vatikan AG“, ein Sachbuch über die Ströme von Schmiergeldern, die durch die Vatikan-Bank IOR geschleust wurden. 2012 brachte er „Seine Heiligkeit“ auf den Markt, das eine zentrale Rolle in der „Vatileaks“-Affäre um die Veröffentlichung vertraulicher Dokumente vom Schreibtisch Benedikts XVI. spielte. Spekulationen, wonach der ehemalige Kammerdiener Benedikts XVI., Gabriele, einer von Nuzzis Informanten gewesen sein soll, lässt der Journalist bis heute unkommentiert. Gabriele wurde damals wegen der Vorfälle zu 18 Monaten Haft verurteilt, allerdings kurz vor Weihnachten 2012 von Benedikt XVI. begnadigt.

Berichte über Geldverschwendung

„Ich hatte Zugang zu Tausenden von Dokumenten. Sie zeugen von einer unglaublichen Geldverschwendung durch die Kirchenführung. Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, diejenigen aufzuspüren und anzuklagen, die sich der Revolution von Papst Franziskus widersetzen“, schrieb Nuzzi im Vorfeld der Präsentation seines neuen Werkes.

Der argentinische Papst bemühe sich um Transparenz und Kontrolle nicht offizieller Bilanzen, aus denen laut Nuzzi intransparente Operationen seitens der Vatikan-Verwalter klar hervorgingen. Diese Lage habe unter anderem Benedikt XVI. zum Rücktritt bewogen, behauptet Nuzzi.

Reichtum, Skandale und Geheimnisse

Veröffentlicht wird am Mittwoch auch das Werk „Avarizia“ (Geiz) von Emiliano Fittipaldi, einem Journalisten des renommierten italienischen Nachrichtenmagazins „L’Espresso“. Das Buch enthält Originaldokumente zum Thema Reichtum, Skandale und Geheimnisse im Pontifikat von Franziskus. Fittipaldi sammelte dank vertraulicher Quellen eine große Menge von Dokumenten zur Wirtschaftslage des Vatikan, unter anderem Bilanzen und Finanzberichte. Das Buch sei eine Fotografie des „Finanzimperiums“ der Kirche in einer Zeit, in der Franziskus mit scharfen Widerständen bei seinen Bemühungen um eine einfachere und menschennähere Kirche konfrontiert sei.

Unermüdlich warnt der Papst vor der zerstörerischen Kraft des Geldes. Die Fixierung auf Reichtum bezeichnet er als „Götzendienst“. Dabei kämpft er immer wieder gegen die „falsche Kultur“, die nur Geldgier verbreite. Unter seinem Pontifikat ist eine tiefgreifende Umstrukturierung der skandalumwitterten Vatikan-Bank IOR in die Wege geleitet worden. Doch Franziskus’ Bemühungen stoßen offenkundig auf immer stärkere Widerstände.

religion.ORF.at/KAP/APA

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