Aleviten wehren sich gegen „Zwangsislamisierung“

Die Diskussion über das Islamgesetz ist um eine Facette reicher geworden: Das Gesetz soll auch auf die Föderation der Aleviten Gemeinden in Österreich (AABF) angewendet werden. Diese Aleviten, die sich nicht als Muslime sehen, beklagen eine „Zwangsislamisierung“.

Unter dem Leitspruch „Nein zur Zwangsislamisierung in Österreich“ werden Aleviten am Samstag einen Protestmarsch in Wien veranstalten. Ihr Unmut richtet sich gegen das Kultusamt, das die Aleviten, so die Kritik des Vereins, unter das Dach der bereits als Religionsgemeinschaft anerkannten Alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (ALEVI) zwingen will. ALEVI, die bis vor Kurzem noch das Wort „Islamisch“ in ihrem Namen trug, begreift das Alevitentum als Konfession des Islam und seine Anhänger als Muslime.

Das Islamgesetz, das für die zwei anerkannten islamischen Glaubensgemeinschaften in Österreich gleichermaßen gilt, soll nun auch auf den alevitischen Dachverband AABF Anwendung finden. Doch dieser definiert den Alevismus als einen eigenständigen Universalglauben außerhalb des Islam. Konkret bereitet die gesetzliche Bestimmung, die Vereinen die Weitergabe religiöser Lehren verunmöglicht, den Aleviten Kopfzerbrechen. Auch ihnen droht - wie vielen islamischen Vereinen - die Auflösung, sollten sie nicht bis zum 1. März ihren Vereinszweck geändert haben und sich etwa auf kulturelle oder karitative, jedenfalls auf nicht-religiöse Aspekte beschränken.

Konflikt spitzt sich zu

Der Konflikt zwischen ALEVI und AABF ist nicht neu, durch das Islamgesetz spitzt er sich allerdings zu. ALEVI ging aus dem Kulturverein der Aleviten in Wien hervor. 2010 hatte sich der Kulturverein als Islamisch Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich neu konstituiert und erlangte den Status einer religiösen Bekenntnisgemeinschaft. Im Jahre 2009 stellte auch die Föderation, von der sich ALEVI zuvor abgespalten hatte, einen Antrag, um als religiöse Bekenntnisgemeinschaft anerkannt zu werden.

Zur Abspaltung kam es damals, weil sich die Wiener Aleviten und der alevitische Dachverband nicht darauf einigen konnten, ob das Alevitentum nun eine Konfession des Islam oder nur aus dem Islam heraus entstanden ist. Das Kultusamt entschied schließlich die Anerkennung der islamischen Aleviten und verweigerte den Aleviten, die sich nicht als Muslime begreifen, die Anerkennung. Die AABF legte beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde ein, die Entscheidung ist noch anhängig.

Auf Distanz zum Islam

Bei einer Pressekonferenz des alevitischen Dachverbands, dem 14 Ortsgemeinden angehören, beklagten die Vertreter, das Kultusamt betreibe eine Zwangsislamisierung. Es hieß, das Kultusamt wolle die Aleviten seit Jahren unter das Dach von ALEVI zwingen. Die Aleviten wiesen konsequent auf die Unterschiede zwischen dem Alevismus und dem Islam hin. So wird etwa die Scharia nicht anerkannt, auch leben Aleviten nicht nach den fünf Säulen des Islam (Glaubensbekenntnis, Gebet, Almosen, Fasten, Pilgerfahrt).

Auch Vorstandsmitglied und Pressesprecherin der Föderation, Derya Aybay, war um Distanz zum Islam bemüht: „Die Verschleierung der Frauen ist bei uns Aleviten nicht vorgeschrieben. In unserer Lehre sind Frauen und Männer absolut gleichgestellt.“ Das Näheverhältnis zwischen Islam und Alevismus sei mit dem Verhältnis von Judentum und Christentum vergleichbar, sagte Aybay.

Religionsrechtler Potz übt Kritik

Der Wiener Religionsrechtler Richard Potz, der gemeinsam mit der Expertin für Religionsrecht Brigitte Schinkele ein wissenschaftliches Rechtsgutachten über die Aleviten verfasst hatte, äußerte Kritik am Vorgehen des Kultusamtes. Potz hatte schon nach Bekanntwerden des Entwurfs des Islamgesetzes auf die prekäre Situation für Aleviten hingewiesen.

„Die Schwierigkeiten werden sich in den nächsten Wochen und Monaten zuspitzen, weil die Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft ihren Namen umgeändert hat, sich nunmehr Alevitische Glaubensgemeinschaft nennt, und somit ihren Namen an die Föderation der Aleviten Gemeinden in Österreich angepasst hat.“ Diese Situation berge eine Reihe von juristischen Problemen für die alevitische Föderation und erschwere es ihnen, in Zukunft eine Anerkennung zu erlangen.

Zwang zum Islam „unzulässig“

Akuter als eine mögliche Anerkennung ist allerdings, wie sich das Islamgesetz nun auf die verschiedenen alevitischen Vereine auswirken wird. Die zentrale Frage ist, ob sie nur weiter bestehen können, wenn sie sich als islamisch definieren und sich unter das Dach von ALEVI begeben, oder ob sie ihren Glauben weiterhin ausüben dürfen wie bisher. Für Religionsrechtler Potz ist die rechtliche Lage jedenfalls klar: Der Staat könne nicht erzwingen, dass sich der alevitische Dachverband dem Islamgesetz unterwirft: „Das ist sicher unzulässig.“

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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