IGGÖ-Frauenbeauftragte: Kopftuch keine Islam-Säule

Im Vorfeld des Frauentags und als Reaktion auf das „Kopftuchgebot“ der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) hat Carla Amina Baghajati, die Frauenbeauftragte der Organisation, das Selbstbestimmungsrecht der Frauen betont.

„Das Kopftuch ist keine ‚Säule‘ der Religion. Selbst von einem ‚Gebot‘ zu sprechen ist in der deutschen Sprache, die bei einem religiösen Kontext damit etwas so absolut Verbindliches wie die ‚zehn Gebote‘ des Alten Testaments assoziiert, problematisch. Kopftuchtragen hat im Islam nicht den Stellenwert eines Dogmas oder einer Doktrin“, so Baghajati in einer Aussendung am 7. März.

Die IGGÖ hatte in einem „Beschluss“ auf ihrer Website bekanntgegeben, das Tragen von Kopftüchern für Frauen sei „ein religiöses Gebot“, auch für Mädchen. Seitens des Integrationsministers Sebastian Kurz (ÖVP) und Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) gab es darauf scharfe Kritik - mehr dazu in Kritik an „Kopftuchgebot“ für Musliminnen.

Carla Amina Baghajati

APA/Georg Hochmuth

Carla Amina Baghajati

Kopftuch nichts „Heiliges“

Baghajati plädiert dafür, die Deutungshoheit darüber, was Frauen anziehen oder nicht anziehen, unbedingt den Frauen selbst zu überlassen. „Und die simple Gleichung ‚muslimische Frau = Kopftuch‘ nicht mitzuspielen - egal ob sie von innen oder außen kommt. Aus religiöser Sicht ist das Kopftuch kein Symbol, sondern schlicht und einfach ein Kleidungsstück.“ Es habe nichts „Heiliges“ und sei ausgezogen ein Gebrauchsgegenstand, der auch keinerlei respektvolle Umgangsweise verlange.

„Schlicht und einfach ist das Kopftuchtragen ein Teil der Glaubenspraxis. Und wenn eine muslimische Frau es aus dem einen oder anderen Grund nicht trägt, ist das allein ihre Sache, und sie kann auch so eine gute Muslimin sein“, so Baghajati.

Sendungshinweis

Carla Amina Baghajati in der Ö1-Sendung „Religion aktuell“.

In der Aussendung zitiert sie den islamischen Gelehrten Muhammad Asad, der von „moralischen Richtlinien“ derjenigen Koranverse spricht, mit denen das Tragen eines Kopftuchs argumentiert wird. Solche „liberalen“ Positionen sollten aber, so die Frauenbeauftragte, nicht dazu missbraucht werden, um kopftuchtragende Frauen darauf hinzuweisen, sie dürften ihr Tuch ja ablegen. Hier sei dem IGGÖ-Präsidenten Ibrahim Olgun zuzustimmen, wenn er daran erinnere, dass die Auslegung der Religion eine innere Angelegenheit sei und keinesfalls Sache der Politik.

„Verkehrt wiedergegeben“

Olgun hatte sich in der Debatte über den Text gegen Ratschläge von außen verwehrt. „Ob und allenfalls wie eine Kopfbedeckung zu tragen ist, fällt in das Zentrum dieser inneren Angelegenheiten“, meinte er in einer Stellungnahme. Zudem sei die Textstelle, für den Mufti Mustafa Mullaoglu verantwortlich zeichnet, „in der medialen Aufarbeitung ihres eigentlichen Inhalts beraubt und insofern völlig verkehrt wiedergegeben“.

Kopftuchempfehlung für Sanac „kontraproduktiv“

Für den ehemaligen Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), Fuat Sanac, ist die erlassene Kopftuchempfehlung „kontraproduktiv“. „Wir leben in einer offenen Gesellschaft, jede Frau muss selbst entscheiden, was sie trägt“, sagte er im Gespräch mit der APA. Der Glaubensgemeinschaft rät er, sich bei den Themen auf die österreichische Gesellschaft zu konzentrieren.

Fuat Sanac

APA/Roland Schlager

Der ehemalige Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), Fuat Sanac

Auch generell sei die derzeit geführte Kopftuchdebatte ein leidvolles Thema, so Sanac. „Es leiden immer die Frauen darunter, egal, was geschieht“, meint er. Niemand dürfe gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen, denn „Glaube kommt von Herzen“. Der türkischstämmige Theologe war von 2011 bis 2016 Präsident der Glaubensgemeinschaft. Zwar will er sich nicht mehr politisch einmischen, betont er, jedoch seine Meinung als Muslim äußern. Die lautet: „Wir müssen in der Mitte bleiben.“

Aslan: Mittelalterliche Interpretationen

Der Religionspädagoge Ednan Aslan äußerte sich am 6. März via „Standard“ (Onlineausgabe) zur Debatte: „Statt gegenwartsorientierte Deutungen aufzugreifen“, übernehme Mullaoglu mittelalterliche Interpretationen, um diese „als unantastbare Wahrheit und absolute Pflicht" anzupreisen“. Eine Argumentation für oder gegen das Kopftuch brauche eine „ganz andere theologische Grundlage aus der Gegenwart der Muslime in Europa“, so Aslan.

Grüne kritisieren Auslegung

Kritik am theologischen Gutachten der islamischen Glaubensgemeinschaft zum Tragen eines Kopftuchs kommt auch von den Grünen. Dieses schließe eine zeitgemäße Interpretation des Islam aus, so deren Menschenrechtssprecherin Alev Korun am Dienstag in einer Aussendung. Zudem werde damit eine „Kluft zwischen Muslimen und Nichtmuslimen in Österreich forciert“, fürchtet sie.

Mit der Auslegung des Beratungsrats nehme man erwachsenen Frauen und Mädchen das Recht auf Selbstbestimmung, wie sie sich kleiden und wie sie ihre Religion praktizieren wollen, kritisiert Korun weiter. Religionsfreiheit bedeute auch, „dass jeder Mensch in Österreich frei entscheiden kann, wie er seine Religion interpretiert und leben möchte“.

religion.ORF.at/APA

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