Adventkalender: Vom Kreidestrich zum Luxusgut

Seine Tage sind gezählt - in vielen österreichischen Haushalten wartet schon ein Adventkalender auf seinen Einsatz. Oft ist es sogar mehr als nur einer - und der Trend geht in Richtung immer teurerer, immer ausgefallenerer „Luxuskalender“.

Parfum, Schnaps und sogar Diamanten - die Bandbreite dessen, was heute in Adventkalendern sein kann, ist groß. Er begleitet die Konsumgesellschaft von Anfang an: Im 19. Jahrhundert aufgekommen, verbreitete sich der Adventkalender ab der Jahrhundertwende im großen Stil. Die Vorläufer dieser modernen Kalender waren schlichter: Es waren Bilder an der Wand, von denen jeden Tag eines abgerissen werden konnte, manchmal auch nur Kreidestriche zum Wegwischen, wie die Katholische Jugend auf ihrer Website zum Thema schreibt.

Adventkalender "Die Reise ins Märchenland" aus den frühen 1920er Jahren

APA/dpa/Federico Gambarini

Adventkalender „Die Reise ins Märchenland“ aus den frühen 1920er Jahren

Im alpinen Raum gab es demnach auch die „Klausenhölzer“, auf denen vor Weihnachten vollbrachte gute Taten und Gebete eingekerbt wurden. Ein anderer Brauch war das „Strohhalmlegen“: Kinder durften jedes Mal einen Halm in die Krippe legen, wenn sie eine gute Tat vollbracht hatten. Eine andere Art, die Tage vor Weihnachten zu markieren, waren „Weihnachtsleitern“ und „Tageskerzen“, die täglich ein Stück abbrannten.

24 Geschenke schon vor Weihnachten

Der Zweck von Adventkalendern war von Anfang an auf ein Ziel ausgerichtet: die Zeit vor Weihnachten zu verkürzen und zugleich die Erwartungshaltung - wie das jeder Countdown tut - zu bündeln und zu verstärken. Denn was auch immer in Familien zu Weihnachten sonst noch geschieht: Für viele zählen vor allem die Geschenke. Und auch der Adventkalender selbst mutierte in letzter Zeit zum - 24-fachen - Geschenk.

Der Wiener Weihbischof und „Jugendbischof“ Stephan Turnovszky hält das Phänomen für einen „Spiegel unserer Zeit“, wie er im Gespräch mit religion.ORF.at sagte. „Feste werfen ihre Schatten beziehungsweise ihr Licht voraus. So wie dein Advent sein wird, so wird auch dein Weihnachten sein.“ Gebe es schon im Advent täglich ein Geschenk, gerate die Erwartungshaltung zum Fest selbst entsprechend groß: „Muss da nicht Weihnachten zum Flop werden? Mir tun die Menschen leid, für die Konsum schon alles ist“, so Turnovszky.

Ein kleines Vermögen für Adventkalender

Angesichts dessen, was in den Geschäften mittlerweile unter dem Namen „Adventkalender“ angeboten wird, stellt sich teilweise die Frage, was das noch mit Besinnlichkeit zu tun haben soll: Parfümerieketten und Kaufhäuser bieten zahlreiche mit Kosmetik oder Parfum befüllte „Kalender“ an - 20 bis mehrere hundert Euro muss einem Schenkenden das schon wert sein.

Adventkalender aus Päckchen

Getty Pictures/FooTToo

Im Trend: Teure Luxuskalender

Hier ist freilich noch viel Luft nach oben. Die britische Zeitung „Guardian“ weiß von wirklich sündteuren Adventkalendern zu berichten: Dieses Jahr sei der „Luxuskalender“ Mainstream geworden, befindet „Guardian“-Autorin Emine Saner in einem dem Phänomen gewidmeten Kommentar. Das gehe bis zu einem „Kalender“ mit seltenen Whiskysorten um 10.000 Pfund (gut 11.000 Euro).

Käse-, Sekt- und Werkzeugkalender

Aber auch herkömmlichere Exemplare, die in Geschäften angeboten werden, kosten ein kleines Vermögen, und der Inhalt wird auch immer eigenartiger: Es gibt Schweineschwartenchips- und Käsekalender, solche mit kleinen Sektflaschen, eine deutsche Werkzeugfirma bietet sogar einen Schraubenzieher-„Adventkalender“ an. All das ist nicht unter 100 Euro zu haben.

Adventkalender für Kinder sind zwar selten so teuer, aber solche mit Kleingeschenken, oft von einer prominenten Spielzeugmarke, nehmen in den Spielzeuggeschäften vor Weihnachten viel Raum ein. Dazu kommen mit Schokolade gefüllte Kalender, und einen „altmodischen“ mit aufklappbaren Bildchen möchte man vielleicht auch noch haben. So kann man pro Familie - je nach Kinderanzahl - schon auf einige Adventkalender kommen.

Kinderhand beim Kekseausstechen

APA/Barbara Gindl

Mit Kindern Zeit verbringen als Alternative zum Geschenke-Overkill

Wie man Kindern und Jugendlichen trotzdem eine Alternative zum „Konsum-Advent“ bieten kann? Turnovszky rät zu „weniger physischen Kalendern und mehr Ideen“. Zum Beispiel könne man sich 24 Aktionen ausdenken, die in der Vorweihnachtszeit Freude machen könnten: „Kekse backen für Freunde, ein Kompliment aussprechen, Zeit schenken“.

„Verzichtkalender“ statt Konsum

Sehr gegen den Trend, aber überlegenswert wäre etwa auch ein „Verzichtkalender“: Man könnte sich „überlegen, worauf man an jedem Tag verzichten kann: auf das Auto, auf das Einkaufen zum Beispiel - oder auch auf das Rechthaben in einer Beziehung“, so Turnovszky. „Zu viel Konsum zerstört den Genuss“, so der Bischof - etwas Verzicht könne helfen, sich mehr über Gutes zu freuen.

Weihbischof Stefan Turnovszky

APA/Robert Jäger

Weihbischof Stefan Turnovszky

Für Erwachsene empfiehlt er Bücher wie Richard Rohrs „Auf dem Weg nach Weihnachten“ (Herder-Verlag, vergriffen). Es bietet 24 kurze Texte und viele Bibelstellen, um sich richtig auf das Fest einzustimmen. Außerdem bieten die Kirchen in der Adventzeit neben den Liturgien feierliche Adventstunden an.

Sehnsucht nach dem Echten

Bei Kindern sei es das Wichtigste, ihnen Zeit zu schenken - und zwar „Zeit, die für die Kinder schön ist“, die ihnen bewusst gewidmet werde. Das könne gemeinsames Backen und das Dekorieren der Wohnung sein, oder man könne eine Geschichte „portionieren und gemeinsam jeden Tag weiterlesen“, schlug der Bischof vor. Außerdem können man bei Kindern wie Erwachsenen mit allem „punkten, was echt ist: echte Kerzen, echte Stoffe, echte Musik, live von Menschen gesungen - das berührt die Menschen, weil sie Sehnsucht nach diesem Echten haben“.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

Links: