Schönborn: „Braucht Willen zum Frieden in Syrien“

„Es braucht endlich den Willen zum Frieden in Syrien“, hat Kardinal Christoph Schönborn als Gastgeber die Positionen der Teilnehmer eines ökumenischen Symposions am Montagnachmittag im Wiener Erzbischöflichen Palais zusammengefasst.

Der Kardinal weiter: „Und es ist eigentlich unvorstellbar, dass es diesen politischen Willen angesichts des Leides der Bevölkerung immer noch nicht gibt.“ Das Symposion fand aus Anlass des zweiten Jahrestag des historischen Treffens zwischen Papst Franziskus und dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. auf Kuba statt. Inhaltlich stand ein wesentlicher Aspekt der damaligen gemeinsamen Erklärung von Papst und Patriarch im Mittelpunkt der Tagung: Der Einsatz für die verfolgten Christen im Nahen Osten.

Verfolgte Christen im Mittelpunkt

Hauptreferenten waren der deutsche Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, und Metropolit Hilarion, der frühere russisch-orthodoxe Bischof von Wien und nunmehrige Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats. Aber auch Bischöfe aus dem Nahen Osten kamen in Wien zu Wort.

Messe in einer zerbombten syrisch-orthodoxen Kirche in Deir Ezzor, Syrien

APA/AFP/Ayham al-Mohammad

Messe am 3. Februar 2018 in einer syrisch-orthodoxen Kirche in Deir Ezzor, Syrien

Metropolit Hilarion unterstrich, dass es dem Moskauer Patriarchat neben der humanitären Hilfe vor allem darum gehe, beim Wiederaufbau des kirchlichen Lebens in Syrien einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Patriarch Kyrill sagte immer wieder, dass das Leid der Christen in Syrien auch sein eigenes Leid sei.

Zusammenarbeit der Kirchen

Die russische orthodoxe Kirche arbeite in ihrer Hilfe mit der katholischen Kirche, aber etwa auch mit Kirchen der reformatorischen Tradition und auch mit anderen Religionen zusammen. Weiters betonte der Metropolit, dass diese Hilfe auch dem russischen Staat ein großes Anliegen sei. Das Moskauer Patriarchat setze sich neben materieller Hilfe auch für den interreligiösen Frieden in der Region und nationale Versöhnung ein.

Der Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats ging u. a. auch auf die jüngste Hilfsaktion seiner Kirche in Syrien ein: Eine interreligiöse Delegation der Syrien-Arbeitsgruppe des russischen Präsidentschaftsrates für die Zusammenarbeit mit den religiösen Organisationen hatte vergangenen Woche das Land besucht und dabei 77 Tonnen Hilfsgüter verteilt.

Lebensmittelpakete

Die an Familien unterschiedlicher Konfession übergebenen 25-Kilo-Pakete enthielten vor allem Nahrungsmittel. Insgesamt wurden 3.000 Pakete verteilt, extra gab es noch Schokolade und Süßigkeiten für die Kinder. Die Delegationsmitglieder nahmen die Verteilung gemeinsam mit syrischen christlichen und muslimischen Geistlichen vor. Bei den Verteilaktionen in Damaskus wurde die Übergabeplätze von „Rebellen“ aus dem östlichen Vorort Ghouta beschossen, die Aktionen wurden aber nicht eingestellt.

Die Kosten für die Verteilaktionen von Hilfsgütern wurden in Russland von orthodoxen, katholischen, evangelikalen und armenischen Kirchengemeinden sowie muslimischen Moscheegemeinden aufgebracht.

„Handwerker des Friedens“

Die Not der Christen im Nahen Osten dürfte für Patriarch Kyrill wohl einer der Hauptgründe gewesen sein, dass er vor gut zwei Jahren die Zeit für ein Treffen mit dem Papst für reif erachtet hatte, sagte Kardinal Koch in seinen Ausführungen. Einen Nahen Osten ohne Christen könne und dürfe man sich nicht vorstellen, so der Kardinal.

Das wäre nicht nur ein unvorstellbarer religiöser und kultureller Verlust, die Präsenz der Christen sei darüber hinaus für den Frieden und die Stabilität in der Region unverzichtbar. Die Christen im Nahen Osten müssten „Handwerker des Friedens“ sein und zur nationalen Versöhnung beitragen, forderte Kardinal Koch. Das gehe freilich nur, wenn die Kirchen untereinander zusammenarbeiten.

Kardinal Christoph Schönborn

APA/Erwin Scheriau

Kardinal Schönborn

Die Christen im Orient würden ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche einfach deshalb verfolgt, weil sie Christen seien, unterstrich Koch. Er sprach von einer „Ökumene der Märtyrer“, die die Kirchen eigentlich einander viel näher bringen müsste.

Vom Westen vergessen

Der armenisch-apostolische Bischof Armash Nalbandian verdeutlichte die dramatische Situation in Syrien mit einigen Zahlen. So seien im Krieg bisher 200 Kirchen und 1.800 Moscheen zerstört worden. Bis zu 60 Prozent der Christen im Land hätten ihr Heim verloren. Für seine eigene armenische Kirche benannte Nalbandian 200 Tote, 450 Verletzte und 1.200 zerstörte Häuser. 120 armenische Christen seien entführt worden, 3.000 christliche Geschäfte und Betriebe, 17 Kirchen und 20 Schulen sowie 15 weitere Einrichtungen wie Waisenhäuser oder Krankenhäuser wurden zerstört.

Beschuss durch „Rebellen“

Nalbandian hat seinen Bischofssitz in der syrischen Hauptstadt Damaskus, nur rund 500 Meter entfernt von der nach wie vor vorhandenen Frontlinie zwischen Regierungsgebiet und von Rebellen besetzten Vierteln. In den vergangenen zwei Wochen hätten die Christen in Damaskus wieder sehr unter dem Beschuss dieser „Rebellen“ zu leiden gehabt, berichtete der armenische Bischof. Bis zu 70 Raketen seien jeden Tag niedergegangen. Zahlreiche Menschen seien ums Leben gekommen, darunter auch Kinder.

„Manchmal fühlen wir uns von der Politik aber auch unseren Geschwisterkirchen im Westen völlig vergessen“, so der Bischof wörtlich. Jede Hilfe, die ankommt, sei hingegen für die Menschen vor Ort ein „Zeichen der Hoffnung“.

Bürgerrechte und Religionsfreiheit

Bischof Joseph Mouawad von der Maronitischen Kirche sprach die dramatische humanitäre Situation im Libanon an. Das kleine Land müsse bei einer eigenen Bevölkerung von rund vier Millionen bis zu zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien (und hunderttausende weitere aus Palästina) beherbergen und unterstützten. Das sei kaum noch zu bewältigen.

Er hoffe sehr, so der Bischof, dass die Syrer bald wieder in ihre Heimat zurückkehren können, denn die Wirtschaft und Infrastruktur im Libanon seien am Ende. Der Nahe Osten braucht eine große politische Lösung, so der Bischof. Nur mit gleichen Bürgerrechten für alle Bewohner und mit Religionsfreiheit können die Region in eine positive Zukunft gehen, zeigte sich Mouawad überzeugt.

Würdigung der russischen Kirche

Kardinal Schönborn würdigte in seinen Worten u. a. die Hilfe der russischen Kirche wie auch des russischen Staates für die Christen in der Region. Er wisse aus vielen Begegnungen, dass sich viele Christen vor Ort vom Westen vergessen und verlassen fühlten. Die russisch-orthodoxe Kirche hingegen helfe.

Der Kardinal erinnerte aber auch an den Aufruf von Papst Franziskus 2013, für ein Ende des Syrien-Krieges zu beten und zu fasten. Dieser Appell habe u. a. auch dazu geführt, dass einige geplante Bombardements nicht durchgeführt wurden. Es sei freilich eine Tragödie, dass der Krieg noch immer nicht zu einem Ende gekommen ist.

An dem Symposion im Wiener Erzbischöflichen Palais nahmen Vertreter zahlreicher Kirchen aus dem In- und Ausland teil; aus Österreich u. a. auch der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic) und der lutherische Bischof Michael Bünker; weiters auch der neue für Österreich zuständige russisch-orthodoxe Erzbischof Antonij (Sevrjuk) und der syrisch-orthodoxe Metropolit Mar Dionysios Isa Gürbüz. Grußworte kamen vom russischen Botschafter in Österreich, Dmitrij Ljubinskij, sowie dem Präsidenten des katholischen Hilfswerks Kirche in Not, Johannes Heereman.

religion.ORF.at/KAP

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