Missbrauch in Chile: Papst räumt schwere Fehler ein

Papst Franziskus hat rund um seinen Umgang mit einem Missbrauchsfall in Chile schwere Fehler eingeräumt. Er rief außerdem 32 chilenische Bischöfe nach Rom, um mit ihnen über die Konsequenzen für die katholische Kirche aus der Missbrauchskrise zu beraten.

Es wird wohl das größte derartige Krisentreffen im Vatikan, seit Johannes Paul II. 2002 zwölf US-Kardinäle wegen des dortigen Missbrauchsskandals nach Rom rief. „Ich räume ein, dass ich bei der Bewertung und Wahrnehmung der Situation schwere Irrtümer begangen habe, vor allem aus Mangel an wahren und ausgewogenen Informationen“, schrieb das katholische Kirchenoberhaupt in einem in der Nacht auf Donnerstag in Rom und in Chile veröffentlichten Schreiben an die Chilenische Bischofskonferenz.

Entschuldigung nach Eklat

Bei seiner Chile-Reise im Jänner hatte Franziskus einen Eklat ausgelöst, als er Bischof Juan Barros in Schutz nahm, der Sexualdelikte des früheren Pfarrers und Priesterausbilders Fernando Karadima gedeckt haben soll. „Es ist alles Verleumdung“, sagte der Papst damals. Später entschuldigte er sich für seine Wortwahl. Darüber hinaus schickte er den maltesischen Erzbischof Charles Scicluna nach New York und Chile, um Zeugen zu dem Fall anzuhören.

Papst Franziskus in Chile

APA/AFP/Vincenzo Pinto

Die Reise des Papstes nach Chile im Jänner war von Vorwürfen rund um einen Missbrauchsfall überschattet

Die Protokolle eines Teams von Sonderermittlern hätten in ihm „Schmerz und Scham“ ausgelöst, erklärte er. Ein Termin steht noch nicht fest. In dem Brief dankte Franziskus Scicluna und dem spanischen Priester Jordi Bertomeu Farnos, einem Rechtsexperten der Glaubenskongregation, für ihre „immense Arbeit“. Beide hätten sowohl in New York als auch in Santiago de Chile 64 Zeugen gehört und die Ergebnisse in einem 2.300 Seiten umfassenden Bericht festgehalten.

Ermittler „erschüttert“

Die beiden Ermittler seien erschüttert gewesen angesichts von so viel Schmerz. Besonders schockierend seien die Berichte über den Missbrauch Minderjähriger „durch mehrere Geistliche Eures Landes“, so der Papst in dem Schreiben an die Bischöfe Chiles. „Nach der Lektüre der Akten kann ich versichern, dass die gesammelten Zeugnisse auf rohe und ungeschönte Weise von gepeinigten Leben erzählen.“

Er halte die Zeugenaussagen für glaubwürdig, so Franziskus. Zugleich räumte er eigene schwerwiegende Fehler bei der Beurteilung der Situation ein. Dafür sei ein Mangel an wahrheitsgemäßen und ausgewogenen Informationen verantwortlich gewesen. „Ich bitte um Vergebung bei allen, die ich verletzt habe“, so der Papst wörtlich. Er sei jedoch überzeugt, dass die gegenwärtigen Probleme auch eine Chance seien, „das Vertrauen in die Kirche wiederherzustellen“.

Betroffene begrüßten Erklärung

Mehrere Betroffene haben die jüngste Erklärung des Papstes zum Missbrauchsskandal in Chiles Kirche begrüßt. „Wir erkennen die Geste des Papstes an“, heißt es in einer am Mittwoch (Ortszeit) veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme der Missbrauchsopfer James Hamilton, Jose Andres Murillo und Juan Carlos Cruz. Sie hätten vom Vatikan eine Einladung für ein Treffen mit dem Papst „in den nächsten Wochen“ erhalten.

„Der von der Kirchenhierarchie angerichtete Schaden, auf den sich der Papst bezieht, betrifft nicht nur uns. Viele Menschen sind betroffen“, schreiben die drei Missbrauchsopfer. Nun wollten sie mithelfen, in der katholischen Kirche eine Null-Toleranz-Politik in Sachen Missbrauch zu etablieren.

Chile-Reise überschattet

Die Chile-Reise des Papstes im Jänner war überschattet von einer Kontroverse über den Umgang mit sexuellem Missbrauch durch Kleriker. Die Debatte konzentrierte sich besonders auf Bischof Juan Barros (61), Leiter der südchilenischen Diözese Osorno. Barros wird beschuldigt, von sexuellen Vergehen des Priesters Fernando Karadima gewusst zu haben. Der heute 87-jährige Karadima, einst einer der prominentesten Geistlichen Chiles, wurde 2011 wegen Missbrauchs verurteilt. Barros zählte zu seinem geistlichen Schülerkreis.

Der Papst ernannte Militärbischof Barros Anfang 2015 zum Diözesanbischof von Osorno. Dadurch geriet auch Franziskus selbst in die Kritik. Die Debatte über Barros und dessen Auftritte bei Veranstaltungen mit dem Papst begleitete den jüngsten Aufenthalt von Franziskus in Chile. Damals nahm das Kirchenoberhaupt den beschuldigten Geistlichen in Schutz: Es gebe „keinen einzigen Beweis“ gegen ihn, sagte der Papst. Im März entsandte er die Ermittler nach Chile und in die Vereinigten Staaten.

religion.ORF.at/KAP/KNA/APA/dpa

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