Moscheenschließungen: Schock und Kritik

Die von der Bundesregierung am Freitag verkündeten Schließungen von sieben Moscheen und weitere Maßnahmen sind von den betroffenen Vereinen mit Kritik aufgenommen worden. Von anderer Seite hieß es, die eigentlichen „Brandstifter“ blieben unberührt.

Vertreter des Moscheevereins Nizam-i Alem in Wien-Favoriten haben sich am Freitagvormittag gegenüber Journalisten schockiert von der angeordneten Schließung ihrer Moschee gezeigt. „Wir haben damit nicht gerechnet“, sagte einer der beiden Männer, die einen Zettel mit der Aufschrift „Camii kapalidir - Geschlossen“ auf die Eingangstür hängten. Der Verein habe beim Kultusamt bereits Einspruch erhoben.

„Wir sind geschockt“

Abgesehen von einigen Journalisten und Passanten waren am Vormittag keine Menschen vor dem Kellereingang der Moschee, die sich in einem Haus am Antonsplatz befindet, zu sehen. „Wir sind geschockt“, sagte der Vertreter der Moschee, der seinen Namen nicht nennen wollte, auf Nachfrage der Journalisten. Von der Schließung habe er aus den Medien erfahren. „Wir werden jetzt abwarten, wie es sich entwickelt.“

Schild des Vereins „Nizam-i Alem“ am Antonsplatz in Wien-Favoriten. Der Betrieb wurde untersagt.

APA/Roland Schlager

Der Verein „Nizam-i Alem“ am Antonsplatz in Wien-Favoriten soll geschlossen werden.

Die Vorwürfe gegenüber der Moschee wies er von sich. „Das stimmt alles nicht.“ Man habe nie den sogenannten Wolfsgruß gezeigt, beteuerte er - wobei er das Zeichen der rechtsextremen Gruppierung der „Grauen Wölfe“ vorführte.

Verdacht auf Nähe zu „Grauen Wölfen“

Dem Moscheeverein Nizam-i Alem wurde die Weiterführung untersagt. Grund dafür ist der illegale Betrieb gewesen, was auch von der islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) selbst gemeldet wurde, wie Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) Freitagfrüh erklärte. Die Moschee am Antonsplatz stehe im Verdacht, unter Einfluss der als extremistisch und faschistisch eingestuften türkischen „Grauen Wölfe“ zu stehen. Außerdem wurde drei weiteren Moscheen in Wien sowie zwei in Oberösterreich und einer in Kärnten der Betrieb untersagt.

Die Arabische Kultusgemeinde muss ebenfalls aufgelöst werden. Der Verein gibt an, rund 1.000 Mitglieder zu zählen, die etwa aus Ägypten oder Tschetschenien stammen. Die Kultusgemeinde war schon öfter Gegenstand der Berichterstattung, denn gegen den Vorsitzenden Hassan M. wird unter anderem wegen Förderungsmissbrauch in Zusammenhang mit Kindergartensubventionen ermittelt. Die Arabische Kultusgemeinde war außerdem innerhalb der IGGÖ eine der stärksten internen Kritiker der ATIB.

ATIB bestätigt Auslandsfinanzierung

ATIB hat am Freitag bestätigt, dass Imame in Österreich aus dem Ausland finanziert wurden. Sprecher Yasar Ersoy erklärte im Ö1-„Mittagsjournal“, dass das nötig sei, da es in Österreich „keine adäquate Ausbildung“ für Imame gebe. Er forderte die Regierung auf, ATIB als Partner zu gewinnen.

Die Türkisch Islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich, kurz ATIB, vertritt über 60 Vereine mit über 100.000 Mitgliedern in ganz Österreich. Nach dem Islamgesetz ist die Finanzierung von islamischen Vereinen und damit der dort Beschäftigten mit ausländischen Mitteln verboten. Genau dies erfolgte aber bei der ATIB. Imame, die in der Türkei ihre Ausbildung gemacht haben und dann in Österreich arbeiten, werden von eben dort bezahlt, so Ersoy.

„Keine adäquate Ausbildungsmöglichkeit“

Das Problem ist aus seiner Sicht, dass es in Österreich keine adäquate Ausbildungsmöglichkeit gibt. Das passiere nicht, „weil wir das wollten“: „Um dieses Defizit zu decken“, würden die Imame eben ihr Gehalt aus der Türkei beziehen.

Wie viele Imame nun gehen müssen, werde man sich anschauen. Man habe bereits kritisiert, dass es für das Islamgesetz keine Übergangsfrist gegeben habe. Ersoy fordert daher, dass die Regierung ATIB „als starken Partner gewinnt“. Der Verein leiste schließlich seit Jahrzehnten „wunderbare, gemeinnützige“ Arbeit.

Außenansicht des türkischen Kulturzentrums ATIB in Wien Brigittenau

APA/Georg Hochmuth

ATIB-Kulturzentrum in Wien-Brigittenau: Man leiste „wunderbare, gemeinnützige“ Arbeit, argumentiert der Verein.

Laut seinen Angaben arbeite die ATIB bereits daran, dass Imame mit Mitteln aus dem Inland finanziert werden. „Das geht aber nur im gegenseitigen Austausch“, appellierte er an die Regierung. Bestritten wurde von Ersoy, dass in Gebetsräumen der ATIB politische Botschaften verbreitet werden. Als Mitglied der IGGÖ werde in keiner ATIB-Moschee ausländischer Wahlkampf betrieben: „Das gibt es nicht.“

Türkische Kulturgemeinde mit Lob und Kritik

Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) begrüßte am Freitag in einer Aussendung „jegliches Verbot verfassungs- und demokratiefeindlicher Organisationen, egal ob sie sich unter den Religionsgemeinschaften, Parteien, Vereinen oder Medien verstecken“.

Aber: "Die heutige Pressekonferenz der Regierung mit vier Ministern ist unserer Meinung nach ein unüberlegtes (unglücklich gewählter Zeitpunkt vor den Wahlen am 25.06 in der Türkei) Vorhaben, welches das eigentliche Problem des stark politisierten, radikalisierten Glaubens und der verfassungsfeindlichen angeblichen Religionsgemeinschaften nicht löst, sondern deren politischen Argumente untermauert. Besonders, weil dieses „Verbot und Auflösung" die eigentlichen Zentren des politischen Islams nicht einmal berührt bzw. tangiert.“

„Brandstifter nicht als Brandlöscher“

Die 40 Imame der ATIB, die abgeschoben werden sollten, seien „mit Abstand" die am besten ausgebildeten Imame in der Republik Türkei unter den muslimischen Ländern. Kurz, diese Imame sind die besten unter den schlechtesten“, so die Aussendung der TKG.

Diese Imame ohne Alternativen abzuschieben mache den radikalen Imamen, die unter dem Vorwand der Religionsfreiheit demokratiefeindliche Ansichten verbreiten, mehr Platz für Ihre politischen Aktivitäten. „Die Brandstifter können nicht als Brandlöscher als Partner genommen werden“, warnte der Verein.

Schmidinger: Vorgangsweise populistisch

Der Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger hält die Vorgangsweise der Bundesregierung und beim Schließen der Moscheen für populistisch, wie die APA am Freitag berichtete. Dass die Bekanntgabe ausgerechnet zum Zeitpunkt der Türkei-Auslandswahl erfolgt, spiele Präsident Recep Tayyip Erdogan in die Hände, erklärte Schmidinger am Freitag im Gespräch mit der APA. Gegnern des Regimes in der Türkei sei damit nicht geholfen.

Politologe Thomas Schmidinger

ORF

Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger: „Bin nicht sonderlich überrascht.“

Schmidinger erklärte, er sei kein besonderer Freund des Islamgesetzes und von Verboten. Wenn man aber Gesetze beschließt und diese ernst nimmt, müssen sie auch eingehalten werden. „Ich bin nicht sonderlich überrascht, dass das Gesetz was die Auslandsfinanzierung betrifft, nicht eingehalten wird. Ich verstehe es, dass man dann durchgreift.“

Positive Veränderung „fraglich“

Es sei aber fraglich, ob das irgendetwas zum Positiven verändert. Viel eher werde sich dadurch die ATIB noch mehr an den Rand gedrängt fühlen und versuchen, die Imame mit legalen Umgehungsstrukturen zu finanzieren. Schmidinger glaubt nicht, dass die ATIB nun weniger von der Türkei gesteuert werde. Die Finanzierung aus dem Ausland laufe über eine Gehaltsüberweisung des Amts für religiöse Angelegenheiten (Diyanet), von dort gebe es regelmäßige Überweisungen, war aus dem Kultusamt zu erfahren.

„Graue Wölfe gefährlich“

Zur Schließung des Moscheevereins Nizam-i Alem in Wien-Favoriten erklärte Schmidinger, dass diese von einer „definitiv rechtsextremen Partei“ betrieben werde, die sich von den „Grauen Wölfen“ abgespalten habe, da ihnen diese „zu gemäßigt“ seien: „Das ist eine gefährliche Bewegung.“ Der Politikwissenschaftler ist aber skeptisch, inwiefern eine Verbotspolitik die Haltung der Betroffenen ändern kann.

Österreich habe „aus gutem Grund einen Gesinnungsparagrafen“ betreffend Nationalsozialismus. Was andere Formen von Rechtsextremismus und autoritäre Einstellungen betrifft, hält er es für sinnvoller, diesen anders zu begegnen als mit einem Verbot. Denn damit würde diese Gruppierungen eher in den Untergrund gedrängt, vermutet Schmidinger.

Zeitpunkt unglücklich gewählt

Sinnvoller wäre aus seiner Sicht, dem türkischen Rechtsextremismus im Bereich der Bildung gegenzusteuern. Schmidinger fürchtet, dass die Aktion im Kontext mit den türkischen Wahlen „Wasser auf den Mühlen der Rechten ist“.

In der Türkei werde man wohl sagen: „Die bösen Türkeihasser verbieten jetzt schon Moscheen in Europa.“ Daher sei der Zeitpunkt besonders unglücklich gewählt. Der Politikwissenschaftler geht eher davon aus, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit dem Zeitpunkt ein „populistisches Signal“ an die Österreicher senden möchte.

religion.ORF.at/APA

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