Mehr als „Pillenverbot“? Was in „Humanae vitae“ steht

Papst Paul VI. ging in die Geschichte ein als der „Pillenpapst“. Verantwortlich dafür ist seine vor 50 Jahren erschienene Enzyklika „Humanae vitae“, in der er sich gegen die Anti-Baby-Pille wandte. Doch was steht eigentlich noch in dem umstrittenen Lehrschreiben?

„Jene überaus schwerwiegende Verpflichtung, das menschliche Leben weiterzugeben, durch die die Eheleute die freien und verantwortlichen Mitarbeiter des Schöpfergottes sind, ist für sie immer eine Quelle großer Freude gewesen, wenn diese auch bisweilen mit nicht geringen Schwierigkeiten und Nöten verbunden war.“ Mit diesem Satz beginnt eine der umstrittensten päpstlichen Lehrschreiben, die am 25. Juli 1968 erschienene Enzyklika „Humanae vitae“ Pauls VI.

Fragen zu Sexualität und Elternschaft

Anlass für den Papst, sich zu grundlegenden Fragen der Sexualität und der verantworteten Elternschaft zu äußern, seien die „jüngste Entwicklung“ und dadurch aufgeworfene Fragen, die menschliches Leben und Glück zutiefst berühren, gewesen, schrieb Paul VI. weiter.

Damit sprach er indirekt die Anti-Baby-Pille an, die in den Jahren davor in den westlichen und östlichen Industrienationen das am häufigsten verwendete Mittel zur Verhütung einer Schwangerschaft geworden war.

Während Sex verhüten „verwerflich“

Für Aufregung und Kritik sorgte die Aussage Pauls VI., dass künstliche Empfängnisverhütung dem Sittengesetz widerspräche und „immer unerlaubt“ sei, Eheleute müssten sich zur Verhütung während der fruchtbaren Phase des Zyklus enthalten.

Jede Handlung sei „verwerflich, die entweder in Voraussicht oder während des Vollzugs des ehelichen Aktes oder im Anschluss an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel.“

Papst Paul VI. spendet am 11. August 1968 den Segen vom Balkon seiner Sommerresidenz Castelgandolfo

APA/dpa

Papst Paul VI. ging in die Geschichte ein als „Pillenpapst“

Zeitwahlmethode „rechtmäßige“ Verhütung

Die künstliche Empfängnisverhütung lehnte der Papst also anders als die Zeitwahlmethode, bei der Paare nur in den unfruchtbaren Tagen Sex haben, um eine Befruchtung zu vermeiden, ab. Bei vorauszusehenden Zeiten der Unfruchtbarkeit sei der eheliche Akt sittlich erlaubt, da erfahrungsgemäß nicht aus jedem ehelichen Verkehr neues Leben hervorgehe, so Paul VI.

Begründet wird der Unterschied zwischen der Zeitwahlmethode und dem Gebrauch von Empfängnisverhütungsmitteln folgendermaßen: „Bei der ersten machen die Eheleute von einer naturgegebenen Möglichkeit rechtmäßig Gebrauch; bei der anderen dagegen hindern sie den Zeugungsvorgang bei seinem natürlichen Ablauf.“ Und so heißt es in der Enzyklika weiter: „Jeglicher Abbruch einer begonnenen Zeugung, vor allem die direkte Abtreibung“, ist verwerflich, ebenso die dauerhafte oder zeitweilige Sterilisation.

Untreue als Folge

Auch staatliche Behörden dürften sich nicht über sittliche Grundsätze hinwegsetzen und müssten „für die Verfügungsmacht des Menschen über den eigenen Körper und seine natürlichen Funktionen unüberschreitbare Grenzen anerkennen.“

In dem päpstlichen Lehrschreiben warnte Paul VI. auch vor problematischen Folgen von künstlicher Geburtenregelung: So befürchtete er, vermehrte eheliche Untreue sowie Aufweichung der sittlichen Zucht - insbesondere auch bei Jugendlichen. Zudem warnte er vor dem Verlust an Achtung gegenüber der Frau, die von Männern „zum bloßen Werkzeug ihrer Triebbefriedigung“ erniedrigt werden könnten.

Liebe und Fortpflanzung

Weniger kritisch beäugt, sondern geschätzt werden von Katholiken die im Lehrschreiben geäußerten Gedanken zu Liebe und Verantwortung im Eheleben. Eheleute wirkten mit Gott zusammen bei der Weckung und Erziehung neuen menschlichen Lebens. Die Ehe verwirkliche in den Menschen Gottes Liebesplan. In der Ehe werde die Verbundenheit Christi mit seiner Kirche zum Ausdruck gebracht. Sie ist „treu und ausschließlich“ bis ans Lebensende, heißt es in „Humanae vitae“.

Die Ehe beruhe auf der „Ganzhingabe“, in ihr seien eine sinnliche und eine geistige Dimension untrennbar miteinander verbunden. Ihrem Wesen nach sei die eheliche Liebe auf die Weitergabe und den Erhalt menschlichen Lebens ausgerichtet, schrieb Papst Paul VI. 1968. Im ehelichen Akt seien zwei zeichenhafte Sinngehalte fest miteinander verknüpft: liebende Vereinigung (significatio unitatis) und Fortpflanzung (significatio procreationis). Diese zu trennen widerspräche der Natur des Menschen und der Bedeutung der ehelichen Liebe.

Verantwortung zu Kinderreichtum oder Verzicht

In der Enzyklika spricht der Papst von „verantwortlicher Elternschaft“, die bedeute entweder, sich wohlüberlegt und hochherzig zu einem größeren Kinderreichtum zu entschließen, oder „bei ernsten Gründen und unter Beobachtung des Sittengesetzes“ zeitweise oder dauerhaft auf weitere Kinder zu verzichten.

Im abschließenden pastoralen Abschnitt räumte der Papst ein, dass die Annahme dieser Lehre anspruchsvoll und für die Gläubigen schwer sein könne. Er appellierte aber nicht nur an die Selbstbeherrschung der Eheleute, sondern auch an die Gesellschaft, die nötigen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Daher wurden auch Priester und Bischöfe angehalten, die auf dem Naturgesetz basierende kirchliche Ehelehre unverfälscht darzustellen.

akin, religion.ORF.at/KAP

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