Russisch-orthodoxe Kirche bricht mit Konstantinopel
Das Leitungsgremium der russischen Kirche, der Heilige Synod, unter Vorsitz von Patriarch Kyrill I., entschied am Freitag in Moskau, dass russisch-orthodoxe Geistliche vorerst keine gemeinsamen Gottesdienste mehr mit Priestern des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel feiern sollten.
Bartholomaios I. wird ausgeschlossen
Künftig würden in den Messen die Oberhäupter aller anderen orthodoxen Landeskirchen mit Ausnahme des Ehrenoberhauptes der Weltorthodoxie, des Ökumenischen Patriarchs Bartholomaios I., genannt.
Ebenso werde sich die russisch-orthodoxe Kirche aus allen orthodoxen Bischofskonferenzen, theologischen Dialogen, multilateralen Kommissionen usw. zurückziehen, „wo Repräsentanten des Patriarchats von Konstantinopel als Vorsitzende oder Ko-Vorsitzende fungieren“. Dies bedeutet u.a., dass das Patriarchat von Moskau auch seine Mitarbeit in der Internationalen Kommission für den offiziellen theologischen Dialog zwischen orthodoxer und katholischer Kirche einstellen wird.
Reuters/Pool/Alexander Zemlianichenko
Tür zum Dialog „nicht völlig verschlossen“
Der Außenamtschef der russisch-orthdoxen Kirche, Metropolit Hilarion, sagte nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen, diese Entscheidungen entsprächen „ungefähr dem Abbruch diplomatischer Beziehungen“ zwischen Staaten.
Hilarion erklärte gegenüber Journalisten in Moskau zudem, dass es noch keinen vollständigen Bruch mit dem Patriarchat von Konstantinopel gebe. Die „Tür zum Dialog ist nicht völlig verschlossen“, so Hilarion wörtlich laut einer Aussendung der Stiftung Pro Oriente am Samstag. Die gesamte Verantwortung für die tragischen Konsequenzen dieser Spaltung liege beim Phanar (Bezeichnung für die Leitung des Patriarchats, der Begriff rührt vom Stadtviertel Fener her, in dem der Patriarch von Konstantinopel seinen Sitz hat, Anm.) persönlich und bei den Hierarchen, die ihn unterstützen.
Reuters/Maxim Shemetov
Kirchenstreit über Hoheit in Ukraine
Die Entscheidung des Moskauer Heiligen Synods sei ein Signal an Konstantinopel, dass es zum Abbruch der eucharistischen Gemeinschaft kommen müsse, wenn der Patriarch von Konstantinopel weiterhin Aktionen wie die Ernennung der Exarchen (Bischöfe in der Diaspora) setze. Das Moskauer Patriarchat betrachtet die Ukraine als ihr kanonisches Territorium und spricht Konstantinopel das Recht ab, Bischöfe für das osteuropäische Land zu ernennen.
Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel hatte vor einer Woche zwei Bischöfe zu Exarchen für die Ukraine ernannt und sie beauftragt, in dem Land die Bildung einer eigenständigen (autokephalen) und damit von Moskau unabhängigen Kirche mit eigenem Oberhaupt vorzubereiten. Die russisch-orthodoxe Kirche will ihre Oberhoheit über die orthodoxe Kirche in der Ukraine behalten.
APA/AFP/Jean-Philippe Ksiazek
Schwerwiegende Konsequenzen angedroht
Auf die Frage, ob er fürchte, dass nach einer möglichen Autokephalie-Erklärung „für die Ukraine“ die großen orthodoxen Heiligtümer wie das Kiewer Höhlenkloster oder das Kloster von Potschajew der Kirche des Moskauer Patriarchats entzogen werden könnten, meinte der Metropolit, das sei nicht auszuschließen. Auch bisher seien der ukrainisch-orthodoxen Kirche Gotteshäuser weggenommen worden, 50 Kirchen hätten sich die „Schismatiker“ angeeignet. Mit „Schismatiker“ meinte Hilarion das Kiewer Patriarchat, das sich von der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats abgespalten hat.
Wenn das Autokephalie-Projekt weitergehe, müsse man mit schwerwiegenden Konsequenzen für die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats rechnen, so Hilarion. Kirchensprecher Alexander Wolkow sagte der Nachrichtenagentur Interfax, man habe mit den Beschlüssen die Ampel in den Beziehungen zu Konstantinopel auf Gelb gestellt. Sie könne als nächstes entweder Rot zeigen und so jede Bewegung stoppen oder grünes Licht für die Wiederaufnahme des Dialogs geben.
religion.ORF.at/KAP/KNA
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