D: Evangelische kündigen Missbrauchsstudien an

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will mit zwei Studien das Dunkelfeld und die Risikofaktoren des sexuellen Missbrauchs in den eigenen Reihen untersuchen lassen.

Das kündigte die Präses der EKD-Synode, die frühere Politikerin Irmgard Schwaetzer, am Sonntag in Würzburg an. Dabei wolle man mit den einschlägigen Stellen beim Bund zusammenarbeiten. „Wir arbeiten klar auf der Linie, die die Unabhängige Kommission von der EKD gefordert hat“, sagte Schwaetzer zum Auftakt der Synode der EKD. Weitere Details sollen am Dienstag bekannt gegeben werden, wenn die Synode über Missbrauch berät.

Wegen ihres Umgangs mit dem Thema sexueller Missbrauch sieht sich die Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) scharfer Angriffe aus den eigenen Reihen ausgesetzt - mehr dazu in D: Evangelische Kirche kämpft mit interner Kritik.

Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Irmgard Schwaetzer

APA/dpa/Henning Kaiser

Die Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Irmgard Schwaetzer, kündigte zwei Studien zum Thema Missbrauch an

Im Sommer hatten Missbrauchsopfer beider großen christlichen Kirchen aufgefordert, Fälle in ihren Institutionen aufzuarbeiten. 904 Betroffene sprachen mit der Kommission über den Missbrauch in ihrer Kindheit und Jugend. Rund 65 der geschilderten Fälle betrafen die Kirchen, zu zwei Dritteln die katholische, zu einem Drittel die evangelische. Oft hätten die Betroffenen erlebt, dass Zuständige nicht ernsthaft an umfassender Aufklärung interessiert waren.

Studie wie katholische Kirche

Der sexuelle Missbrauch und vor allem, dass er verschwiegen und vertuscht worden sei, habe die moralische Integrität auch der evangelischen Kirche schwer beschädigt. „Nur durch eine Anerkennung der Schuld und die klare Übernahme der Verantwortung und eine konsequente Aufarbeitung kann sie Vertrauen zurückgewinnen“, erklärte die Kommission. Die EKD müsse ähnlich wie die katholische Deutsche Bischofskonferenz eine unabhängige Studie in Auftrag geben. Täter müssten angezeigt und auch abgeschlossene Disziplinarverfahren überprüft werden.

Eine über mehrere Jahre entstandene Studie zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Deutschland hatte Ende September die Deutsche Bischofskonferenz präsentiert. Die Studienmacher stellten unter anderem fest, dass auch nach dem Bekanntwerden des Skandals vor acht Jahren die Kirche keine ausreichenden Schritte unternahm, um Missbrauch in Zukunft zu verhindern. Sie forderten grundlegende Strukturveränderungen.

"Vorsitzender: „Geht nicht schnell genug“

Der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, bekannte vor Journalisten, dass ihm die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im deutschen Protestantismus „nicht schnell genug“ gehe. „Wir werden nie glaubwürdig sein, dass wir zu 100 Prozent alles richtig machen“, sagte er. Aber die Kirche müsse sich stets daran messen lassen, was sie selbst rede und verkündige.

Der Bischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm predigt auf der Kanzel

APA/AFP/Ferdinand Ostrop

Dem Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm geht der Prozess zu langsam

Die Synode war am Sonntag mit einem Gottesdienst in der Würzburger Kirche Sankt-Stephan eröffnet worden. Sie hat das Schwerpunktthema „Ermutigung und Zugehörigkeit - der Glaube junger Menschen“.

Widerspruch zu Jesus Christus

Bedford-Strohm bat die Opfer sexueller Gewalt im Raum der Kirche um Vergebung. Beim Missbrauch im Raum der Kirche gehe es nicht allein um die Zahl der Fälle im Vergleich zu anderen Organisationen. „Wir sind - ganz gleich ob evangelisch oder katholisch oder orthodox oder freikirchlich - als Kirche eine Institution, die sich auf Jesus Christus bezieht, denjenigen, der für radikale Liebe steht“, sagte er.

Wenn im Rahmen dieser Institution Handlungen passierten, die das Leben von Menschen zerstörten, „dann wird mit Füßen getreten, wofür wir stehen. Einen tieferen Widerspruch kann ich mir kaum vorstellen“, fügte er hinzu.

Katholischer Bischof betroffen

Der Würzburger katholische Bischof Franz Jung äußerte in seinem Grußwort „Betroffenheit und Scham“ angesichts des sexuellen Missbrauchs „im innersten Bereich der katholischen Kirche“. Das gelte auch für die Tatsache, dass dies über viele Jahre in hohem Maße bagatellisiert und vertuscht wurde. Die katholische Kirche und zuerst die Bischöfe müssten sich dieser Realität stellen und alles tun, „damit den Betroffenen Gerechtigkeit widerfährt und alles geschieht, um in Zukunft Machtmissbrauch gegenüber Schutzbefohlenen zu verhindern“.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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