Bischof: Machtmissbrauch ist „Knackpunkt“ im System

Der deutsche Bischof Stephan Ackermann sieht „Machtmissbrauch“ als wesentlichen Grund für sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche an. Erzbischof Charles Scicluna will die „Kultur des Schweigens brechen“.

Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz äußerte sich am Dienstagabend bei einem Podiumsgespräch in Frankfurt. Dies sei aus seiner Sicht „der Knackpunkt“, wenn man nach „systemischen Ursachen“ frage, sagte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz am Dienstagabend bei einem Podiumsgespräch in Frankfurt. Bislang gebe es im System der katholischen Kirche „keine wirkliche Gewaltenteilung“, sagte Ackermann und forderte: „Macht muss kontrolliert und geteilt werden.“

Man dürfe auch nicht die Macht, die im Priesteramt verdichtet sei, „spirituell wegreden“, indem man zum Beispiel nur von „priesterlichem Dienst“ spreche, fügte der Bischof von Trier hinzu. Allerdings sei er „skeptisch“, ob beim bevorstehenden Antimissbrauchsgipfel in Rom die „systemischen Fragen“ schon in der Tiefe besprochen würden.

Bischof Stephan Ackermann

dapd/Harald Tittel

Bischof Stephan Ackermann

Bischöfe unter Druck

Es sei auch zu spüren, dass in der katholischen Kirche in Deutschland „die Nervosität steigt“. Die Bischöfe spürten den hohen „Druck“ und eine „Aggression“, die beim Thema Missbrauch gegenüber der Kirche herrsche. Nur so sei es auch zu erklären, dass sich zuletzt Bischöfe in der Öffentlichkeit mit sehr unterschiedlichen Ideen und Lösungsansätzen zu Wort gemeldet hätten. Das sei „ein bisschen wie ein Hühnerhof“, kritisierte Ackermann. Andererseits wäre es auch nicht richtig, wenn die Bischöfe hier eine „Schein-Einmütigkeit“ vorgäben.

Scheinbar plakative Lösungen seien aber oft zu kurz gegriffen, betonte Ackermann bei der von der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) organisierten Veranstaltung in der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen. „Man kann etwa nicht sagen: Gebt den Zölibat frei, dann ist die Missbrauchsproblematik gelöst“, so Ackermann. Man dürfe sich nicht nur auf die „systemisch-politischen Fragen“ konzentrieren. Der konkrete Schutz von Kindern und die Aufklärung von Missbrauchsverbrechen dürften auch künftig „kein Nebengeschäft“ für die Kirche sein, so Ackermann.

Scicluna: „Kultur des Schweigens brechen“

Erzbischof Charles Scicluna, einer der Organisatoren des am Donnerstag beginnenden Antimissbrauchsgipfels im Vatikan, erwartet konkrete Ergebnisse von dem viertägigen Treffen. Er blicke gespannt auch auf die Schlussansprache des Papstes am Sonntag, sagte Scicluna dem Portal „Vatican News“. Es gehe aber nicht nur darum, dem Papst zuzuhören. Auch die anderen Konferenzteilnehmer müssten gehört werden.

Um Missbrauch in der Kirche besser vorzubeugen, müsse eine verbreitete „Kultur des Schweigens“ gebrochen werden, forderte Scicluna. Er sprach dabei auch von der „Omerta“, der Verschwiegenheitspflicht der Mafia. Zudem müsse der Einfluss der normalen Gläubigen gestärkt werden. Für das Volk Gottes müsse es eine Art „Empowerment“ geben: die Stärkung „von Wissen, Weisheit, Klugheit und Handlungswillen“ bei einfachen Christen. Dann könne die Kirche tatsächlich zu einer sicheren Heimat für Schutzbedürftige werden.

Der Papst-Gesandte Charles Scicluna in Chile

APA/AP/Esteban Felix

Erzbischof Charles Scicluna

Scicluna ist Erzbischof von Malta und zugleich bei der Römischen Glaubenskongregation für die Aufklärung von Missbrauchsfällen zuständig. Der 59-Jährige gilt als Chefaufklärer des Papstes in Sachen Missbrauch.

Offener Brief: „Homosexuelle Agenda“

Derweil ist im Internet ein Offener Brief veröffentlicht worden, der sich gegen die auch von Papst Franziskus vertretene These wendet, Klerikalismus sei die Hauptursache sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche. „Aber die wahre Ursache dafür ist nicht Machtmissbrauch durch Priester, sondern Abkehr von der Wahrheit des Evangeliums“, heißt es in dem am Dienstagabend auf mehreren Internetseiten veröffentlichten Schreiben. Als Verfasser angegeben sind die beiden rechtskonservativen Kardinäle Raymond Leo Burke (70) und der emeritierte deutsche Kurienkardinal Walter Brandmüller (90).

Widerspruch gegen das „natürliche und göttliche Sittengesetz“ sei „in Wahrheit die Wurzel jenes Übels, das gewisse Kreise der Kirche korrumpiert“, heißt es. In dem an die Leiter der Bischofskonferenzen weltweit gerichteten Brief wird gefordert, angesichts der Krise nicht nur Kindesmissbrauch als Ursache auszumachen, sondern auch die „Plage homosexueller Agenda", das umfassendere Übel homosexueller Netzwerke“.

Kritik an Papst

Burke und Brandmüller gehören zu den vier Kardinälen, die im Sommer 2016 kritische Anfragen („Dubia“) an Papst Franziskus zu dessen Schreiben „Amoris laetitia“ über Ehe und Familie richteten. Im nun veröffentlichten Schreiben wird darauf hingewiesen, dass der Papst darauf bisher nicht geantwortet habe. Dies wird als „Ausdruck einer allgemeinen Krise des Glaubens“ gedeutet. Die Teilnehmer des Antimissbrauchsgipfels werden in dem Offenen Brief aufgefordert, die „unverkürzte Lehre der Kirche“ zu bezeugen.

religion.ORF.at/KAP/KNA

Mehr dazu:

Link: