Kaiser Maximilian und sein PR-Heiliger

Im Maximilian-Jahr mangelt es nicht an Ausstellungen. Der Habsburger starb vor 500 Jahren, doch sein Nachruhm scheint ungebrochen. Dass das kein Zufall ist, sondern auf gründlicher PR-Arbeit fußt, zeigt die neue Jahresausstellung im Stift Klosterneuburg eindrucksvoll.

Das Hauptaugenmerk der Schau „Des Kaisers neuer Heiliger. Maximilian I. und Markgraf Leopold III. in Zeiten des Medienwandels“ liegt auf der Heiligsprechung Leopolds, „der ersten in Österreich, die juristischen Regeln folgte“, erklärte Kurator und Stiftsbibliothekar Martin Haltrich bei einer Presseführung im Stift. Wie Maximilian (1459-1519) den Heiligen für seine Zwecke einsetzte und warum, aber auch die Geschichte des Babenbergers und seiner Bedeutung für Stift und Stadt Klosterneuburg stehen ganz am Anfang der Ausstellung.

Ausschnitt aus dem Babenberger-Stammbaum: Markgraf Leopold III.

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Markgraf Leopold III.

Im Stiftsmuseum wird die Gründung des Stifts Anfang des 12. Jahrhunderts durch Markgraf Leopold (1073-1136) und seine Frau Agnes von Waiblingen (1072-1143) geschildert - samt der bekannten „Schleierlegende“. Die Legende, wonach der fromme Markgraf den weggewehten Schleier seiner aus kaiserlichem Geblüt stammenden Frau nach Jahren bei der Jagd wiederfand und dortselbst das Stift gründete, kann man in der Ausstellung auf einem interaktiven Screen „neu basteln“. Das macht die Konstruiertheit von Legenden auf unterhaltsame Weise deutlich. Beeindruckend ist die Fülle an mittelalterlichen Schriften, Rechnungsbüchern und Urkunden aus eigenen Beständen des Stifts.

Millionen für eine Heiligsprechung

Schon vor Maximilian gab es Bestrebungen, den Markgrafen Leopold III. heiligsprechen zu lassen: Über 130 Jahre hinweg habe es mehrere Versuche gegeben, ein umgerechnet zweistelliger Millionenbetrag sei dafür aufgewendet worden, rechnete Kurator Haltrich vor. Noch hatte im ausgehenden Mittelalter und der beginnenden Neuzeit die Reformation nicht die ganze Welt des Christentums auf den Kopf gestellt, noch bedeutete es Prestige, einen bedeutenden Heiligen zu „besitzen“.

Porträt von Kaiser Maximilian I., Bernhard Strigel, um 1500, KHM Wien

picturedesk.com/Imagno/Bernhard Strigel

Porträt von Kaiser Maximilian I., Bernhard Strigel, um 1500, KHM Wien

Maximilian wollte seine Nachfolge als Herrscher legitimieren und nutzte dazu das mächtige Narrativ um Leopold, das er in Klosterneuburg vorfand. Er kannte den Wert guter Inszenierung und sorgte dafür, dass die für die Kanonisation nötige Translatio (Überführung) der Gebeine Leopolds jahrelang aufgeschoben wurde - bis zu einem Zeitpunkt, an dem Maximilian dabei sein konnte. Ein Holzschnitt zeigt ihn in der Kleidung eines Erzherzogs, die Hände auf den Schrein Leopolds gestützt.

Die von einem jungen, fünfköpfigen Team von Kuratorinnen und Kuratoren gestaltete Ausstellung will aber mehr sein als nur eine historische Einordnung des Geschehens um die Heiligsprechung des Babenberger-Markgrafen. Auf zwei Etagen bedient man sich in Klosterneuburg multimedialer Elemente, die in ihrer Form in mühelos wirkender Weise dem Inhalt entsprechen: Denn Maximilians (Selbst-)Inszenierung durch und rund um „seinen“ Heiligen funktionierte durch dessen perfektes Handling der „neuen Medien“ des 15. Jahrhunderts.

Nachgebaute Druckwerkstatt in der Jahresausstellung 2019 im Stift Klosterneuburg

Stift Klosterneuburg/Thomas Gorisek/Farbpraxis

Nachgebaute Inkunabel-Druckwerkstatt

Hochkarätige PR-Abteilung

Maximilian hatte eine Gruppe hochkarätiger Gelehrter um sich geschart, seine „Kommunikationsabteilung“: Sie bedienten sich des relativ neuen Druckverfahrens mit Inkunabeln (Wiegedruck). Das erlaubte die rasche Weiterverbreitung von Geschichten, Bildern und „Fakten“. Diese „spätmittelalterliche PR-Abteilung“ stellte unter anderem große, multimediale Tafeln (Text und Bild, die zum Teil verschiedene Geschichten erzählten) und Pergamentblätter her, die den Ruhm des Kaisers in die damals bekannte Welt tragen sollten. Sie können in der Ausstellung besichtigt werden, auch das Druckverfahren selbst wird anschaulich gemacht.

Knochen schauen mittels App

Mittels einer App können Besucherinnen und Besucher Instant-Übersetzungen der alten Handschriften machen, und man kann auf diesem Weg auch in den Sarkophag Leopolds „hineinschauen“, um sich die Lage der Knochen darin anzusehen. Per Kopfhörer kann man sich von drei unterschiedlichen „Guides“ die Ausstellung erläutern lassen: vom Kaiser selbst, von einem seiner wichtigsten Gelehrten und auch vom klugen Narren Till Eulenspiegel.

Babenberger-Stammbaum in der Jahresausstellung 2019 im Stift Klosterneuburg

Stift Klosterneuburg/Thomas Gorisek/Farbpraxis

Ein Highlight: Der Babenberger-Stammbaum (1489 bis 1492), der auch interaktiv nutzbar ist

Begleitet wird die Schau von den Kalligrafien der Künstlerin Eva Pöll, die direkt auf die Wand aufgetragen wurden. Das eigentliche Herzstück der Ausstellung ist - sowohl in der Original- als auch in einer interaktiven Form - der prachtvolle Stammbaum der Babenberger. Entstanden 1489 bis 1492, sollte er dem einschüchternden Glanz des burgundischen Fürstenhofs, damals die Avantgarde in Europa, etwas entgegensetzen.

„Message-Control“: Des Kaisers Federstrich

Wie sehr der Kaiser in die Öffentlichkeitsarbeit seiner Gelehrten eingriff, zeigte Kuratorin Sabine Miesgang anhand einer Ausgabe des Epos „Theuerdank“. Hier wird eine fiktive Brautreise geschildert, die Maximilians eigene Fahrt an den Hof von Burgund als Ritterepos spiegelt, wo er - erfolgreich - um die Erbin Maria von Burgund warb.

Ausstellungshinweis

„Des Kaisers neuer Heiliger. Maximilian I. und Markgraf Leopold III. in Zeiten des Medienwandels“, bis 17. November, Stift Klosterneuburg

Auf einer Seite in einer Ausgabe des „Theuerdank“ schlägt eine Anmerkung, nachweislich in des Kaisers Handschrift, vor, die betreffende Textstelle würde doch besser in ein anderes Werk passen. An anderer Stelle sind gleich ganze Passagen einfach durchgestrichen - „nicht gut genug, bitte neu schreiben“ bedeute das, erklärte Miesgang. Ein klarer Fall frühneuzeitlicher „Message-Control“, so die Kuratorin.

Arbeiten an der Unsterblichkeit

Für dieses Buch, das als Prestigegeschenk für andere Fürsten gedacht war, ließ Maximilian sogar eine eigene Schriftart entwerfen. Noch weiter ging der Habsburger bei seinem eigenen Stammbaum: Als sein verdienter Gelehrter Ladislaus Sundthaym die gewünschte Verwandtschaft mit den Burgundern nicht nachweisen konnte, gab der spätere Kaiser kurzerhand woanders eine neue Genealogie in Auftrag - die dann das gewünschte Ergebnis brachte.

Totenbilder Maximilians I. in der Jahresausstellung 2019 im Stift Klosterneuburg

Stift Klosterneuburg/Thomas Gorisek/Farbpraxis

Wohlinszenierter Tod: Totenbilder Maximilians I.

Kurator Haltrich: „Maximilian war sich äußerst bewusst, wie er unsterblich werden konnte.“ Das zog er bis ganz zum Ende durch: Seinen Tod plante Maximilian minutiös - bis hin zum Umgang mit seiner Leiche und seinem beklemmend realistischen Totenbild, das in Klosterneuburg in mehrfacher Ausführung zu sehen ist.

Zahlreiche seiner Projekte dienten seinem Nachruhm, nicht alle wurden verwirklicht. So existiert eine geplante „Ehrenpforte“ für Maximilian heute nur als Holzschnitt - Markgraf Leopold wäre fixer Bestandteil des Monumentalwerks gewesen. Und auch am Grabmal des Kaisers in der Innsbrucker Hofkirche ist einer der „Schwarzen Mander“, der den Sarkophag umringenden Bronzefiguren, Leopold III., der Heilige.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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