Missbrauch: Vatikan sprach Tiroler Priester frei

Ein von der deutschen Ex-Ordensfrau Doris Wagner des sexuellen Übergriffs beschuldigter Tiroler Priester ist vom höchsten Vatikan-Gericht freigesprochen worden.

Es handelt sich um einen Ex-Abteilungsleiter der Glaubenskongregation, dem Wagner, Mitglied des Ordens „Das Werk“, einen kirchenrechtlich strafbaren Übergriff vorgeworfen hatte, berichtet die „Herder Korrespondenz“ laut Kathpress.

Eine Jury aus fünf Richtern am Vatikan-Gericht sah es nun als nicht erwiesen an, dass der österreichische Ordenspriester der Gemeinschaft „Das Werk“, Pater Hermann Geißler, Wagner in einer nach kirchlichem Recht strafbaren Weise bedrängt hatte.

Keine Strafe

Eine „Straftat der Verführung zur Übertretung des Sechsten Gebotes“ seitens Pater Geißler „steht nicht fest“ („non constare“), heißt es in einem auf Latein verfassten Bescheid des Gerichts vom 15. Mai 2019, aus dem die „Herder Korrespondenz“ zitierte. Eine Strafe komme daher nicht infrage. Unterzeichnet ist der Bescheid vom Präfekten der Signatur, Kardinal Dominique Mamberti, sowie vom Sekretär, Bischof Giuseppe Sciacca.

In Interviews und einem Buch hatte Doris Wagner angegeben, Pater Geißler habe sie als ihr Beichtvater im November 2009 während der Beichte angefasst und ihr sexuelle Avancen gemacht. In späteren Interviews ergänzte Wagner, Geißler habe sie in der betreffenden Situation auch festgehalten und sie zu küssen versucht. Sie sei in Panik geraten und fortgerannt. Im Jänner 2019 kündigte der Vatikan eine Untersuchung des Vorfalls an. Geißler trat als Abteilungsleiter der Glaubenskongregation zurück.

Doris Wagner und eine andere Aktivistin von "Voices of Faith"

APA/AP/Alessandra Tarantino

Die ehemalige Ordensfrau Doris Wagner (re.) beschuldigt den Tiroler Pater des Missbrauchs.

Gegenüber der „Herder Korrespondenz“ äußerte sich Geißler nun erstmals öffentlich zu dem Vorgang. Er stellt die Abläufe anders dar. „Nach der fraglichen Beichte im November 2009 ist es zu einem vertraulichen Gespräch mit Frau Wagner gekommen, bei dem ich in emphatischer und mitfühlender Weise, jedoch immer in der Sie-Form meine Wertschätzung für sie zum Ausdruck gebracht habe“, so Geißler.

„Verbundenheit übernatürlich“

„Gleichzeitig habe ich bekräftigt, dass die gegenseitige Verbundenheit übernatürlich sein muss.“ Beim Hinausgehen, so Geißler weiter, „habe ich ihr - nicht mehr im Beichtzimmer, sondern im Vorzimmer - die Hand gegeben und mit meiner rechten Wange ihre rechte Wange berührt, als Geste der Zuneigung und der brüderlichen Verbundenheit“.

Wie die „Herder Korrespondenz“ weiter berichtet, hatte der Heilige Stuhl nach den Hinweisen von Doris Wagner auf autoritäre Strukturen des „Werks“ bereits 2013/2014 eine Apostolische Visitation bei der geistlichen Gemeinschaft durchgeführt. Dabei sei Handlungsbedarf festgestellt worden.

Im italienischen Abschlussdekret der Kongregation vom Oktober 2016, heiße es, der „Schutz der Gewissensfreiheit, insbesondere in der Phase der Ausbildung“, genüge im „Werk“ „offenbar nicht den Statuten des Kirchenrechts“. In der für das „Werk“ charakteristischen Praxis des engen Zusammenlebens von Männer- und Frauengemeinschaften habe sich außerdem die Notwendigkeit gezeigt, „die ‚living conditions‘ besser und angemessener zu regeln“. Als Konsequenz wurde unter anderem die Einführung eines „Generalkapitels“ verlangt, das erstmals 2019 unter dem Franziskanerpater Johannes Freyer stattfinden soll.

religion.ORF.at/APA

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