„Päpstliches Geheimnis“: Bischöfe nun in der Pflicht

Nach der Aufhebung strenger Verschwiegenheitsauflagen bei Missbrauchsverfahren in der katholischen Kirche sieht der Experte Charles Scicluna die Bischöfe in der Pflicht.

In der Vergangenheit sei er bei Ermittlungen mitunter auf Mauern des Schweigens gestoßen, sagte der frühere Chef-Strafverfolger für Missbrauchsdelikte und heutige Erzbischof von Malta der italienischen Tageszeitung „La Stampa“ (Donnerstag-Ausgabe).

Jetzt gebe es für Bischöfe keine amtlichen oder rechtlichen Hinderungsgründe mehr für Transparenz gegenüber den Opfern und uneingeschränkte Zusammenarbeit mit der weltlichen Justiz.

Kultur des Schweigens „größter Skandal“

Der „größte Skandal“ sei eine Kultur des Schweigens angesichts von Missbrauchsvergehen, so Scicluna, der auch beigeordneter Sekretär der Glaubenskongregation ist, wo kirchliche Missbrauchsverfahren angesiedelt sind. Die neuen Regelungen durch Papst Franziskus zielten auf mehr Transparenz. Sie müssten jetzt auch angewandt werden, forderte der Erzbischof.

Zum ersten Mal seit Jahrhunderten sei das „päpstliche Geheimnis“ aufgrund eines allgemeinen Interesses außer Kraft gesetzt worden. Der Schutz der Unversehrtheit von Kindern und Jugendlichen werde als der höhere Wert eingestuft, sagte Scicluna.

Charles Scicluna, Erzbischof von Malta und frühere vatikanische Chef-Strafverfolger für Missbrauchsdelikte

APA/AFP/Janek Skarzynski

Charles Scicluna, Erzbischof von Malta

Bereits „moralische Pflicht“ zu Kooperation

Die Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht ermögliche unter anderem Opfern, das Urteil über ihre Täter in einem kirchengerichtlichen Prozess zu erfahren. Schon von einer früheren Verfügung des Papstes her gebe es für Bischöfe auch die „moralische Pflicht“, mit den zuständigen Stellen der staatlichen Justiz zu kooperieren.

Ein von Papst Franziskus verfügtes Gesetz schaffte am Dienstag die bisher geltende strengste Verschwiegenheitspflicht bei kirchlichen Strafrechtsverfahren wegen Sexualdelikten ab. Scicluna, von 2002 bis 2012 an der römischen Glaubenskongregation für die Verfolgung von Missbrauchsdelikten zuständig, wurde Anfang 2018 im Missbrauchsskandal in Chile vom Papst als Sonderermittler beauftragt; im November 2018 ernannte Franziskus ihn zum beigeordneten Sekretär der Glaubenskongregation.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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