Papst Paul VI

ORF

Live: Seligsprechung von Paul VI.

Der ORF übernahm live, als Papst Franziskus in der feierlichen Abschlussmesse zur Familienseelsorge-Synode einen weiteren seiner Vorgänger selig sprach. Durch das Hochamt führten Christoph Riedl-Daser und der Benediktiner Karl Schauer.

Der Konzilspapst, wie er gern genannt wird, war von 1963 bis 1978 Oberhaupt der Katholischen Kirche. Paul VI. war über weite Strecken hauptverantwortlich für den Verlauf des Zweiten Vatikanischen Konzils und prägte es durch sein promptes Umsetzen bahnbrechender Entscheidungen.

Stiller Reformer

Er kam 1897 als Giovanni Battista Montini in der Nähe von Brescia zur Welt. 1920 empfing er seine Priesterweihe und studierte danach in Rom ziviles und kanonisches Recht sowie Philosophie. Der junge Priester wurde Nuntiatur-Attaché in Warschau, war anschließend im Staatssekretariat des Vatikans tätig und wurde dort enger Mitarbeiter von Staatssekretär Pacelli, dem späteren Pius XII. Nebenamtlich war er Generalassistent des katholischen Studentenverbandes Italiens und hatte in dieser Funktion Auseinandersetzungen mit dem faschistischen Regime.

Als Montini 1954 in das Amt des Erzbischofs nach Mailand berufen wurde, begann er sich dort hingebungsvoll der Großstadtseelsorge zu widmen. Sein Hauptaugenmerk galt den Arbeiterinnen und Arbeitern, aber auch dem Bau neuer Gotteshäuser. Dafür investierte er sein gesamtes Privatvermögen. Wenige Jahre darauf wurde Montini Kardinal und mit der Titelkirche Santi Silvestro e Martino ai Monti in das Kardinalskollegium aufgenommen. Als Johannes XXIII. das Zweite Vatikanum einberief, war Montini Mitglied der Kommission für außerordentliche Aufgaben, hielt sich aber im Bewusstsein der Risiken eines Konzils auffallend zurück und sprach nur zweimal zu den versammelten Bischöfen. Hinter den Kulissen entfaltete er jedoch rege Überzeugungstätigkeit, was die programmatische Gestaltung des Konzils anging.

Wegen seiner Nähe zum linken Flügel der Democrazia Cristiana galt Montini als sozial-liberal und hatte heftige Gegner in der römischen Kurie und darüber hinaus. So unterstützte er die damals als innovativ angesehene Laienorganisation Opus Dei.

Nach dem Tod Johannes’ XXIII. 1963 wurde Montini zum Papst gewählt und nahm den Papstnamen Paul VI. an. Er hatte weder die Volkstümlichkeit seines Vorgängers noch das Charisma seiner Nachfolger. Geschwächt durch Alter und Krankheit bot er besonders in der Spätphase seines Pontifikats immer mehr ein Bild der Hilflosigkeit. In der Rückschau zeichnet sich aber mehr und mehr ab, dass er durch seinen Verzicht auf die davor üblichen Statussymbole Baldachin, Pfauenwedel, Thronassistenten und eine Nobelgarde zu den modernsten Päpsten des 20. Jahrhunderts zählt.

Ohne viel Aufhebens verfügte er viele Reformen wie etwa die Abschaffung der über 400 Jahre währenden Institution des Index verbotener Literatur. Ein anderer Verdienst ist seine Liturgiereform, obzwar liberale Theologen bemängeln, dass Paul VI. einer durchgreifenden Demokratisierung der Kirche energischen Widerstand entgegensetzte. Ferner reformierte er das Heilige Offizium, machte daraus die Kongregation für die Glaubenslehre und leistete einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der katholischen Soziallehre.

Umstritten bis heute seine Enzyklika „Humanae vitae“ wenige Jahre, nachdem die Antibabypille auf den Markt kam. Paul VI. billigte zwar die Eigenverantwortung der Eltern, verurteilte aber weiterhin künstliche Methoden der Empfängnisverhütung, was ihm den spöttischen Beinamen „Pillen-Paul“ eintrug.

Mit Paul VI. begann die Reisetätigkeit von Päpsten. In Jerusalem traf er mit Patriarch Athinagoras von Konstantinopel zusammen, was 1965 zur Aufhebung der gegenseitigen Exkommunikationen zwischen den Patriarchaten von Konstantinopel und Rom führte. Mit dieser Reise hatte die katholische Kirche überdies den Staat Israel akzeptiert. In ökumenischer Hinsicht entwickelte Paul VI. neben dem Dialog mit der Orthodoxie auch jenen mit den Altkatholiken weiter. Und in sein Pontifikat fällt auch eine vorsichtige diplomatische Öffnung gegenüber den kommunistischen Staaten. Er forderte Religionsfreiheit im Ostblock und führte am 1. Januar 1968 den Weltfriedenstag ein.

Die Historie urteilte über Paul VI., er sei zu Lebzeiten von vielen verkannt und angefeindet worden, wiewohl er es sich nicht leicht gemacht habe. Im Rückblick wird vielfach anerkannt, dass dieser Papst einige seiner Vorgänger an Reformeifer übertraf und so den Weg für seine Nachfolger bahnte.

Die Zeichen der Zeit durchforschen

Predigt

Wir haben eben einen der berühmtesten Sätze des ganzen Evangeliums gehört: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ Auf die Provokation der Pharisäer, die Jesus sozusagen einer Prüfung in Religion unterziehen und ihn zu einem Fehler verleiten wollten, antwortet er mit diesem ironischen und genialen Satz. Es ist eine einprägsame Antwort, die der Herr allen gibt, die Gewissensprobleme haben, vor allem wenn ihre Vorteile, ihr Reichtum, ihr Ansehen, ihre Macht und ihr Ruf auf dem Spiel stehen.

Die Betonung liegt bei Jesus sicher auf dem zweiten Teil des Satzes: „Und Gott, was Gott gehört!“ Das bedeutet, gegenüber jeder Art von Macht zu erkennen und zu bekennen, dass Gott allein der Herr des Menschen ist und es keinen anderen gibt. Das ist das ewig Neue, das man täglich wiederentdecken muss, indem man die Furcht überwindet, die uns oft angesichts der Überraschungen Gottes überkommt.
Er hat keine Angst vor dem Neuen! Darum überrascht er uns ständig, indem er ungeahnte Wege vor uns auftut und uns zu ihnen hinführt. Er erneuert uns, das heißt, er lässt uns ständig neu werden. Ein Christ, der das Evangelium lebt, ist die Neuheit Gottes in der Kirche und in der Welt. Und Gott liebt diese Neuheit sehr!

Gott geben, was Gott gehört, bedeutet, sich seinem Willen zu öffnen, ihm unser Leben zu widmen und an seinem Reich der Barmherzigkeit, der Liebe und des Friedens mitzuarbeiten. Darin liegt unsere wahre Kraft, das Ferment, das sie treibt, und das Salz, das jedem menschlichen Bemühen gegen den vorherrschenden Pessimismus, den die Welt uns vorlegt, Geschmack verleiht. Darin liegt unsere Hoffnung, denn die Hoffnung auf Gott ist keine Realitätsflucht, sie ist kein Alibi. Sie bedeutet, Gott tatkräftig das zurückzugeben, was ihm gehört. Das ist der Grund, warum der Christ auf die zukünftige Wirklichkeit, auf die Wirklichkeit Gottes schaut, um das Leben in Fülle zu leben – mit beiden Beinen auf der Erde – und mutig den unzähligen neuen Herausforderungen zu begegnen.

Das haben wir in diesen Tagen während der außerordentlichen Bischofssynode gesehen - „Synode“ bedeutet „gemeinsam unterwegs sein“. Und so haben Hirten und Laien aus aller Welt die Stimme ihrer Teilkirchen hier nach Rom gebracht, um den Familien von heute zu helfen, den Weg des Evangeliums zu gehen und dabei auf Jesus zu blicken. Es war eine bedeutende Erfahrung, in der wir die Synodalität und die Kollegialität gelebt und die Kraft des Heiligen Geistes gespürt haben, der die Kirche immer leitet und erneuert – diese Kirche, die berufen ist, sich ohne Zögern der blutenden Wunden anzunehmen und in vielen Menschen ohne Hoffnung die Hoffnung neu zu entfachen. Angesichts des Geschenks dieser Synode und des konstruktiven Geistes, den alle beigetragen haben, sage ich mit dem Apostel Paulus: „Wir danken Gott für euch alle, sooft wir in unseren Gebeten an euch denken.“ Und der Heilige Geist, der uns in diesen arbeitsreichen Tagen die Gabe verliehen hat, großherzig in wahrer Freiheit und demütiger Kreativität tätig zu sein, begleite weiterhin den Weg, der uns in den Kirchen der ganzen Erde auf die Ordentliche Bischofssynode im kommenden Oktober 2015 vorbereitet. Wir haben gesät und werden mit Geduld und Ausdauer weiter säen, in der Gewissheit, dass es der Herr ist, der wachsen lässt, was wir gesät haben.

MUSIKALISCHE GESTALTUNG

Cappella Musicale Pontificia „Sistina“

I Pueri Cantores

Orgel:
Juan Paradell Solé

Leitung:
Monsignore Massimo Palombella

An diesem Tag der Seligsprechung von Papst Paul VI. kommen mir seine Worte in den Sinn, mit denen er die Bischofssynode errichtete: „Die Zeichen der Zeit aufmerksam durchforschend, [suchen wir,] die Wege und Methoden […] den wachsenden Notwendigkeiten unserer Tage sowie den veränderten Verhältnissen der Gesellschaft anzupassen.“ Angesichts dieses großen Papstes, dieses mutigen Christen, dieses unermüdlichen Apostels können wir vor Gott heute nur ein ebenso einfaches wie ehrliches und bedeutungsvolles Wort sagen: Danke! Danke, unser lieber und geliebter Papst Paul VI.! Danke für dein demütiges und prophetisches Zeugnis der Liebe zu Christus und seiner Kirche!

In seinem persönlichen Tagebuch schrieb der große Steuermann des Konzils am Tag nach der Schließung der Konzilsversammlung: „Vielleicht hat der Herr mich in diesen Dienst gerufen und hält mich darin, nicht etwa weil ich eine Begabung dafür hätte oder damit ich die Kirche regiere und vor ihren gegenwärtigen Schwierigkeiten rette, sondern damit ich etwas für die Kirche leide und es deutlich wird, dass Er und kein anderer sie leitet und sie rettet.“

In dieser Demut erstrahlt die Größe des seligen Pauls VI. Während sich eine säkularisierte und feindliche Gesellschaft abzeichnete, hat er es verstanden, weitblickend und weise – und manchmal einsam – das Schiff Petri zu steuern, ohne jemals die Freude am Herrn und das Vertrauen auf ihn zu verlieren.

Paul VI. hat es wirklich verstanden, Gott zu geben, was Gott gehört, indem er sein ganzes Leben der „heiligen, gewaltigen und äußerst gewichtigen Aufgabe“ widmete, „die Sendung Christi in der Zeit fortzuführen und über die Erde auszudehnen“. Er hat die Kirche geliebt und hat sie geleitet, damit sie „zugleich liebevolle Mutter und Ausspenderin des Heils für alle Menschen sei“.

Dem Beispiel des Seligen folgen

Angelus von Papst Franziskus

Liebe Brüder und Schwestern, am Ende dieser feierlichen Messe möchte ich die Pilger aus Italien und aus verschiedenen Ländern begrüßen, ich möchte auch den offiziellen Delegationen einen ehrerbietigen Gruß aussprechen. Insbesondere begrüße ich die Gläubigen der Diözesen Brescia, Mailand und Rom, welche auf besondere Weise mit dem Leben und dem Amt von Papst Montini verbunden sind. Ich danke allen anwesenden und fordere alle auf, treu den Lehren und dem Beispiel des neuen Seligen zu folgen.
Er war ein unermüdlicher Förderer der Missio ad gentes; das zeigt vor allem das apostolische Schreiben Evangelii nuntiandi, womit er den Elan und das Engagement für die Sendung der Kirche neu wecken wollte. Diesem Aspekt des Pontifikats von Paul VI. kommt heute, am Weltmissionstag, eine besondere Bedeutung zu.

Bevor wir alle zusammen zur Mutter Gottes den Angelus beten, möchte ich auf die tiefe Marienfrömmigkeit des Seligen Pauls VI. hinweisen. Diesem Papst wird das christliche Volk immer dankbar sein für das apostolische Schreiben Marialis Cultus und dafür, die Heilige Maria als “Mutter der Kirche” erklärt zu haben, anlässlich der dritten Sitzungsperiode des 2. Vatikanischen Konzils. Möge uns die Heilige Maria, Königin der Heiligen, helfen, den Willen Gottes in unserem Leben treu zu erfüllen, so wie der neue Selige es getan hat.

Näheres über den Vatikan

www.vatikan.va

Kommentar

Christoph Riedl-Daser
P. Karl Schauer

Redaktion

Thomas Bogensberger

Kontakt

gottesdienst@orf.at