„Ins Wasser fällt ein Stein“
Es ist erstaunlich, was aus einem scheinbar kleinen Anfang erwachsen kann. Kurz vor dem Reformationstag erinnerte die Gemeinde daran, dass dies nicht nur für Martin Luther und die Erneuerung der Kirche gilt, die mit ihm ihren Anfang nahm. Als Luther seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche heftete, wusste noch niemand, welche Bewegung dies auslösen würde.
Im Gottesdienst der Gemeinde Waiern gab es nun die berührende Geschichte von der Kuh des Marhof-Bauern, vom kleinen Joseph, der zum Künstler wird, oder von Sophie und ihrer Schwester Raphaela. Es galt, Anfangsgeschichten nachzuspüren. Dabei illustrierte eine floristische Installation von Judith Sticker-Wedenig das Gleichnis von der still wachsenden Saat.
Es keimt und wächst, und er weiß nicht, wie
Lesung: Markus 4
Er sagte: "Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät. Dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. Sobald aber die Frucht reif ist, legt er die Sichel an, denn die Zeit der Ernte ist da.
Still und unspektakulär
Predigt
Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit einem geliebten Menschen? Vielleicht war es die große Symphonie der Gefühle, und die Liebe auf den ersten Blick. Oder es war ein leiser Anfang: ein Lächeln, das zurück kommt, eine verlegene Geste, ein kurzer Wortwechsel, der noch lange nachklingt. Jahre später wissen Sie dann: da hat’s begonnen, das war damals der kleine Anfang unserer Liebe.
MUSIK
Nun danket all und bringet Ehr!
W.A. Mozart: Adoramus te
G.P. da Palestrina: Kyrie
Orlando di Lasso: Jubilate Deo
Ins Wasser fällt ein Stein
Strahlen brechen viele
Herr, bleib bei uns!
Ein feste Burg
Johann Pachelbel: Canon
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Flöte: Anna Altmann
Klavier: Sandra Götzhaber-Aspernig
Orgel: Otto Brecher
Volksliedchor Feldkirchen
Chorleitung: Renate Altmann
Die kleine Sophie erzählt, dass sie mit ihrer neugeborenen Schwester zuerst nicht viel anfangen hat können, dass sie eifersüchtig war, weil das Baby so viel Aufmerksamkeit der Mutter gebraucht hat. Und dann war da plötzlich eine Gute-Nacht-Geschichte und ein lustiges Babylachen, und das Kind hat nach dem Finger der großen Schwester gegriffen und ihn ganz fest gehalten. Heute weiß Sophie, dass sie da entdeckt hat, dass ihre kleine Schwester Raphaela auch eine sehr lustige Spielgefährtin sein kann.
Oder Anke, die nach einer Phase erfüllten Lebens einen Neubeginn braucht, weil der Körper plötzlich „Halt!“ ruft. Und dann sitzt sie beim Arzt, und der sagt ihr: "Sie müssten als Religionslehrerin doch wissen, dass Sie Ihre Nächsten lieben sollen wie sich selbst!“ Wo war sie selbst geblieben? Ein kleiner Satz, eine kleine Frage. Heute weiß Anke, dass diese paar Worte das Signal waren für einen neuen Anfang.
Oder der Waisenbub in der Diakonie, bei dem der Pfarrer bemerkt, dass der stille Bub ein konzentriertes Auge und eine sichere Hand beim Zeichnen hat - eine kleine Anfangsgeschichte, die Kreise gezogen hat, bis hin zu einer Künstlerlaufbahn des Joseph Rainer, in der er es bis zu einem Portrait-Auftrag des Kaisers gebracht hat.
Werde ich auf kleine Anfänge immer erst im Nachhinein aufmerksam, wenn Wichtiges, Großes aus ihnen geworden ist? Wenn in den Bergen eine große stattliche Zirbe auf einem Felsen wächst, staune ich, wie der Baum an diesem exponierten Ort so groß und schön werden konnte, aber bemerke ich das kleine Samenkorn in der Felsritze, oder den vorwitzigen Zweig, der sich aus der Felsspalte streckt? Wenn ich heute weiß, dass die Reformation eine große Glaubensbewegung aufder ganzen Welt geworden ist, staune ich, dass ihr ein kleiner Anfang vorausgeht. Eine befreiende Entdeckung beim Bibellesen in der Studierstube. Luther hat erkannt, dass der Mensch sich die Liebe Gottes nicht verdienen oder sich erarbeiten kann, sondern dass Gott sie ihm schenkt. Eine stille Begebenheit in einem winzigen Nest irgendwo in Deutschland, zunächst ganz unbemerkt.
Unsere Welt des Konsums und der Leistung setzt auf die lichten Scheinwerfer der großen Erfolge. Was da zählt, sind die abgesteckten Ziele, professionelles Management und die Kontrolle, wo wir nichts dem Zufall überlassen und alles im Griff haben wollen. Da geht der Blick für die kleinen Anfänge verloren. Aber „mit dem Reich Gottes ist es ganz anders“, sagt Jesus: „wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag, und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie. Und die Frucht entsteht wie von selbst.“ Ich muss nur genau hinschauen und es bemerken.
„Ins Wasser fällt ein Stein, und zieht doch weite Kreise...“ Diese leise Melodie der kleinen Anfänge zieht sich durch die ganze Bibel: Jesu
Geburt wird nur von ganz wenigen Menschen bemerkt, die voll Vertrauen dem Stern folgen und den Stall finden. Jesu Auferstehung ist zuerst eine stille Begebenheit am Ostermorgen, und die Botschaft des Lebens zieht Kreise hinaus in die Welt bis in unsere Tage. Und das neue Leben der NachfolgerInnen Jesu beginnt oft nur mit dem kleinen „Folge mir nach“, und verändert doch so viel.
Das Faszinierende für mich: die befreiende Güte Gottes entfaltet sich gerade in den kleinen, unscheinbaren Anfängen des Glaubens, die da und dort passieren und passiert sind. Bei Petrus und Maria, bei Anke oder bei Joseph, dem Maler, bei Martin, dem Reformator oder bei Sophie und ihrer kleinen Schwester. Was sind unsere kleinen Anfänge, die Gott schenkt? Erinnern wir uns ihrer oder übersehen wir sie, weil sie still und unspektakulär daherkommen? Es lohnt die Mühe, sich auf die Suche zu machen nach den Spuren der Liebe und des Glaubens im eigenen Leben. Es sind diese kleinen Anfänge, die Gott geschenkt hat und immer wieder neu schenken wird.
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