Altarraum der Wiener Michaelerkirche mit Christbaum

Pfarre St. Michael

„Jesus wartet auf uns und öffnet Türen“

Der ORF übertrug den Christtagsgottesdienst heuer aus der katholischen Stadtpfarrkirche St. Michael im Zentrum von Wien. Mit der Festgemeinde feierte Pfarrer P.Peter van Meijl.

Der Sohn Gottes kommt als Kind auf die Welt und bleibt an der Seite der Menschen. Bis heute. Das feiern Christinnen und Christen zu diesem Fest. Gott wartet auf die Menschen und öffnet Türen. Ein Motto für die Michaelerkirche. Im Zentrum von Wien versteht sie sich als Ort der Begegnung und Großstadtseelsorge, weltoffen in vielen Sprachen und gastlich für alle Menschen, die im Trubel der Stadt innehalten wollen, um alleine zu beten oder miteinander Gottesdienst zu feiern. In diesem Sinne wurde der Weihnachtsgottesdienst auch in mehreren Sprachen zelebriert.

Jauchzt alle zusammen!

1. Lesung: Jesaja 52

Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt! Der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt, der zu Zion sagt: „Dein Gott ist König.“ Horch, deine Wächter erheben die Stimme, sie beginnen alle zu jubeln! Denn sie sehen mit eigenen Augen, wie der Herr nach Zion zurückkehrt. Brecht in Jubel aus, jauchzt alle zusammen, ihr Trümmer Jerusalems! Denn der Herr tröstet sein Volk, er erlöst Jerusalem. Der Herr macht seinen heiligen Arm frei vor den Augen aller Völker. Alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes.

Reinigung von den Sünden

2. Lesung: Hebräer 1

Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten. In dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat.

MUSIK

Joseph Haydn: Missa Sancti Nicolai

Nun freut euch, ihr Christen!

Zu Betlehem geboren

Chor und Orchester von St. Michael

Musikalische Leitung und Orgel:
Manuel Schuen

Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens, trägt das All durch sein machtvolles Wort, hat die Reinigung von den Sünden bewirkt und sich dann zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt. Er ist um so viel erhabener geworden als die Engel, wie der Name, den er geerbt hat, ihren Namen überragt. Denn zu welchem Engel hat er je gesagt: „Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt“ und „Ich will für ihn Vater sein, und er wird für mich Sohn sein“? Wenn er aber den Erstgeborenen wieder in die Welt einführt, sagt er: „Alle Engel Gottes sollen sich vor ihm niederwerfen.“

Das wahre Licht

Evangelium: Johannes 1

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.

Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.

Viele Male und auf vielerlei Weise

Predigt

Es ist die Überzeugung der zweiten Lesung, dass Gott nicht schläft, nicht schlummert, nicht uninteressiert zuschaut, sondern dass er spricht. Ein sprechender Gott also. Gott hat in der langen Menschheitsgeschichte viele Male und auf vielerlei Weise zu uns Menschen gesprochen. Nicht nur einmal, oder ab und zu, oder hin und wieder, sondern viele Male. Nicht immer gleich, weil auch die Menschen nicht gleich sind. Sie mögen Abwechslung und möchten immer wieder und immer anders, auf vielerlei Weise angesprochen werden. Am heutigen Weihnachtstag richtet Gott sein Wort, seine Botschaft auf dreifache Art an uns.

Die erste Weise: Er spricht durch die Propheten. Der Meister aller Propheten, Jesaja, wurde soeben in der ersten Lesung als Freudenbote dargestellt. Seine Aufgabe ist es, Frieden anzukündigen, die frohe Botschaft zu bringen und Rettung zu verheißen. Diese Rettung besteht im Slogan: Dein Gott ist König. Gute Slogans lassen die Menschen aufhorchen, lassen sie sogar wach werden, lassen sie fragen: Habe ich wohl richtig gehört? Dein Gott ist König. Niemand anderer verdient es, König genannt zu werden, so der Kurzkommentar. Gott steht an der Spitze, er wohnt nicht in einem Graubereich oder am Rand. Dieser Gott möchte mitten unter den Menschen wohnen. Von der Spitze des Himmels in das Herz der Menschen. Wenn er kommt, dann sehen alle Menschen das Heil unseres Gottes.

Auf eine zweite Weise spricht Gott durch seinen Sohn. Der namentlich nicht genannte Verfasser des Hebräerbriefes hat eine klare Katechese. Er richtet sich in seiner Botschaft an eine gefährdete christliche Gemeinde. Die Bedrohung kommt nicht von außen, sondern von innen. Eine bekannte Konstellation. Sie kommt aus der eigenen Nachlässigkeit und Müdigkeit. Auch damals wollten die ersten Christen lieber austreten als auftreten, lieber wegschauen als hinschauen. Der pastoral gesinnte Autor holt für seine Botschaft weit in der jüdischen Geschichte aus. Manche Historiker können das wunderbar. Sein Fazit formuliert er so: Die menschliche Geschichte ist eine Geschichte Gottes mit den Menschen. Gott ist wie ein Bergbach. Er findet immer hunderte von Wegen und Umwegen, um ins Tal zu gelangen, dorthin, wo Mensch und Natur auf Nahrung warten. Der damalige Pastoralhistoriker ist der Überzeugung, jetzt ist das Wasser ganz unten angelangt, es ist am Ende seines Laufes, der Bach wird zum Fluss. Anders formuliert: Gott hat in der Geschichte der Menschen so oft und so vielfältig und so deutlich gesprochen, dass nun etwas ganz Neues gekommen ist. Definitiv. Nicht etwas, sondern jemand. Sein eigener Sohn. Er hat die Tür geöffnet

Dieser Sohn, dieser Jesus von Nazareth, hat einen besonderen Namen erhalten. So sieht es der Verfasser des Evangeliums, ein echter Theologe. Er fasst im Vorwort seiner Schrift, die wir als Johannes-Evangelium kennen, kräftig zusammen. Ein Prolog, wovon jeder Schriftsteller nur träumen kann, ein Präludium, wie sich das jeder Musiker vorstellt. In einigen Sätzen drückt er aus, was Gott in der Geschichte immer gewesen ist, nämlich ein sprechender Gott. Aber nun hat das „Wort“ ein Gesicht, eine Farbe, eine Form, eine Stimme, eine Seele, einen Namen bekommen. Feierlicher und poetischer könnte das Vorwort des heutigen Evangeliums wohl nicht formuliert werden. Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Das muss man sich erst einmal anhören, auf der Zunge zergehen lassen. Es könnte einem schwindlig werden oder man könnte Gänsehaut bekommen. Buchstäblich übersetzt heißt es, er hat sein Zelt bei uns aufgeschlagen. Er hat uns die Tür geöffnet.

Er wohnt noch immer unter uns. Er ist immer da. Er wartet auf uns, wenn wir als Passanten vorbeikommen, stehen bleiben und in die Kirche hineingehen, in die Knie gehen und ihn anbeten, wenn wir unseren Mitmenschen begegnen, aufmerksam und liebevoll, wenn wir sorgfältig mit der Schöpfung umgehen, mit unserer kleinen Erde. Und auch wenn wir uns mutlos, verzweifelt, scheinbar allein fühlen, dürfen wir uns von Gott begleitet wissen. Ermutigt. Auf Augenhöhe. Viele Male und auf vielerlei Weise.

Zur Baugeschichte der Michaelerkirche

Auf römischen und frühmittelalterlichen Ruinen wurde 1220 das dreischiffige Langhaus mit vorgebautem Querhaus und Chorquadrat errichtet. Der Babenberger Herzog Leopold VI., 1198–1230, hatte erstmals Bauformen der französischen Kathedralgotik nach Österreich gebracht, die zum Entstehen herzoglicher Stiftungsbauten führten. Heute hat die Michaelerkirche den größten erhaltenen spätromanischen Baubestand in Wien, der außerdem älter als ist als die romanischen Bauteile des Wiener Stephansdoms aus dem Jahr 1263. Die Seelsorge ist in St.Michael seit 1923 Aufgabe des Salvatorianerordens.

In diesem weihnachtlichen Festgottesdienst kommt auch die historische Sieber-Orgel der Michaelerkirche zum Einsatz. Das 300 Jahre alte Instrument des Orgelbauers Johann David Sieber ist ein Meisterwerk barocker Orgelbaukunst. Sie wurde nach einem klugen Konzept mit 40 Registern auf drei Manualwerken und einem Pedalwerk gebaut. Faszinierend war neben der Größe des Orgelwerkes vor allem die damals neuartige Aufstellung: Zwei große gleich geartete Orgelgehäuse entlang der Nord- und Südwand der Empore flankieren einen ca. 30m2 großen Freiraum, der ausreichend Platz bietet für Chor und Orchester mittlerer Besetzung.

Aktuelles in der Gemeinde

www.michaelerkirche.at

Kontakt

Pfarre St. Michael
Habsburgergasse 12
1010 Wien
Österreich

gottesdienst@orf.at

Redaktion und Bildregie

Thomas Bogensberger