Kirche innen, während Pfarrer zur Gemeinde spricht

Pfarre Dornach

„versöhnt und frei“

Der ORF beging den Karfreitag unter anderem mit einer Liveübertragung des Gottesdienstes aus der Evangelischen Versöhnungskirche in Linz-Dornach. Oberkirchenrätin Hannelore Reiner und Pfarrer Ortwin Galter feierten mit der Gemeinde.

Oberkirchenrätin Hannelore Reiner und Pfarrer Ortwin Galter

Marco Uschmann

Hannelore Reiner und Ortwin Galter

Der Karfreitag erinnert an den Kreuzestod Jesu. Christinnen und Christen halten inne, versuchen zu erfassen, wie weit Gott in seiner Zuwendung zu den Menschen geht. Der Karfreitag verkündet Versöhnung zwischen Gott und Mensch und so Versöhnung zwischen Menschen untereinander, meinen Oberkirchenrätin Reiner und Pfarrer Galter. Menschen sind aufgerufen, sich von dem Neuanfang, den Gott hier gemacht hat, anstecken zu lassen, zu einem befreienden Neuanfang miteinander.

Gottesdienst aus der Evangelischen Versöhnungskirche in Linz-Dornach

Er trägt unsere Schuld

1. Schriftlesung: Jesaja 53

Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.

Es ist vollbracht

2. Schriftlesung; Johannes 19

Da lieferte er ihnen Jesus aus, damit er gekreuzigt würde. Sie übernahmen Jesus. Er trug sein Kreuz und ging hinaus zur sogenannten Schädelhöhe, die auf Hebräisch Golgota heißt. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere, auf jeder Seite einen, in der Mitte Jesus. Pilatus ließ auch ein Schild anfertigen und oben am Kreuz befestigen. Die Inschrift lautete: Jesus von Nazaret, der König der Juden. Dieses Schild lasen viele Juden, weil der Platz, wo Jesus gekreuzigt wurde, nahe bei der Stadt lag. Die Inschrift war hebräisch, lateinisch und griechisch abgefasst. Die Hohenpriester der Juden sagten zu Pilatus: „Schreib nicht: ‚Der König der Juden‘, sondern dass er gesagt hat: ‚Ich bin der König der Juden.‘“ Pilatus antwortete: „Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.“

MUSIK

Herr stärke mich,
dein Leiden zu bedenken!

Antonio Lotti:
Fürwahr, er trug unsre Krankheit

Michael Prätorius:
O Lamm Gottes unschuldig

Du großer Schmerzensmann

Johann Sebastian Bach: Sarabande

Er ist das Brot, er ist der Wein

Holz auf Jesu Schulter

Kirchenchor der Pfarrgemeinde

Gitarre: Wolfgang Jungwirth

Orgel: Klaus Oberleitner

Musikalische Leitung:
Eui-Kyoung Kim

Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch sein Untergewand, das von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war. Sie sagten zueinander: „Wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll.“ So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich und warfen das Los um mein Gewand. Dies führten die Soldaten aus. Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: „Frau, siehe, dein Sohn!“ Dann sagte er zu dem Jünger: „Siehe, deine Mutter!“ Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Danach, als Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war, sagte er, damit sich die Schrift erfüllte: „Mich dürstet.“ Ein Gefäß mit Essig stand da. Sie steckten einen Schwamm mit Essig auf einen Ysopzweig und hielten ihn an seinen Mund. Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: „Es ist vollbracht!“ Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf.

Gesandte an Christi statt

Predigttext: 2. Korinther 5

Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und uns das Wort von der Versöhnung zur Verkündigung anvertraute. Wir sind also Gesandte an Christi statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen! Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden.

Der Riss, der durch unsere Welt geht

Predigt von Oberkirchenrätin Hannelore Reiner

Liebe Gemeinde von Linz-Dornach, liebe Mitfeiernde an den Fernsehgeräten und im Internet! „Es ist ein Weinen in der Welt, als ob der liebe Gott gestorben wär und der bleierne Schatten, der niederfällt, lastet grabesschwer“. - Das Gedicht von Else Lasker-Schüler fängt Karfreitagsstimmung ein. „Du großer Schmerzensmann“ haben wir eben gesungen. Alles zentriert sich auf das Kreuz. Die dominierende Farbe des heutigen Tages ist schwarz, obgleich draußen schon alles grünt und die Märzenbecher golden leuchten. Dunkel ist alles, auch das Herz ist schwer. Es ist ein Weinen in der Welt, als ob der liebe Gott gestorben wär.

Was vielleicht in den lyrischen Worten der Dichterin noch weich anklingt, diese typische Karfreitagsstimmung, wird auch im heutigen Bibelwort angesprochen, allerdings viel härter und realistischer als in der Lyrik von Lasker-Schüler. Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber, heißt es im zweiten Brief des Paulus an die Korinther. Es ist ein Weinen in der Welt, als ob der liebe Gott gestorben wär. Bei Paulus gibt es kein „als ob“. Die christliche Botschaft des heutigen Tages sagt es klar: Gott selber stirbt am Kreuz. Die Wunde klafft weit auseinander. Es ist jener tiefe, weite Riss, der durch unsere Welt geht und durch das Leben unzähliger Menschen.

Wir brauchen nicht weit zu suchen, um schreckliche Risse da und dort zu entdecken: Die Bürgerkriege im Nahen Osten, die unfassbare Grausamkeit neuer Gruppierungen wie IS oder Boko Haram in Afrika, das Leid der Menschen in der Ostukraine, die stete Aufrüstung der Waffenarsenale, um nur ja nicht den Riss, der durch die Welt geht, heilen zu lassen. Tiefe Gräben und haushohe Mauern, die sich zwischen Menschen mit verschiedenen Nationalitäten und Religionen auftun und unüberwindbar erscheinen. Es ist ein Weinen in der Welt. Mütter sitzen mit ihren Kindern in Flüchtlingslagern, die wenigen Habseligkeiten stehen neben ihnen auf dem Boden. Wenn sie erzählen, kommen sie immer wieder ins Stocken, die Tränen laufen über ihre Gesichter: Es ist ein Weinen in der Welt.

Mitunter überkommen mich Wut und Zorn. Ich möchte schreien über soviel Unrecht in der Welt, über soviel Todesgräben und mörderische Risse. Wo ist Versöhnung? Wo sind die, die einander die Hände reichen über alle Gräben hinweg? Es ist ein Weinen in der Welt, mehr noch: Es ist ein Schreien in der Welt! Die offene Wunde des Karfreitags wird aber nicht bloß in den Kriegsgebieten und Elendsvierteln dieser Welt spürbar. Es gibt genügend Risse auch bei uns. Sie gehen mitten durch die Familien und manchmal durch das einzelne Menschenleben. Wieviel Tränen werden auch bei uns geweint in schlaflosen Nächten, wo einem das Herz zu zerreißen droht vor Schmerz über die Trennung vom geliebten Menschen? Wieviel Tränen werden geweint in Krankenbetten, von denen, die eine ausweglose Situation aushalten müssen, aber auch von jenen, die zusehen und nicht helfen können. Manchmal scheinen Wunden geheilt zu sein. „Gras ist darüber gewachsen“, sagen wir, denn „schließlich heilt die Zeit ja alle Wunden“. Von wegen! Die furchtbaren Geschichten von verletzten Kinderseelen oder geschlagenen Frauen können nicht durch die Zeit geheilt werden. Bei entsprechender Erinnerung sind sie wieder da. Es ist ein Weinen in der Welt. Das Dunkle des Karfreitags lässt sich nicht wegwischen. Die Wunde klafft. Die Welt schreit nach Versöhnung. Aber wer wagt den ersten Schritt?

Am Karfreitag steht das Kreuz in der Mitte. Der Apostel Paulus ist überzeugt, im Kreuz liegt das Heil und die Heilung unserer Wunden. Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, so schreibt er. Der deutsche Theologe Eberhard Jüngel hat dazu gemeint: „Es gibt Wunden, die müssen bluten, wenn nicht der ganze Leib verderben soll. Die Welt hat nur eine einzige solche Wunde, die nicht heilen darf: Der gekreuzigte Christus ist die Wunde der Welt“. So sehr das Dunkle des Karfreitags uns auch schmerzen mag und es auch soll, so sehr wir auch den Riss spüren mögen, der im Zeichen des Kreuzes in dieser Welt offen daliegt, so sehr ist das Kreuz auch Brücke geworden zwischen Gott und Mensch. Der klaffende Abgrund ist überbrückt. Das ist die christliche Frohbotschaft des Karfreitags: Wir sind versöhnt.

Das griechische Wort, das wir mit Versöhnung übersetzen, bedeutet ursprünglich Tausch. Die Versöhnung, die am Kreuz geschah, bewirkt einen Tausch, von ewiger Liebe getragen. Der Mensch bekommt nicht das, was er verdient, sondern wird freigesprochen von Sünde und Schuld. Keiner muss Gott seit Jesu Tod am Kreuz mehr freundlich stimmen. Das feine Gewebe der Versöhnung ist bereits gewebt durch die Liebe Gottes.
Wir feiern heute den Karfreitagsgottesdienst aus der Linzer Versöhnungskirche. Gleich nebenan befindet sich die Johannes Kepler-Universität, wo geforscht und entwickelt wird für die Welt von morgen. Wäre das nicht DAS Forschungsziel schlechthin, dass Grenzen und Mauern überwunden werden und Friedensstifter und Versöhnungsstifterinnen von Linz aus in die Welt gehen?

„Es pocht eine Sehnsucht an die Welt.“ So endet das Gedicht von Else Lasker-Schüler. Die Sehnsucht nach Versöhnung ist nicht auszulöschen, Gott sei es gedankt! Solange das Kreuz unser Zeichen bleibt, wird auch die Sehnsucht nach Versöhnung in unseren Herzen wohnen. Lasst euch versöhnen mit Gott und versöhnt euch untereinander. Damit das Weinen in der Welt wenigstens da und dort gestillt werden kann.

Vor wenigen Wochen lernte ich während einer Studienreise in Israel zwei Menschen kennen. Sie, eine junge Amerikanerin, deren palästinensischer Mann von israelischen Soldaten zusammengeschlagen und unversorgt am Straßenrand liegen gelassen wurde und dabei verblutete. Mit der Frau kam ein jüdischer Mann, dessen 15-jährige Tochter, seine Jüngste und sein besonderer Liebling, bei einem Busattentat durch einen Palästinenser gewaltsam zu Tode kam. Beide, die Muslima und der israelische Mann gehören der Organisation „Parents Circle“ an, Menschen, die nahe Familienangehörige durch Brutalität und Unversöhnlichkeit verloren haben und die nunmehr einander stützen, wie der Jünger unter Jesu Kreuz, der sich Marias angenommen hat, wie wir im Evangelium gehört haben. Menschen aus „Parents Circle“ wollen den Hass nicht mehr weitertreiben. Über Gräben hinweg reichen sie einander die Hand zur Versöhnung. Endlich wird das erlösende Wort eines neuen Anfangs gesprochen.
Das sind die Karfreitagswundergeschichten, die das Weinen in der Welt und die ganze dunkle Karfreitagsstimmung verwandeln hinein in den Ostermorgen.

Nun aber pocht eine Sehnsucht an die Welt: Lasst euch versöhnen mit Gott! So darf ich heute auch uns alle ermutigen im Namen des gekreuzigten und auferstandenen Christus: Wagen wir den ersten Schritt zur Versöhnung. Der heutige Tag macht es möglich. Und Weinen wird sich in Lachen wandeln, weil Ostern dem Karfreitag folgt, auch für uns.

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