Bäuerin Marta Küzinger

ORF/Meta Film

Glauben, Leben, Sterben und Streiten für den Frieden

Mit dem Prager Fenstersturz im Mai 1618 beginnt der Dreißigjährige Krieg und damit der letzte große Religionskrieg in Europa. Er weitet sich zu einem Flächenbrand aus, in dem machtpolitische und wirtschaftliche Interessen die Oberhand gewinnen.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 16. Oktober 2018
um 22.35 Uhr, ORF 2

Glauben Leben, Sterben Menschen im Dreißigjährigen Krieg

Nahezu alle europäischen Mächte des damaligen Europa sind darin verwickelt. Erst als Millionen gestorben sind und der halbe Kontinent verwüstet ist, kann im Westfälischen Frieden (1648) eine neue Ordnung gefunden und auch das Zusammenleben von Europas Katholiken und Protestanten geregelt werden.

Warum das Ringen um die rechte Konfession zum Auslöser eines solchen Gemetzels werden konnte, das Not und Elend über das Land brachte, ist heute kaum mehr nachzuvollziehen. Der Film lässt fünf Menschen erzählen, wie sie den Dreißigjährigen Krieg erlebt und erlitten haben. Alle haben wirklich gelebt, Spuren und Zeugnisse hinterlassen und waren zugleich Opfer und Täter.

Kontrastiert werden diese „Augenzeugenberichte“ aus der Vergangenheit mit Eindrücken einer Reise durch das heutige deutschsprachige Europa. Gibt es noch Spuren von dem Konflikt von einst? Wie steht es um den Glauben heute? Renommierte Experten wie der Politikwissenschaftler Herfried Münkler oder die Historiker Georg Schmidt und Christoph Kampmann analysieren den Konflikt von damals und fragen, ob der Dreißigjährige Krieg uns etwas über die Kriege unserer Zeit lehren kann.

Das Dokudrama zum Dreißigjährigen Krieg ist also nicht nur einem historischen Datum geschuldet, sondern schlägt den Bogen von der europäischen Tragödie von vor 400 Jahren zu der Konflikten und Krisen heute.

Bäuerin Marta Küzinger

ORF/Meta Film

Folge 1 – Glaubenskampf

16.10.2018 – 22:35 Uhr in ORF 2

Katholiken und Protestanten kämpfen gegeneinander – der Dreißigjährige Krieg (1618 - 1648) gilt als letzter großer Glaubenskampf in Europa. Doch so einfach ist es nicht: Wie in den Religionskonflikten unserer Zeit verbergen sich hinter scheinbarem Fanatismus politische, wirtschaftliche und geostrategische Interessen – der Glaube wird zum Vorwand und Brandbeschleuniger. Drei ausgewählte Biografien aus dem Dreißigjährigen Krieg zeigen das.

Der Jesuit Jeremias Drexel, Hofprediger bei Herzog Maximilian von Bayern, ist ein katholischer Hardliner. Er ist bei der Niederwerfung des Prager Aufstands dabei. Doch später gerät er ins Zweifeln, dass der Krieg wirklich einer „heiligen Mission“ dient.

Die Bäuerin Marta Küzinger lebt in einem evangelischen Dorf in Oberösterreich. Als Zwanzigjährige erlebt sie mit, wie ihr Land mit Gewalt katholisch gemacht werden soll. In einem Bauernaufstand verliert sie ihren Mann. Doch das Leid kann sie nicht brechen: Im Verborgenen gibt sie ihren Glauben weiter und trägt so dazu bei, dass es in Österreich bis heute Protestanten gibt.

Und schließlich der Prager Kaufmann Hans de Witte – einer der großen Finanziers der kaiserlichen Feldzüge. Durch ein ausgeklügeltes Kreditsystem ermöglicht er den Aufstieg des Feldherrn Wallenstein. Das Pikante daran: De Witte ist Calvinist – und gehört somit einer Konfession an, die der Kaiser überall im Reich verfolgen lässt.

Durch einen erzählerischen Kunstgriff erzeugt der Film eine besondere Nähe zum historischen Geschehen: Eine Reporterstimme aus dem Off – verkörpert vom österreichischen „Tatort“-Star Adele Neuhauser - stellt den historische Figuren Fragen, und sie sprechen über ihre Hoffnungen, Ängste und Überzeugungen, direkt in die Kamera.

Für Experteninterviews konnten unter anderem der Politologe Herfried Münkler und die Historiker Christoph Kampmann und Georg Schmidt gewonnen werden. Dabei wird auch der Bogen in die Gegenwart geschlagen: Ist der Dreißigjährige Krieg, dieses Knäuel aus Staatenkriegen, Aufständen und Glaubenskämpfen, mit der heutigen Situation im Nahen Osten vergleichbar? Erlebt die islamische Welt eine ähnliche Urkatastrophe wie damals Europa?

Die Organisatorin des Peace Camps und Psychotherapeutin Evelyn Böhmer-Laufer

ORF/metafilm/Michael Brauner

Streiten für den Frieden

Wenn Evelyn Böhmer-Laufer ihre Kinder um sich sammelt, kann es manchmal recht heftig zugehen – denn es ist ihr wichtig, dass jede und jeder offen ausspricht, was er oder sie denkt. Die jungen Leute, die sie einmal im Jahr bemuttert, sind in Wirklichkeit siebzehn und kommen aus verschiedenen Ländern und Kulturen. Fix dabei sind auch arabische und jüdische Jugendliche aus Israel.

Böhmer-Laufer ist Psychotherapeutin. Vor fünfzehn Jahren hat sie damit begonnen, Schülerinnen und Schüler aus dem Nahen Osten nach Österreich zu holen, um miteinander zu reden, zu streiten, zu spielen und zu lachen. „Peacecamp“ nennt sie ihr Projekt. Frieden setzt nicht voraus, dass man einer Meinung ist, meint sie. Wichtig sei es, dass man lerne, Differenzen offen auszutragen, statt sich mit seinen Vorurteilen abzukapseln.

„Die jüdischen Jugendlichen interessieren sich nicht für unsere Probleme“, hat die 17jährige Banan Battah aus Nazareth vor dem Peacecamp gemeint. Araber machen zwanzig Prozent der israelischen Staatsbürger aus. Nazareth ist die größte arabische Stadt in Israel. Die nächste jüdische Stadt liegt nur wenige Kilometer entfernt. Doch die Lebenswelten beider Gruppen überschneiden sich kaum.

Auch Nir Lan ist siebzehn. Er lebt mit seinen politisch liberalen Eltern eine halbe Autostunde von Nazareth entfernt. Auch er kommt im Alltag kaum mit gleichaltrigen Arabern in Kontakt. Was „die andere Seite“ denkt, kennen er und seine Eltern nur aus den Medien. Doch das war Nir zu wenig. So hat er sich, ebenso wie Banan, ins niederösterreichische Lackenhof aufgemacht.

Mit einem Team von Lehrern und Psychotherapeuten schafft Evelyn Böhmer-Laufer den Jugendlichen einen Raum, in dem sie sich nicht nur kennen lernen können. Es geht vor allem darum, zu lernen, seine Meinungen auszudrücken, und die Meinungen Anderer zu hören. Auch wenn die Aussicht auf einen Frieden im Nahen Osten nicht gut stehen. Andere verstehen zu lernen, ist das gemeinsame Ziel.

Vor dem Peacecamp habe er Schulkollegen oft schnell abgestempelt, sagt Nir. Der erste Blick habe oft schon genügt. Doch auf dem Peacecamp habe er gelernt, wie wichtig es sei, zuerst einmal in Kontakt zu kommen. Besonders mit Menschen, die einen irritieren.

Ein Film von Michael Brauner und Christian Schüller

ORF-Redaktion: Christoph Guggenberger