Evangelische Kirche Mödling

Pfarre Mödling

„...dann habe ich Mut“

Aus Mödling in Niederösterreich wurde der Evangelische Gottesdienst von ORF2 und ZDF übertragen. Mit der Gemeinde feierten Pfarrerin Anne Tikkanen-Lippl und Pfarrer Markus Lintner.

Woraus kann man den Mut schöpfen zum eigenen Glauben zu stehen? Die eigene Position auch gegen Widerstände nicht zu verleugnen? Sich trotz Rückschlägen weiter zu engagieren? Davon berichten Menschen aus der evangelischen Gemeinde Mödling bei Wien im Fernsehgottesdienst. Kurz vor dem Reformationsfest erinnern sie sich dabei auch an das, woraus Martin Luther Mut einst den Mut schöpfte, zu seinen Glaubensüberzeugungen zu stehen.

25.Psalm

Herr, du bist mein Gott.
Dir vertraue ich mit meinem ganzen Herzen, dir allein möchte ich folgen. Du zeigst mir deine Wege und nimmst mich an der Hand, damit ich ganz nahe bei dir bleibe.
Wenn du auf mein Leben blickst, erinnere dich an deine Barmherzigkeit. Und wenn ich mich in Schuld verstricke, zeige du mir Möglichkeiten umzukehren.
Gott, dich möchte zum Freund haben, mit dir an meiner Seite,
will ich durchs Leben gehen.
Du befreist mich, wenn ich gefangen bin.
Du verlässt mich nicht, wenn ich einsam bin und es mir schlecht geht. Du schenkst mir Kraft und lässt mich mutig sein.
Auf dich vertraue ich.
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.

Es braucht Mut

Präfamen zum Predigttext

Es braucht Mut, sich als Christ, als Christin zu outen.
Es braucht Mut, seine Stimme für andere zu erheben und für die eigene Überzeugung auch gegen den Strom zu schwimmen. Manchmal auch in der eigenen Familie, sogar in der eigenen Gemeinde.

MUSIK

Adagio und Allegro aus der Sonata in D-Dur von Leonardo Vinci

Eine feste Burg von Martin Luther
EG 362

Unterm Regenbogen von Sabina Stiller und Dorothea Polster

Tamourin für Flöte und Klavier von F.J.Gossec

Herr, mach uns stark im Mut
EG 154

Mut von Sabina Stiller und Dorothea Polster

Vertraut den neuen Wegen
EG 395

Presto und Pastorella aus der Sonate in D-Dur von Leonardo Vinci

Musikalische Gestaltung:

Kinderchor ‚Die Ohrwürmer‘ unter der Leitung von Sabina Stiller

Klavier: Dorothea Polster

Flöte: Annegret Bauerle

Orgel und Musikalische Leitung: Diözesankantorin Sybille von Both

Die allerersten Christen und Christinnen kannten es auch. Zum Beispiel in Galatia.
Es hatte sich in der Gemeinde eine Gruppe stark gemacht, die meinte, echte Christen sollten sich beschneiden lassen. Warum lässt man sich überhaupt beschneiden? Die jüdischen Männer lassen sich beschneiden, um in den Bund mit Gott einzutreten. Nun fragten sich die nichtjüdischen Mitglieder der Gemeinde in Galatia ziemlich verunsichert: „Was sollen wir nun tun? Müssen wir etwa auch?“
Und da ergreift Paulus das Wort.

Es zählt nur der vertrauende Glaube

Predigttext: Gal.5,1-6

Christus hat uns befreit; er will, dass wir jetzt auch frei bleiben.

Steht also fest und lasst euch nicht wieder ins Sklavenjoch einspannen! Ich, Paulus, sage euch mit aller Deutlichkeit: Wenn ihr euch beschneiden lasst, dann wird Christus und alles, was er gebracht hat, für euch nutzlos sein. Ich sage noch einmal mit Nachdruck jedem, der sich beschneiden lässt: Er verpflichtet sich damit, das ganze Gesetz zu befolgen. Wenn ihr wirklich vor Gott als gerecht bestehen wollt, indem ihr das Gesetz befolgt,habt ihr euch von Christus losgesagt und die Gnade vertan. Wir dagegen leben aus der Kraft des Heiligen Geistes und setzen alles auf Glauben und Vertrauen, und so erwarten wir das Ziel, auf das wir hoffen dürfen: dass wir vor Gott als gerecht bestehen und das Heil erlangen werden. Wo Menschen mit Jesus Christus verbunden sind, zählt nicht, ob jemand beschnitten ist oder nicht. Es zählt nur der vertrauende Glaube, der sich in tätiger Liebe auswirkt.

Du bist ein Kind Gottes

Predigt

Liebe Brüder und Schwestern!
„Du bist frei. Lass dir deine Freiheit nicht nehmen!“
Das ist die Antwort von Apostel Paulus an die verunsicherten Christen und Christinnen in Galatia, die nicht wussten, ob sie sich doch beschneiden lassen sollten, für alle Fälle vielleicht. Kann ja nicht schaden.
„Ihr seid frei, weil Christus, weil Gott euch frei macht!“, ermutigt sie Paulus. Gerecht vor Gott zu sein, vor Gott zu bestehen, hat nichts mit Beschneidung oder Gesetzen zu tun. Vor Gott besteht ein Mensch, der Vertrauen hat. Der sich beschenken lässt von Gott. Nicht, weil er es irgendwie verdient hätte, sondern einfach so, als Geschenk, aus Gnade. Weil Gott seine Menschenkinder liebt.
Die Menschen in Galatia, genauso wie Sie, Dich, mich. Egal, ob du meinst, dass du es verdienst oder ob du meinst, dass du gescheitert bist. Egal, ob Sie im Rollstuhl sitzen oder auf dem Chefsessel. Egal, ob Sie alt sind oder jung, krank oder gesund, fröhlich oder traurig.
„Du bist ein Kind Gottes!“ Das reicht. Wer darauf vertraut, wer Gott an seiner Seite weiß, ist frei. Das ist die Botschaft, die auch für Martin Luther zu seiner zentralen Kraftquelle wurde.
Freie Menschen sind mutige Menschen. Sie lassen sich nicht knechten. Sie lassen sich nicht von Konventionen, Erwartungen oder Trends der Gesellschaft einengen. Sie trauen sich, ihre eigene Meinung zu bilden und sie laut zu sagen und auch mal gegen den Strom zu schwimmen. Auch in Zeiten, in denen „Gutmensch“ ein Schimpfwort geworden ist.
Mutige Menschen trauen sich auch, etwas zu riskieren, mitmenschlich zu handeln und Nächstenliebe zu fühlen. Dann haben sie Gott an ihrer Seite.
Martin Luther war so ein Mutiger. Einer, der Mut hatte, alte Lehrmeinungen und Konventionen in Frage zu stellen. Einer, der sich traute, für das, was er als wahr und richtig erkannt hatte, sich sogar gegen Papst und Kaiser zu wenden.
Mutig waren auch seine ersten Anhänger und Anhängerinnen. Und erst recht dann, als der evangelische Glaube von den Herrschenden verboten wurde. Wie zum Beispiel hier in Mödling, wo die Evangelischen durch die Gegenreformation fast zur Gänze ausgerottet wurden. Diejenigen, die trotzdem dabeiblieben, waren wirklich mutige Menschen.
Ein Zeugnis für den Mut der ersten Evangelischen ist der sogenannte Protestantenstein: eine Steintafel aus dem späten 16. Jahrhundert, die ursprünglich in einer Wegkapelle am Rande von Mödling stand. Heute steht sie bei uns am Kirchenvorplatz, am Weg zu meiner Haustür. Darauf stehen die Worte: „Wer gern hört Gottes Wort der ist von guetter Art.“
Für mich ist der Protestantenstein ein richtiger Mut-mach-Stein. Viele Menschen hat er in harten Zeiten an das Wort Gottes erinnert. Er hat ihnen Kraft und Mut gegeben, sich selbst gegen den Kaiser oder den Bischof zu wehren. Sie haben mit Gott an ihrer Seite echt was riskiert! Und heute? Was riskieren wir heute? Wozu brauchen Sie Mut?
Einmal laut die eigene Meinung sagen, dem Chef gegenüber die eigenen Bedürfnisse äußern, einen Fremden ansprechen oder nach einer langen Zeit eine alte Freundin anrufen, mit der Sie sich zerstritten haben?
Oder tatsächlich der Nachbarin erzählen, dass Sie an Gott glauben und dass Ihnen das gut tut? In einem Gespräch am Arbeitsplatz oder in der Schnellbahn als einziger die Stimme für die Flüchtlinge erheben? Halten Sie es aus, als Christ schief angeschaut oder belächelt zu werden?
Vielleicht brauchen Sie dazu auch so einen Protestantenstein, der Ihnen Mut macht. Ein Wort, ein Bild, vielleicht einen Ort, eine Erinnerung oder sogar einen Menschen, der Sie daran erinnert, dass Gott an Ihrer Seite ist.
Schon die Galater hatten so einen, nämlich die Worte von Paulus.
Und ich habe auch einen.
Schaut euch ruhig mal um! Und dann könnt ihr meinen Protestantenstein sehen!
Ich finde, hier sitzen unglaublich feine Menschen!
Mein Protestantenstein ist unsere Gemeinschaft.
Wenn ich mutlos und müde bin, gegen so manche Windmühlen zu kämpfen, dann schaue ich auf meine Gemeinde, auf all die Menschen, die jeden Sonntag hier in den Gottesdienst kommen. Auf die vielen Leute, die in unserer Gemeinde mitarbeiten.
Und ich denke an die vielen Frauen, Männer und Kinder, die überall in der Welt an den gleichen Gott, an denselben Christus glauben wie ich und sich aus derselben Quelle ihre Kraft holen. Und ich denke an Dich und an Sie an den Fernsehgeräten. Und auf einmal weiß ich: ich bin nicht allein unterwegs. Ich habe viele Menschen an meiner Seite, die dem gleichen Ziel entgegengehen. Und vor allem: Ich habe Gott an meiner Seite. Auch in den vielen Menschen, die mit mir auf dem Weg sind. Mit so einer starken Gemeinschaft um mich herum kann ich auch was riskieren!
Dann habe ich Mut!

Aktuelles aus der Pfarrgemeinde

www.moedling.evangab.at

Bildregie: Thomas Bogensberger

gottesdienst@orf.at