Tafel

Ursulinen - Innsbruck

„Ich kann nicht schweigen…“

Aus dem Wirtschaftskundlichen Realgymnasium Ursulinen in Innsbruck wurde der Katholische Gottesdienst übertragen. Was ist Gerechtigkeit? Und was kann ich verändern, hin zu mehr Gerechtigkeit in der Welt? Am Tag des Weltjugendtreffens in Panama haben sich die Jugendlichen mit genau diesen Fragen auseinandergesetzt. Mit den Schülerinnen und Schülern feierte Diözesanbischof Hermann Glettler.

Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen katholischen Privatschulen gestalten in ihren Klassen Tafelbilder zum Thema Gerechtigkeit, Bischof Hermann Glettler wird diese Bilder, auch als Grundlage seiner Predigt nehmen.

Gottesdienstübertragung

Vorbericht des Gottesdienstes

Um Zions willen werde ich nicht schweigen

Lesung: Jes 62, 1-5

Um Zions willen werde ich nicht schweigen, um Jerusalems willen nicht still sein,bis hervorbricht wie ein helles Licht seine Gerechtigkeit und sein Heil wie eine brennende Fackel.
Dann sehen die Nationen deine Gerechtigkeit und alle Könige deine Herrlichkeit.
Man ruft dich mit einem neuen Namen,
den der Mund des HERRN für dich bestimmt.
Du wirst zu einer prächtigen Krone in der Hand des HERRN, zu einem königlichen Kopfschmuck in der Hand deines Gottes.
Nicht länger nennt man dich „Verlassene“
und dein Land nicht mehr „Verwüstung“,
sondern du wirst heißen: „Ich habe Gefallen an dir“ und dein Land wird „Vermählte“ genannt.
Denn der HERR hat an dir Gefallen und dein Land wird vermählt. Wie der junge Mann die Jungfrau in Besitz nimmt,
so nehmen deine Söhne dich in Besitz.
Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich.

Füllt die Krüge mit Wasser

Evangelium: Joh 2, 1-11

In jener Zeit fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt und die Mutter Jesu war dabei. Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen. Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr.
Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau?

MUSIK

Einzug/Kyrie: „Can’t you see the changes“ von Marco E.Birkner

Gloria von Andreas Mikula

Meditation: Glad over us von Marco E. Birkner

Halleluja/Psalm 96 von E. Baranger

Sanctus: Heilig, heilig, heilig, Herr GL 715,3

Agnus Dei: Joy and Peace in Believing von Peter Philipp

Begleitgesang zur Kommunion: No Excuses von Marco E.Birkner

Lied zur Sendung/Auszug: Can’t you see the changes von Marco E.Birkner

Es musizierte die Schülerband des PORG-Volders unter der Leitung von Marco Birkner.

Meine Stunde ist noch nicht gekommen.
Seine Mutter sagte zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut! Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, wie es der Reinigungssitte der Juden entsprach; jeder fasste ungefähr hundert Liter. Jesus sagte zu den Dienern: Füllt die Krüge mit Wasser!
Und sie füllten sie bis zum Rand.
Er sagte zu ihnen: Schöpft jetzt und bringt es dem, der für das Festmahl verantwortlich ist! Sie brachten es ihm.
Dieser kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wusste nicht, woher der Wein kam; die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es. Da ließ er den Bräutigam rufen und sagte zu ihm: Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zu viel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt aufbewahrt. So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn.

Neuer Wein, neue Freude, neue Hoffnung!

Tolles Zeichen!

Predigt

Bei meiner Antrittsrede als Bischof habe ich Euch junge Leute aufgefordert: „Macht bitte mehr Lärm in der Kirche! Fordert euren Platz ein und meldet euch zu Wort.“ Ihr habt es getan. In der Vorbereitung des heutigen Gottesdienstes habt ihr nachgefragt, was Gerechtigkeit bedeutet. Das ist keine theoretische Diskussion. Es geht um Leben! Ein Leben in Würde mit Chancen für Alle! Einiges habt ihr auf Tafelbildern aufgeschrieben.
Ich kann nicht schweigen!
Jesaja spricht nicht mit wohl temperierter Stimme. Er schreit leidenschaftlich und ist überzeugt, dass Gott den Schrei der Armen hört. Aber, Hand aufs Herz: Wer schreit denn wirklich? Sind wir nicht oft auch Teil einer „globalisierten Gleichgültigkeit“, wie Papst Franziskus in Lampedusa gefragt hat, Teil einer Weg-Schau-Gesellschaft?

Greta Thunberg, eine erst 15-jährige Schwedin, hat sich beim internationalen Klimagipfel in Kattowice vor einem Monat unmissverständlich zu Wort gemeldet: „Ihr, die Mächtigen der Welt, sorgt euch um eure Popularität und sagt nicht die Wahrheit. Unsere Zivilisation wird geopfert, um den Luxus von ganz wenigen fortzusetzen. Damit muss jetzt Schluss sein!“
„Ich kann nicht schweigen!“ Steht auf euren Tafelbildern – zur Armut, zur Verschwendung von Ressourcen, zur Umweltverschmutzung und Tierquälerei, … Ihr fordert: Gleiche Rechte für Alle! Mobbing soll es nicht mehr geben! Die Zerstörung der Natur soll aufhören. Der Welthunger muss gestoppt werden! Ich weiß, dass das für euch nicht hohle Phrasen sind. Ihr träumt mit Recht von einer gerechteren Welt! Ihr seid sensibel genug, ihr wollt: Hinschauen, Aufzeigen, Aufstehen!
Maria hat bei der Hochzeit von Kana auch nicht weggeschaut. Sie trat an Jesus heran mit der klaren Ansage: „Sie haben keinen Wein mehr!“ Bei einer orientalischen Hochzeit eine Katastrophe. Das Fest ist damit zu Ende. Sie meint aber weit mehr: Sie haben keine Lebensfreude mehr, keine Gemeinschaft, sie haben nichts, was sie leben lässt! Viele junge Leute haben den Eindruck, dass ihr Leben wenig Sinn macht, dass sie nicht gefragt.
All das sind keine netten Kommentare, sondern freche, fordernde Stimmen. Bitte hört nicht auf, Euch zu Wort zu melden. Wichtig ist die Vision einer gerechteren Welt und ein leidenschaftliches Engagement dafür. Trotzdem erleben wir immer wieder Ohnmacht.
Was Er euch sagt, das tut!
Was kann man denn schon tun? Die Versuchung, zu resignieren, ist groß. Alles hinschmeißen und sich ein gemütliches Leben machen: „Oida, Hauptsoch mir geht´s guat!“ Oder Menschen werden aggressiv, wenn sie mit ihrer Meinung nicht durchkommen. Viele Visionen für mehr Gerechtigkeit sind im Laufe der Zeit zu Ideologien oder zu zerstörerischen Bewegungen verkommen. Mit Gewalt lässt sich keine gerechtere Welt aufbauen.
Maria, die Mutter Jesu, gibt eine klare Anweisung: „Was Er euch sagt, das tut!“ Das ist entscheidend! In der Flut der vielen verwirrenden Stimmen, der Fake-News und der vielen stressigen Ansprüche und Forderungen: Auf Jesus hören! Wenn du runterkommst und still wirst, kannst du ihn hören. Seine Worte sind voll Leben und meist nicht kompliziert. „Füllt die Krüge mit Wasser!“ Gott fordert keine Topleistung und nichts Unmögliches. Das Wasser meint all das, was du geben und mit anderen teilen kannst – auch wenn es dir total wenig zu sein scheint. Und dann passiert das Entscheidende: Verwandlung! Gott wirkt im Verborgenen. Etwas Neues ist da, das sich niemand erklären kann. Neuer Wein, neue Freude, neue Hoffnung! Tolles Zeichen!
Gott kann deine Ohnmacht verwandeln. Die Grenzen, die du erlebst, werden dich nicht mehr zermürben. Wenn du müde und ausgepowert bist, schenkt er dir neue Kraft. Den lähmenden Frust verwandelt er in neue Power. Das sind nicht hohle Phrasen, denn: Jesus hat sich selbst in die Waagschale der Gerechtigkeit geworfen. Denken wir an seine leidenschaftlichen Worte und Taten, mit denen er Gedemütigte aufgerichtet und in die Mitte der Gesellschaft geholt hat. Mehr noch: Er ist vor dem Kreuz nicht davongelaufen. Es war notwendig, um die Welt von innen her zu verwandeln. Es war notwendig, um unsere Herzen zu verändern. Er hat uns gerecht gemacht!
Wie wollen wir etwas verändern?
Eure Vorschläge sind beeindruckend: Einander motivieren! Den Stolz ablegen und voneinander lernen! Faire Bedingungen für alle schaffen! Gespräche führen, auch wenn es mühsam ist. Zivilcourage zeigen! Sich für Schwächere einsetzen! Ja, tatsächlich, wir können etwas tun!
Die entscheidende Frage ist, ob wir auch selbst zur Veränderung bereit sind? Mahatma Gandhi hat gesagt, dass du selbst die Veränderung, die du wünscht, leben musst. Sich empören und Forderungen an Andere stellen, ist einfach – aber, sich selbst in die Waagschale werfen, Verantwortung übernehmen? Das ist entscheidend! Don´t change the world – change your world!
Es kommt auf dich an, auf deinen Glauben, auf deine Vision, auf die Weite deines Herzens – auf deinen Einsatz! Das Wasser in die Krüge schütten bedeutet, dich selbst zu geben – mit allen deinen Begabungen und Stärken, aber auch mit deinen Schwächen und Unfertigkeiten. Du musst nicht perfekt oder weltmeisterlich sein. Dein Geist und dein Herz sind gefragt! Nochmals Greta Thunberg dazu: „Niemand ist zu klein oder zu unbedeutend, um einen Unterschied zu machen.“
Abschließend nochmals der gewaltige Zuspruch aus dem Jesajatext: „Gott wird seine Gerechtigkeit, sein Recht und sein Heil wie ein Licht aufstrahlen lassen. Er ruft dich mit einem neuen Namen. Gott freut sich über dich!“ Mit seiner Hilfe kämpfen wir für eine gerechtere Welt!

Bildregie: Thomas Bogensberger

religion@orf.at