Altartisch am Falkertsee

Veronika Hofer-Stein

‚Dem Himmel nah, die Seele weit‘

Vom Falkertsee/Kärnten in 1870 Meter Seehöhe wurde der Evangelischer Gottesdienst von ORF2 und ZDF übertragen. Mit der Gemeinde feierten Bischof Michael Bünker und Pfarrer Uwe Träger.

Aufatmen, entspannen, die Ruhe der ewigen Berge genießen, den Alltag vergessen - deshalb zieht es viele Urlauber und Erholungssuchende Jahr für Jahr in die Alpen. Ein beliebtes Ziel ist der Falkertsee, ein idyllischer Bergsee auf einer Seehöhe von 1800 Metern mitten in den Kärntener Nockbergen. Urlauber und Bewohnern der umliegenden Gemeinden feiern hier gemeinsam einen Gottesdienst unter freiem Himmel.

Das ist mein lieber Sohn; den sollt ihr hören

Markus 9,2-10

Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus, Jakobus und Johannes und führte sie auf einen hohen Berg, nur sie allein. Und er wurde vor ihnen verklärt; und seine Kleider wurden hell und sehr weiß, wie sie kein Bleicher auf Erden so weiß machen kann. Und es erschien ihnen Elia mit Mose, und sie redeten mit Jesus. Und Petrus antwortete und sprach zu Jesus: Rabbi, hier ist für uns gut sein; wir wollen drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. Er wusste aber nicht, was er redete; denn sie waren verstört. Und es kam eine Wolke, die überschattete sie. Und eine Stimme geschah aus der Wolke: Das ist mein lieber Sohn; den sollt ihr hören! Und auf einmal, als sie um sich blickten, sahen sie niemand mehr bei sich als Jesus allein. Als sie aber vom Berg herabgingen, gebot ihnen Jesus, dass sie niemandem sagen sollten, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn auferstünde von den Toten. Und sie behielten das Wort und befragten sich untereinander: Was ist das, auferstehen von den Toten?

Musik

In die Berg bin i gern

Geh aus, mein Herz, und suche Freud
EG 503

Almrauschbist a schön`s Bleamal

Der Tag hat sich geneigt

Dem Himmel sei Dank

Komme von himmlischen Höhen nieder

Psalmenlied: Ja wer lebt denn nit gern

Glabatscher Wegkreuzliad

Großer Gott, wir loben dich
EG 331/ GL 380

Übern See sing i ume

Unterm Falkert dar See drin

Herr erbarme dich
EG 178.11

Geh aus mein Herz, und suche Freud
EG 503

Dona nobis pacem
EG435

Musikalische Gestaltung:

Singgemeinschaft Nockklang
Leitung: Brigitte Böhme

Männerchor der Singgemeinschaft Nockklang
Leitung: Gerhard Gfrerer

Bläsergruppe der Trachtenkapelle Patergassen
Leitung: Michael Krampl

Was macht der Berg mit mir? Warum gehen Menschen auf den Berg oder auf die Alm?

Marie Christin Ortner: Ich bin Jesus näher, bin Mutter Natur nahe, sehe Tiere und Pflanzen besser, Enzian und Almrasseln, am Berg kann ich tief einatmen und ausatmen, das tut mir gut, bin mit meiner Familie zusammen, das geht oft wegen viel Arbeit nicht.

Lena Saringer: Ich kann am Gipfelkreuz beten, fühle mich frei, kann träumen, genieße die Natur, mache Sport, vergesse den Stress des Alltags.

Lara Bacher: „Ich habe oft anstrengende Schultage, muss viel lernen, dann helfe ich noch auf dem Bauernhof meiner Eltern. Das wird mir dann alles zu viel. Ich habe nicht immer die Zeit, auf den Berg hinaufzugehen, aber manchmal reichen ein paar Schritte hinauf ... dann komme ich auf andere Gedanken.“

Christlicher Glaube ist beides: Erdverbunden und himmelstürmend

Predigt

Ja, hier ist gut sein. Wer wollte nicht einstimmen in den begeisterten Ausruf des Petrus, als er mit Jesus den Gipfel des Berges Tabor erreicht hatte. Hier ist gut sein.
Lena, Marie-Christin und Lara haben uns berichtet, warum sie gerne auf den Berg gehen, bis ganz hinauf, bis zum Gipfel und dort unter dem Kreuz verweilen. Wo sonst sind wir dem Himmel so nah? Weit über allem, was uns Tag für Tag beschäftigt und bedrängt. Fast schon in und über den Wolken, über denen nach dem bekannten Lied von Reinhard Mey die Freiheit wohl grenzenlos sein muss. Der Blick geht ungehindert in die Weite. Diese Weite macht auch das Herz weit, macht die Seele weit. Hier ist gut sein!
Ein anderer Blick auf die Welt. Auf mich selbst, auf mein Leben, auf die Menschen neben mir. Diesen anderen Blick suchen die Menschen, diesen anderen Blick brauchen sie. Sie entdecken, was wirklich wichtig ist. Sie sehen die einmalige Schönheit der uns anvertrauten Schöpfung. Sie kehren verwandelt in ihre Alltagswelt zurück.
Da ist es kein Wunder, dass heute so viele die Berge aufsuchen. Auch hier am Falkert ist das so. Noch ohne Strom und ohne geeignete Straße wurde hier vor rund fünfzig Jahren das erste Hotel gebaut. Der Pioniergeist und Mut von Hermann Köfer hat es möglich gemacht und heute führen seine Kinder und Enkel das Haus.
Aber das ist relativ neu! Früher – viel früher - sind die Menschen überhaupt nicht auf die Berge gestiegen, wenn sie es nicht mussten. Höchstens die Hirten und Jäger, aber auch die nur, wenn es unvermeidlich war.
Hier in den Alpen beginnt das Wandern und Bergsteigen erst vor zweihundert Jahren. Aber die Geburtsstunde des Alpinismus liegt noch einmal weiter zurück. Man kann es ganz genau angeben: Es war der 26. April im Jahr 1336. Da bestieg der italienische Dichter und Gelehrte Francesco Petrarca einen mittelhohen Berg, den Mont Ventoux in der Provence in Südfrankreich.
Der Mont Ventoux steht weithin allein da und bietet daher einen wunderbaren Weitblick in alle Richtungen. Petrarca war nur aus Lust und Neugier auf den Berg gestiegen, freiwillig und „lediglich aus Verlangen“. In einem Brief an einen Freund beschreibt er sein Erlebnis.
Für viele gilt dieser Tag auch als ein Wendepunkt vom Mittelalter zur Neuzeit. Auf dem Berg entdeckt der Mensch die Schönheit der Natur und damit auch sich selbst in ganz neuer Weise. Ein neues Zeitalter hatte begonnen und das hatte seine Auswirkungen bis heute.
Hier ist gut sein! Hier wollen wir Hütten bauen!
Gleich drei Hütten will Petrus bauen! Ein kleines Dorf mitten am Gipfel des Berges Tabor. Der Tourismus zeigt heute seine Schattenseiten. „Overtourism“, Übertourismus, wird das genannt.
Das betrifft nicht nur Venedig, die Getreidegasse in Salzburg oder Hallstatt, sondern auch die Berge. Was sich am höchsten Berg der Welt, dem Mount Everest heuer abgespielt hat, haben wir alle sehen können. Lange Warteschlangen vor dem letzten Aufstieg zum Gipfel, lebensgefährlich für viele. In der Schweiz überlegt man an manchen Bergen, wie etwa der Rigi oder dem Titlis, Zugangsbeschränkungen einzurichten. Es sind einfach zu viele, die da hinauf wollen.
Da geht es auch ums Maßhalten, um die Bewahrung der Schöpfung. Das ist heute notwendiger denn je. Auch auf den Bergen. Hier ist gut sein! Hier wollen wir bleiben und Hütten bauen! So reagiert Petrus auf das überwältigende Erlebnis am Berggipfel, als er plötzlich dem Himmel nahe war wie nie zuvor, ja, den offenen Himmel erlebte mit Elia und Mose, die sich zu Jesus stellen.
Damit sind die drei Bergsteiger der Bel genannt. Mose, der am nebelverhangenen Sinai die Tafeln der Zehn Gebote erhielt. Elia, der am Berg Horeb auf Gott wartete und überrascht wurde, weil Gott nicht im Sturm und im Feuer, sondern in einem stillen, sanften Sausen gegenwärtig war, und jetzt Jesus, der von einem himmlischen Licht erleuchtet wird. Gottes Sohn unter den Menschen.
Was für ein Gipfelerlebnis! Petrus war nicht nur dem Himmel nahe, er war mitten drinnen! Alles rundherum war völlig bedeutungslos geworden. Hier ist gut sein! Hier möchte ich bleiben! Ich denke, das ist die tiefste Sehnsucht aller Religion. So einen Ort zu haben, an dem die ganze Welt völlig unwichtig wird und nur noch mein Erlebnis unter dem Himmel zählt.
In vielen Gipfelbüchern finden wir diese Sehnsucht. Wenn Menschen schreiben, dass sie hier, hier am Berggipfel, Gott bestimmt näher sind als unten im Tal. Hier in der Einsamkeit näher als mitten unter den Menschen. Religion als Aussteigen aus der Welt und Aufsteigen zum Himmel.
Aber, wie so oft, Petrus macht seine Rechnung ohne den Wirt. Jesus hat nicht vor, ihm dieses Gipfelerlebnis dauerhaft zu schenken. Wir bleiben hier nicht. Wir steigen wieder hinunter. Wir gehören hier nur für eine bestimmte Zeit her, nur so lange, damit wir wieder zu den Menschen gehen können. Dort gehören wir hin.
Das religiöse Gipfelerlebnis ist wichtig. Aber es steht nicht allein. Der Aufstieg zum Himmel braucht dann wieder den Abstieg zu den Menschen. Beides gehört zusammen. Zum Himmel aufsteigen, die weite Seele fliegen lassen, damit wir verwandelt und verändert wieder herunter kommen.
Christlicher Glaube ist beides: Erdverbunden und himmelstürmend. Hoch hinaus und ganz hinunter.
Was nehmt ihr mit, wenn ihr von diesem Berg wieder hinunterkommt? Ihr nehmt mit, dass Gott uns Orte und Zeiten schenkt, an denen wir Kraft schöpfen, an denen wir uns und unsere Welt anders sehen lernen, an denen unsere Seelen weit werden, unbegrenzt und frei. Mit Jesus, dem Bergführer unseres Glaubens, wird uns das geschenkt. Damit wir verändert sind und so anders sein können, die Dinge ändern können, immer dem Leben dienen, der Gemeinschaft, dem Wohl der Menschen und dem Lob Gottes. Amen.

Bildregie: Thomas Bogensberger

gottesdienst@orf.at