Gehängt und gefeiert: Wer war der hl. Koloman?

Vom Opfer mittelalterlicher Fremdenfeindlichkeit zum Schutzpatron Österreichs: Wenige Heilige haben eine derart steile „Karriere“ gemacht wie der Märtyrer Koloman. Gefeiert wird er am Tag der Umbettung seines Leichnams.

Genau 1.000 Jahre ist es her, dass der - der Legende nach unverweste - Leichnam des heiligen Koloman im Jahr 1014 von Stockerau nach Melk überführt und dort bestattet wurde. Diese „Translatio“ wurde im niederösterreichischen Stift Melk am Wochenende groß gefeiert. Das Hochfest des heiligen Koloman, der Kolomanitag, wird an seinem Begräbnistag, dem 13. Oktober, gefeiert. Koloman (Coloman) war ein irischer Pilger, der im Jahr 1012 im Zuge einer Wallfahrt nach Jerusalem durch das Grenzgebiet des Heiligen Römischen Reiches und damit durch die Babenbergermark - somit auch durch das heutige Österreich - zog.

Eingesperrt, verurteilt, hingerichtet

Der Überlieferung nach wurde Koloman von der Bevölkerung in Stockerau wegen seiner andersartigen Kleidung und seiner fremden Sprache für einen Spion aus Mähren gehalten, eingesperrt, von einem Richter rasch zum Tod verurteilt und an einem Holunderstrauch aufgehängt. Anscheinend hatte man es damit so eilig, dass weder der zuständige Bischof noch der Markgraf verständigt wurden.

Ausschnitt des Babenbergers Stammbaums mit Markgraf Heinrich I. (li.) und der Hinrichtung des Hl. Koloman (re.)

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Ausschnitt aus dem Babenberger Stammbaum im Stift Klosterneuburg: Markgraf Heinrich I. (l.) und die Hinrichtung Kolomans (r.)

Wie plausibel ist diese Geschichte? Recht plausibel, sagte Meta Niederkorn, Koloman-Expertin und Professorin für mittelalterliche Geschichte an der Universität Wien, im Gespräch mit religion.ORF.at. Zum einen sprechen zeitlich nahe Quellen von der Geschichte, zum Beispiel die Chronik des Thietmar von Merseburg aus dem Jahr 1017. Zum anderen stimmten die Rahmenbedingungen: „Das Bistum Passau hatte die entsprechende Struktur, auch der Einfluss des Markgrafen war da“, das Geschehen passe in die Zeit und die politischen Umstände des Raumes, so die Historikerin.

Wunderlegenden rund um den Leichnam

Als zum Tode Verurteilter wurde Koloman nicht begraben, sein Leichnam blieb an dem Baum hängen. Ein gutes Jahr danach soll sich ein erstes Wunder ereignet haben: Ein Vater erfuhr laut Überlieferung im Traum, dass sein krankes Kind geheilt würde, wenn er Fleisch und Blut aus dem Körper des Toten hole und das Kind damit bestreiche, erzählt die Koloman-Kennerin Niederkorn. Der Leichnam soll nicht verwest gewesen und warmes Blut herausgeflossen sein. Das kranke Kind wurde in der Legende nach der entsprechenden Behandlung geheilt.

Ausschnitt aus dem Dürer-Holzschnitt "Die Schutzheiligen von Österreich", um 1625 zeigt die Heiligen Koloman und Leopold

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Albrechts Dürers Holzschnitt „Die Schutzheiligen von Österreich“ (1515, Nachdruck von ca. 1625) mit den Heiligen Koloman (l.) und Leopold (r.)

Danach habe man Koloman bestattet, so Niederkorn. Auf das erste folgte rasch ein zweites Wunder: Ein Hochwasser in der Region soll vor Kolomans Grab haltgemacht und es nicht überspült haben.

Landespatron von Österreich

Markgraf Heinrich I., ein Babenberger, ließ den nun als heilig geltenden Märtyrer ausgraben und nach Melk bringen, wo er im Bereich der Babenbergerburg bestattet wurde. Daran müsse auch die kirchliche Obrigkeit beteiligt gewesen sein, so Niederkorn. Die Expertin sieht darin den Versuch, ein zu spät erkanntes Unrecht an dem Pilger, der sich nun auch noch als Heiliger entpuppte, einigermaßen wiedergutzumachen. Zudem galten Pilger im Mittelalter eigentlich als unantastbar; durch die Tötung Kolomans war ein Rechtsgrundsatz verletzt worden.

In die Kirche des Benediktinerklosters in Melk, das 1089 gegründet wurde, wurde Koloman 1170 verlegt. Seit dem 12. Jahrhundert galt er in der Bevölkerung als Schutzpatron. Einen entscheidenden Impuls hierfür brachte die Verehrung durch den Abt Berthold von Garsten, der 1122 Kolomans Grab besuchte. „Danach setzte die Verehrung richtig ein“, so die Historikerin. Koloman tauchte in Texten auf, und er wurde im Kalender des bayerischen Klosters Tegernsee geführt.

Buchhinweis

Meta Niederkorn-Bruck (Herausgeberin): Ein Heiliger unterwegs in Europa: Tausend Jahre Koloman-Verehrung in Melk (1014-2014). Böhlau, 528 Seiten, 49 Euro.

Im Jahr 1244 machte Herzog Friedrich II. Koloman zum Landespatron von Österreich ob und unter der Enns. Der Herzog, der wohl die Errichtung eines neuen Bistums in der Osthälfte der Passauer Diözese plante, wollte Koloman auch kanonisch heiligsprechen lassen. Das Grab eines wichtigen Heiligen hätte zu diesen Plänen beitragen können. Doch nach dem Tod Friedrichs II. im Jahr 1246 versandeten die Bemühungen, Koloman zu kanonisieren. Er durfte jedoch per Dekret aus Rom als Heiliger verehrt werden.

Durch heiligen Leopold ersetzt

Im Jahr 1663 wurde der irische Märtyrer als Landespatron von Österreich durch den heiligen Leopold ersetzt - Kaiser Leopold I. favorisierte seinen Namenspatron. Doch noch in einem Kalender des Jahres 1745 finde sich Koloman gleichbedeutend neben Leopold, sagte Niederkorn zu religion.ORF.at. Er ist bis heute Stadt- und Stiftsheiliger Melks sowie Stadtpatron von - Ironie der Geschichte - Stockerau.

Hollerbaum an dem Koloman vor rund 1000 Jahren aufgehängt wurde

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Der Holunderbaum, an dem Koloman aufgehängt worden sein soll

Kolomans Attribut als Heiliger ist eine Liane oder Schlinge als Hinweis darauf, wie er zu Tode kam. Er wird auf Abbildungen in Pilgerkleidung dargestellt. Im Garten des Klosters der Steyler Missionsschwestern St. Koloman in Stockerau kann man heute noch einen ausgewachsenen Holunderstrauch besichtigen, an dem einst der Märtyrer sein Leben ausgehaucht haben soll - zumindest gilt der Baum als der direkte „Vorfahre“ jenes Strauchs.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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