„Ida“, die jüdische Nonne

Das Jüdische Filmfestival Wien zeigt zum Ende einer 16-tägigen Filmschau den preisgekrönten Film „Ida“, ein Drama über eine Nonne auf der Suche nach dem Grab ihrer jüdischen Eltern.

Anna ist eine Waise, sie wächst in einem Konvent auf. Die 18-jährige Novizin steht kurz vor ihrem Gelübde, doch bevor sie ihr Leben in den Dienst von Gott, der Kirche und der Gemeinschaft stellt, schickt ihre Äbtissin sie zu ihrer einzigen noch lebenden Verwandten, ihrer Tante Wanda. Es beginnt eine Reise, die Annas und Wandas Leben verändern wird.

Ein ungleiches Paar

Der Schwarz-Weiß-Film spielt in Polen im Jahr 1962. Bei ihrer Tante Wanda angekommen, erfährt Anna, dass sie in Wahrheit Ida heißt. Mit den Worten „Also du bist eine jüdische Nonne?“, klärt Wanda ihre Nichte über ihre Herkunft und den Mord an ihren Eltern auf. Anna, jetzt Ida will das Grab ihrer Eltern besuchen, ihren Wurzeln nachspüren. Also macht sich die kleine Familie auf die Reise, um herauszufinden, wo und wie ihre Verwandten im von den Deutschen besetzen Polen starben.

Die Novizin Ida und ihre Tante Wanda

Jüdisches Filmfestival

Wanda und ihre Nichte Ida bei der Polizei

Tante und Nichte sind ein ungleiches Paar, als sie sich treffen, prallen zwei Welten aufeinander. Ida ist religiös, gläubig, unaufdringlich. Die Richterin Wanda ist dem Alkohol verfallen, raucht und hat ein reges Sexleben. Wanda ist nicht kühl, sondern hart - früher war sie als die „Rote Wanda“ bekannt, eine gefürchtete parteitreue Richterin in den Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg.

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Jüdisches Filmfestival Wien

Religion.ORF.at begleitet das Jüdische Filmfestival Wien als Medienpartner und berichtet über ausgewählte Programmpunkte.

Jüdisches Filmfestival Wien 2015

„Jesus hat Frauen wie mich geliebt“

Zwischen den Frauen kommt es einmal zu einer Auseinandersetzung, als Wanda nachts betrunken ins Hotelzimmer kommt. „Ich dachte, wir sind wegen meinen Eltern hier“, sagt Ida. Wanda wird daraufhin wütend: „Ich verstehe. Du bist der Engel und ich eine Hure“, wirft sie der jungen Novizin vor: „Aber Jesus hat Frauen wie mich geliebt.“

Die Szene ist eine der wenigen, in der sich die ruhige, bedachte Ida von einer anderen Seite zeigt. Als Wanda in Idas Bibel lesen will, um ihre Argumente zu untermauern, entreißt die Nichte sie ihr und stürmt aus dem Zimmer. Die Suche nach den Spuren von Idas Eltern und Wandas Schwester ringt beiden Frauen viel Kraft ab.

Katholizismus und Antisemitismus

„Ida“ ist ein Film über Antisemitismus, Katholizismus, Kommunismus sowie die Nachwehen des Zweiten Weltkrieges, erzählt anhand der Lebensgeschichten zweier Frauen, die vom Schicksal gebeutelt wurden. Aber der 2013 produzierte Film handelt auch von Identität, Hingabe und Liebe - nicht nur die zu Gott. Ida lernt auf der Reise einen jungen Musiker, den Saxophonisten Lis, kennen und fühlt sich von ihm angezogen. Doch erst nach einer tragischen Wende am Ende des Filmes nähert sich Ida Lis.

Filmhinweis

„Ida“ am Donnerstag, 22.10. um 21.00 Uhr im De France Kino in Wien. Der Abschlussfilm im Programm des Jüdischen FIlmfestivals.

Der Spielfilm leistet gerade durch seine nicht anklagende, ruhige, versöhnliche Art einen Beitrag zur Aufarbeitung der polnischen Geschichte der Kriegs- und Nachkriegszeit, zur Vergangenheitsbewältigung, könnte man sagen. In Polen wurde der Film jedoch von vielen Menschen gänzlich anders aufgenommen.

Mehr als 40.000 Menschen unterzeichneten eine Petition, in der eine Nachbesserung des Filmes verlangt wurde. „Ida“ werfe ein schlechtes und vor allem falsches Bild auf Polen. Durch die Rolle, die die polnischen und katholischen Nachbaren beim Tod der jüdischen Familie im Film spielen, würde die Verantwortung an der Gräueltaten während des Krieges den Polen zugeschoben.

Würdiger Abschluss

International bekam der Film allerdings viel positives Echo, der preisgekrönte Film „Ida“ gilt als einer der erfolgreichsten polnischen Filme seit Jahren. Dem polnischen Filmregisseur Pawel Pawlikowski gelang mit Agata Trzebuchowska als Wanda und Agata Kulesza als Ida in der Hauptrolle ein Drama, das bis ins Mark berührt, aber nicht verzweifeln lässt.

„Ida“ gewann den Europäischen Filmpreis 2014 und 2015 den Oscar für den besten ausländischen Film. Der Film überzeugt mit beeindruckenden Bildern und sparsam eingesetzten Dialogen: Die Geschichte von Ida und Wanda ist ein gut gewählter und würdiger Abschluss für das Jüdische Filmfestival Wien.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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