Abt, Patres und Ministranten zu Weihnachten vor dem Hochaltar

Stift Seitenstetten

„Betlehem ist überall“

In der Stiftskirche Seitenstetten in Niederösterreich feierten Abt Berthold Heigl und Prior Michael Prinz mit der Gemeinde ein festliches Hochamt zur Menschwerdung Gottes. Sie luden ein, sich auf einen Weg zu machen.

Gott begegnet den Menschen anders, als sie es erwarten. Der ersehnte König ist ein kleines Kind. Geboren in einem Stall. Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.

Sich aufmachen

Dieses Bethlehem, die Begegnung mit Gott auf Augenhöhe, die den Menschen guten Willens Frieden bringt, kann überall sein. Auch heute. Und das feiern Christen zu Weihnachten. Abt Berthold und Prior Michael luden ein, sich so wie die Hirten und Weisen aus dem fernen Osten auf den Weg zu machen, jeder und jede nach seinem und ihrem ‚Betlehem‘.

Musik

Franz Xaver Gruber: Missa in D

Gemeindegesang:

Nun freut euch, ihr Christen!

Heute ist uns der Heiland geboren

Alle Enden der Erde
schauen Gottes Heil

Stille Nacht, heilige Nacht

Es ist ein Ros entsprungen

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Chor und Orchester der Stiftskirche Seitenstetten

Stiftsorganist:
Pater Florian Ehebruster

Musikalische Leitung:
Pater Franz Hörmann

1. Lesung: Jesaja 52
2. Lesung: Hebräer 1

Evangelium: Johannes 1

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.

Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Doch allen, die ihn aufnahmen, gab er die Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Menschen, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.

Predigt von Prior Michael

Was Weihnachten bedeutet, ist mir als jungem Priester in den Siebzigerjahren einmal ganz tief bewusst geworden, bei einem Urlaub in Mittersill im Pinzgau in Salzburg. In dem Haus, wo ich mich mit meinen Eltern einquartiert hatte, machte auch ein junges Paar aus Kempten im Allgäu Urlaub. Von ihren unzähligen Koseworten füreinander habe ich mir leider nur mehr „mein Hutschnürli“ gemerkt. Ich hatte vor, während des Urlaubs auch zur St.Pöltner Hütte am Felbertauern hinaufzugehen. Ich lud das junge Paar ein mitzugehen. In der faszinierenden Bergwelt begann er zu schwärmen: „Da oben ist die Welt noch in Ordnung.“ Ich fand, sein Gefühl war ähnlich dem meinen, das mich in der Natur oft überkommt. Ich spüre in der grandiosen Welt der Berge etwas von der Größe und Nähe Gottes.
Damals kam mir aber der Gedanke: Nicht nur da oben ist uns Gott nahe, wo es kaum Menschen gibt. Gott ist auch in den Niederungen unseres Lebens, wo es oft so menschelt. Wir Christen glauben ja, dass Gott unter uns Menschen Mensch geworden ist, und das feiern wir heute, zu Weihnachten. Gott ist Mensch geworden, nicht in einer idyllischen Welt, sondern in armen Verhältnissen, in einem ungemüt-lichen Stall in Betlehem mit Mist und Gestank.

Die Botschaft von Weihnachten lautet: Gott ist nicht nur in himmlischen Höhen, er ist auch herabgestiegen in eine Welt, aus der wir manchmal am liebsten davonlaufen möchten.
Der Heilige Franz von Assisi hat mit seiner Krippe in einer Höhle bei Greccio mit echtem Esel, Ochs und Futterkrippe, demonstrieren wollen, wo Gott Mensch geworden ist. Das ist der ganze Ernst des Satzes „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt."
Unsere Weihnachtskrippe hat als gemalten Hintergrund die Mostviertler Landschaft mit Stift und Sonntagberg. Auf ähnliche Weise vermitteln viele Krippen den Menschen die Botschaft, dass Gott in ihre Welt gekommen ist.

Betlehem ist überall. Auch in meinem persönlichen Lebensstall. Gott ist dort bei uns, wo wir arbeiten und leben, dort, wo wir uns wohl fühlen und uns gut verstehen, aber eben auch dort, wo wir uns schwer tun miteinander und uns plagen. Und wo einer unter uns leidet, leidet Gott mit.
Gott ist mitten im Elend der Armen, und nicht nur dort, wo sie lieb sind zueinander, und leidet mit ihnen.
Gott ist in den Krankenzimmern und an den Sterbebetten, an den liebevoll betreuten aber auch an anderen, und Gott weiß, wie es den Kranken geht.
Gott ist in den Familien, die sich gut vertragen, aber nicht nur dort, wo Güte und Liebe wohnen.
Gott ist bei uns bei Arbeiten, die uns erfüllen, aber auch in der schmutzigen Fabrikhalle, in Sälen, wo Frauen oder sogar Kinder unter Stress Akkordarbeit verrichten.
Gott ist mitten unter Nachbarn, die sich gut verstehen, aber auch unter solchen, die sich nicht vertragen, ja Gott ist sogar in der Hölle des Krieges und leidet mit den Opfern.

In welchem Milieu sich Gott aufhält, offenbart uns Jesus: „Er gibt sich mit Zöllnern und Sündern ab und isst sogar mit ihnen!“ sagten seine Gegner empört.
„Wie lange soll ich euch noch ertragen?“, klagt Jesus einmal und zeigt damit, dass es für ihn nicht immer ein Vergnügen war, unter Menschen zu sein.
Ganz deutlich wird das offenbar am anderen Ende des Weges Gottes mit den Menschen, am Kreuz, von dem er nicht herabsteigt, sondern an dem er unter den Menschen bleibt.

Christlicher Glaube bewährt sich also gerade dann, wenn wir es Gott zutrauen, dass er auch dort bei uns ist, wo es ziemlich menschelt. Das gilt auch für Gebet und Gottesdienst. Es ist schön, wenn uns die Natur zur Andacht drängt. Die Botschaft von Weihnachten lädt uns aber ein, auch dort und gerade dort an Gottes Gegenwart zu glauben, zu beten und mitzufeiern, wo Menschen mit all ihren Schwächen und Fehlern zum Gottesdienst versammelt sind, einander stören, ja einander nerven. Wenn Gott Mensch geworden ist, müssen wir ihn gerade unter den Menschen suchen.

Betlehem ist überall, denn Gott ist uns immer und überall in der Liebe nahe. Dieser Glaube kann das Dunkel der Welt erhellen, er kann auch einem Leben im Leid noch einen matten Glanz verleihen.
Das wollen die Krippendarstellungen ausdrücken, wenn sie, so wie unser Weihnachtsbild von Kremser-Schmidt, den Stall von Bethlehem mit viel Licht, En-gerl und Idylle verklären – nach der Aussage im Johannesevangelium „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen.“

Wir sollten aber nicht übersehen, dass auch wir dazu beitragen können und müssen, dass Betlehem überall ist.
Betlehem ist vor allem auch dort, wo es Menschen Gott nachmachen und sich in Liebe ihren Mitmenschen zuwenden, der Not nicht ausweichen, sondern solidarisch sind und Abhilfe schaffen. Betlehem ist dort, wo wir Welt und Menschen annehmen, wie sie sind, dort, wo wir einander in Liebe begegnen oder zärtlich zueinander sagen: „mein Hutschnürli“.
Schön kommt das in einem Text von Elke Bräunling zum Ausdruck:

Betlehem ist überall zu finden, wenn man sucht -
in dir, in mir, in jedermann, in allem, was man tut:
Freude schenken,
keinen kränken,
Glück erleben,
Hoffnung geben.
Betlehem ist überall.
Mach nur die Augen auf,
und du und ich und jedermann,
ein jeder kommt darauf:
Frieden wahren,
Leid erfahren,
dir vertrauen,
Angst abbauen.
Betlehem ist überall,
glaub´s nur, ja, es ist wahr.
Mach´s dir und mir und jedermann,
mach´s allen Menschen klar:
Liebe leben,
Schmerz zugeben,
Kummer teilen,
Wunden heilen.
Betlehem ist überall.

Stift Seitenstetten im Schnee bei Sonnenlicht

Stift Seitenstetten

900 Jahre Stift Seitenstetten

Die Benediktinerabtei wurde im Jahr 1112 von Udalschak von Still im Voralpenland des heutigen Niederösterreich gegründet.
Im Lauf der 9 Jahrhunderte seines Bestehens entwickelte sich Seitenstetten zum geistigen und wirtschaftlichen Zentrum, aber vor allem zum Bildungszentrum der Region. Die Benediktiner von Seitenstetten betreiben seit dem Mittelalter eine eigene Schule und betreuen vierzehn Pfarren.
Seit Jahrhunderten steht der ‚Vierkanter Gottes‘ - der Vierkanthof ist die übliche Form der großen Bauernhöfe dieser Region - auch wegen seiner einzigartigen Sammlung an Kunstschätzen, seiner besonderen Architektur und seines eindrucksvollen Hofgartens im Interesse vieler Besucher.

Näheres über die Pfarre

www.stift-seitenstetten.at

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Am Klosterberg 1
A - 3353 Seitenstetten

gottesdienst@orf.at

Redaktion und Bildregie

Thomas Bogensberger