Gottesdienst in modernem Raum aus Beton und Glas und Holz mit Löchern an der Wand und einem Fenster in Kreuzesform gleich hinter dem Altar

Adolf Reichel

„Wer geht - wer bleibt?“

Der traditionelle Evangelische Karfreitagsgottesdienst kam in diesem Jahr live aus der Martin Luther Kirche im niederösterreichischen Hainburg an der Donau. Mit der Gemeinde begingen Pfarrer László László und Superintendent Paul Weiland die besinnliche Stunde.

Manchmal kann man sich dem Unglück anderer nicht entziehen - so geht es Simon, der von römischen Soldaten angehalten wird, das Kreuz des erschöpften Jesus zu tragen. Bemerkenswerte Begegnungen am Todestag von Jesus standen im Mittelpunkt des Karfreitagsgottesdienstes aus der modernen Martin Luther Kirche von Coop Himmelb(l)au.

Pfarrer Laslo Laslo und Superintendent Paul Weiland am Altar

Pfarre Hainburg

László László und Paul Weiland

Pfarrer László László und Superintendenten Paul Weiland geht es neben dem Kreuzträger Simon auch um einen der Männer, die neben Jesus gekreuzigt sind: Zum einen um den, der in seinen letzten Lebensmomenten erkennt, wer da neben ihm stirbt, und für sein missglücktes Leben um Vergebung bittet. Zum anderen um den Hauptmann, der unter dem Kreuz Wache steht. Als sich die Sonne verdunkelt und der Vorhang des Tempels zerreißt, erkennt er die Bedeutung des Geschehens.

Pantomime Jean-Jaques Pascal sorgte für eine symbolträchtige Interpretation der Karfreitagsereignisse.

Heute wirst du mit mir im Paradies sein

Lesung: Lukas 23

Und als die Soldaten Jesus abführten, ergriffen sie einen Mann, Simon von Kyrene, der vom Feld kam, und legten das Kreuz auf ihn, dass er’s Jesus nachtrüge. Es folgte ihm aber eine große Volksmenge, auch Frauen, die klagten und beweinten ihn. Jesus aber wandte sich um zu ihnen und sprach: „Ihr Töchter von Jerusalem, weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder.“

Musik

Korn, das in die Erde

Kyrie eleison!

Ein Lämmlein geht
und trägt die Schuld

Oh große Not!

Oh Haupt voll Blut und Wunden!

Jesus Christus war Gott gleich

Jesus Christ,
Feuer, das die Nacht erhellt

Heilig

Christe, du Lamm Gottes

Jesu, meines Lebens Leben

Ensemble Alabo.at

Jugendchor Stimmband
Leitung: Joan Avery-Zedlacher

Orgel: Sybille von Both

Es wurden aber auch andere hingeführt, zwei Übeltäter, dass sie mit ihm hingerichtet würden. Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. Jesus aber sprach: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: „Er hat andern geholfen, er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes.“ Es verspotteten ihn auch die Soldaten, sie traten herzu und brachten ihm Essig und sprachen: „Bist du der Juden König, so hilf dir selber!“ Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: „Dies ist der Juden König.“ Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: „Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns!“

Da wies ihn der andere zurecht und sprach: „Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen, dieser aber hat nichts Unrechtes getan.“ Und er sprach: „Jesus, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ Und Jesus sprach zu ihm: „Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein.“

Ein Kreuz gemeinsam tragen

Predigt von Superintendent Weiland

Großer Aufruhr in der Stadt. Ein Spektakel für die einen, ein Drama für andere. Jesus ist gerade auf dem Weg hinaus aus der Stadt Jerusalem nach Golgatha, ein tragischer Weg. Es ist der Weg zum Ort seiner Hinrichtung. Begleitet von Hohn, Schlägen, Schmähungen und Folterungen. Sein Kreuz muss er selbst tragen. Die Last des Kreuzes ist schwer, alles zusammen einfach zu viel. Da hat selbst ein Soldat Mitleid.

Und so wird einer zufällig zum Kreuzträger. Simon von Kyrene. Er kennt Jesus nicht. Er kommt gerade vorbei, vom Feld, und einer der Soldaten wählt ihn aus: „Du, hilf ihm!“

Manchmal kann man sich dem Unglück anderer nicht entziehen. Und dann sind sie gemeinsam unterwegs, schleppen das Kreuz: Jesus, blutüberströmt, und Simon, ein junger, kräftiger Mann.

Ich stelle mir vor, Simon schleppt nicht nur das Kreuz, er redet dem entkräfteten Jesus auch gut zu, stützt ihn, steht ihm bei. Das ist verzweifelt wenig angesichts des Todes. Aber: Mehr kann er jetzt nicht tun. Das gemeinsame Kreuztragen macht solidarisch. Und immerhin: Er steht einem bei, den schon alle verlassen haben.

Vielleicht spiegelt sich diese Geschichte vom Kreuzträger wider Willen in einem Jesuswort wieder und lebt dort weiter: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“

Kreuztragen. Der, dem das Kreuz getragen wird, und der Kreuzträger, sie beide machen wichtige Erfahrungen. Die Erfahrung, die sagt, ich kann zulassen, dass ich am Ende meiner Kräfte bin, dass es mir zu viel ist.

Die Erfahrung, die auch sagt, ich kann Hilfe annehmen. Und die mich hoffen lässt, da ist vielleicht jemand, der mir beim Tragen meiner Last hilft.

Die Erfahrung des Kreuzträgers stellt mir die Frage: Habe ich auch diese Seite kennen gelernt, habe ich jemandem das Kreuz abgenommen, der neben mir unter der Last seines Leides fast zusammengebrochen ist? Oder habe ich schnell das Weite gesucht?

Für Simon gilt: So schwer das Kreuz auch ist - es setzt in ihm Kräfte frei. Kräfte, von denen er vorher nichts wusste.
Für mich ist eine Erfahrung ganz wichtig: Wer die Last des Kreuzes nie tragen musste, ist dem Geheimnis des Lebens noch nicht ganz auf die Spur gekommen.
Simon von Kyrene, eine Randfigur, die hineinführt in die Nachfolge des Kreuztragens. Das geschieht nicht immer freiwillig, meist nicht erwünscht und gewollt, aber es ist doch immer eine neue Erfahrung und neuer Lebensgewinn.

Das Schicksal der Kreuzigung erlebt Jesus nicht allein. Zwei Gestalten sind mit ihm, nicht als Sympathisanten, nicht als neugierige Zuschauer, sondern als zwei weitere zum Tod Verurteilte, die gekreuzigt werden.

In den biblischen Berichten über die Kreuzigung Jesu werden die beiden Verbrecher, nur sehr kurz erwähnt. Das älteste Evangelium, Markus, stellt knapp fest „Und sie kreuzigten mit ihm zwei Räuber, einen zu seiner rechten und einen zu seiner Linken.“ Das Lukasevangelium schildert einen bemerkenswerten Dialog in der Stunde des Todes.

Der Verbrecher, der sich und seine Taten gut einschätzen kann, ist eine interessante Person. Es ist anzunehmen, dass Jesus mit seinen beiden Mit-Gekreuzigten vorher keinen Kontakt hatte. Sie sind also nicht der Gruppe um Jesus zuzurechnen, in unserem heutigen Verständnis sind sie nicht Mitglieder der Kirche. Aber einem von ihnen verheißt Jesus am Kreuz die Aufnahme ins Paradies. Er hat keine Chance, etwas gut zu machen, seine Reue durch Taten zu beweisen. Heilig wird er ausschließlich durch seine Erkenntnis, wer dieser Jesus ist.

Für mich ist diese Szene ein ganz starker Hinweis: Der, der da gekreuzigt worden ist, ist Gott selbst. Er hat sich bewusst von seiner ganzen Macht getrennt, sich erniedrigt, ist einer geworden wie Sie und ich, hat Freude und Leid miterlebt und mitgetragen. Menschen ertragen und getragen, bis zum Letzten. Die Passion Christi, das Kreuz, zeigt Gott als einen, der selbst für uns Menschen leidet, die Not ganz unten kennt. Das macht ihn einzigartig und wirklich groß, unsterblich.

Der Verbrecher, dem das Paradies zugesagt wird, ist eine Symbolfigur des Geschehens in der Karwoche und zu Ostern. Alles ist möglich. Auch noch mit dem letzten Atemzug. Statt Tod neues Leben, statt Verdammung das Paradies.

Tragisches Ende des grausamen Geschehens. Das Volk schaut zu, auch Freunde und Bekannte, die sogar von ferne. Einer der Soldaten, ein Hauptmann, erkennt, hier ist Bedeutsames geschehen. Er weiß nicht genau, was. Aber er preist Gott und nennt Jesus einen frommen Mann.

Nicht nur der Vorhang des Tempels zerreißt, auch durch die Menschen geht ein Riss. Viele ahnen, sie haben einen Fehler gemacht, Schuld auf sich geladen. Da sind die, die noch vor wenigen Stunden geschrien haben „kreuziget ihn“ und die sich jetzt auf die Brust schlagen. Sie machen sich Vorwürfe, sie bereuen. Und trotzdem, alle gehen wieder zurück in den Alltag.

Nähe und Distanz bestimmen die Zuschauer. Schon dabei sein, aber nur nicht zu nahe kommen, damit man selbst nicht hineingezogen wird. Auch eine Frage an Menschen heute: Über die Medien können wir fast überall dabei sein, und müssen doch nicht da sein. Können leicht zuschauen und noch leichter wegschauen oder schnell umschalten. Wer bleibt - wer geht?

Zuschauen und erkennen. Zuschauen und bereuen. Zuschauen und einfach zur Tagesordnung übergehen. Selbst der dramatische Karfreitag löst allzu menschliche Reaktionen aus.

Alles sehen heißt noch lange nicht alles erkennen. Aber die, die berührt sind, die spüren, das scheinbare Ende ist eigentlich die Erfüllung. Im Mitleben, Mitleiden, Sterben und Auferstehen von Jesus Christus hat die Geschichte der Menschheit, also unsere Geschichte, eine neue Dimension erhalten. Weil es seither einfach nicht mehr wahr ist, dass Leben nur dann zählt, wenn es jung, gesund, schön und dynamisch ist. Weil es seither nicht wahr ist, dass nur gut ist, was mir selbst nützt. Weil es seither nicht wahr ist, dass sich jeder selbst der Nächste ist.

Für jede und mit jedem von uns gelebt, gelitten und gestorben. So ist der Karfreitag, das Kreuz, Ort der Begegnung zwischen Gott und Mensch, zwischen Himmel und Erde. Symbol und Zeichen unseres Glaubens, Ahnung und Hinweis, dass mit diesem Gekreuzigten auch mein eigenes Leid, meine eigenen Fragen und meine Verzweiflung vor Gott ihren Platz bekommen.

Gut, dass ich das weiß. Und wer bleibt, der erfährt dann drei Tage nach dem Karfreitag: „Und für jeden von uns auferstanden am dritten Tag.“ Das lässt leben.

Evangelisch in Hainburg

Im 16. Jahrhundert war die Hainburger Bevölkerung sogar zum Großteil evangelisch, in der damaligen Martinskirche wurden auch Gottesdienste von lutherischen Predigern gehalten. Während der Gegenreformation trafen sich die “Geheimprotestanten” dann vorwiegend bei Tischgesellschaften. Ende des 19. Jahrhunderts kaufte eine Industriellenfamilie eine neuerbaute Villa und schenkte sie der evangelischen Gemeinde für eine Predigt-Station. Es war die erste im Osten des Staatsgebietes, betreut von Wien und später von Schwechat aus. 1949 erhielt sie den Namen “Martin-Luther-Kirche”. Die Vikariate Bruck, Hainburg und Mannersdorf wurden 1954 zur selbstständigen Pfarrgemeinde mit Sitz in Bruck an der Leitha.

Stahl-Glasbau mit runden Kuppelaufsätzen und einem schmalen, in der Mitte offenen Glockenturm

Adolf Reichel

Dach und Turm des Gotteshauses

Nachdem die Bausubstanz der als Kirche genützten Villa immer schlechter wurde und die Renovierungskosten unerschwinglich, entschied man sich für den Verkauf des Hauses und den Ankauf eines neuen Grundstückes für einen Neubau. Für dieses Vorhaben wurde im Jahr 2007 der gemeinnützige Verein “Freunde der evangelischen Kirche in Hainburg/Donau” gegründet. Der aus Hainburg an der Donau stammende Architekt Wolf D. PRIX vom Architekturbüro COOP HIMMELB(L)AU machte seiner Heimatstadt und der evangelischen Pfarrgemeinde die Gestaltung der Martin Luther Kirche zum Geschenk. Heute zählt sie zu den interessantesten modernen Kirchenbauten der Welt.

Aktuelles in der Gemeinde

www.evang-hainburg-bruck.at

Kontakt

Evangelische Pfarrgemeinde
Alte Poststraße 28
2410 Hainburg an der Donau
Österreich

gottesdienst@orf.at

Redaktion und Bildregie

Thomas Bogensberger