Weihnachtsamnestie

Weihnachtsamnestien sollen Häftlingen die früherer Rückkehr nachhause ermöglichen. Viele allerdings haben kein Zuhause, weiß die evangelische Gefängnisseelsorgerin Christine Hubka.

Christine Hubka am 10.12. in den Gedanken für den Tag:

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Der Weg ist nicht immer das Ziel. Darum gehören Kalender in den Haftanstalten und Gefängnissen zu den begehrtesten Gegenständen. Martin Brunner hat das Ziel, den Tag der Entlassung, rot eingeringelt. Jeden Abend streicht er vor dem Schlafengehen den aktuellen Tag durch. Nur noch 152 Tage bis er in der ersehnten Freiheit ankommt. Nur noch 151. Nur noch 150.

Christine Hubka. Sie ist Autorin und Gefängnisseelsorgerin und ehemalige evangelische Pfarrerin.

ORF/Halle

Christine Hubka ist Gefängnisseelsorgerin, Autorin und ehemalige evangelische Pfarrerin

Richtlinien erfüllt, Amnestie gewährt

Wie viele andere steht auch Herr Brunner auf der Liste der Insassen, die für die Weihnachtsbegnadigung durch den Bundespräsidenten in Frage kommen. Martin Brunner erfüllt alle Kriterien der strengen Richtlinien für das, was die Medien Weihnachtsamnestie nennen. Wenn sie ihm gewährt wird, kommt er ein paar Wochen früher in der Freiheit an. Er wagt nicht, damit zu rechnen. Zu oft wurden seine Hoffnungen schon enttäuscht.

Aber das Wunder passiert. Der Bundespräsident hat auch seine Begnadigung unterschrieben. Eine Woche vor Weihnachten wird Herr Brunner in der Freiheit ankommen. 70 Tage vor dem eigentlichen Entlassungstermin packt Herr Brunner seine wenigen Habseligkeiten in zwei Plastiksäcke. Danach öffnet sich für ihn das große Tor. Ohne Mantel. Ohne Haube. Ohne Handschuhe steht er auf der Straße.

Und wohin jetzt?

Als er inhaftiert wurde, war es Hochsommer. Entsprechend war seine Kleidung. Er hat es nie gewagt, die Beamten um warme Sachen zu bitten. Wohin soll er jetzt gehen? Da ist niemand, der auf ihn wartet, obwohl die Zeitung, die er im Vorübergehen liest, titelt: Weihnachtsamnestie: viele Häftlinge dürfen Zuhause feiern. Herr Brunner wendet sich ab und geht dorthin, wo er vor der Haft gewesen ist. Er wird Weihnachten mit seinen obdachlosen Kumpeln feiern. Auf der Straße.

Amnestie kommt vom altgriechischen Wort „amnēstia“ und heißt Vergessen: Eigentlich ist gemeint, dass eine begangene Straftat, ein Unrecht, vergessen werden soll, um einen neuen Anfang zu ermöglichen. Viel zu oft, sind es die Menschen, die vergessen werden, wenn sie aus dem Gefängnis in die Freiheit kommen.

Musik:

Traditional
Leise rieselt der Schnee/instrumental