Bibelessay zu Matthäus 13, 44 – 52

Das Himmelreich ist wie … so könnte ein Märchen anfangen. Es war einmal … oder … und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Mit dem Reich Gottes verbinde ich einerseits eine perfekte Vorstellung: Dort, wo alles gut ist. Der Raum und die Zeit, in dem der Friede und die Liebe grenzenlos sind, in dem Gott selbst anwesend ist und keine Angst nötig ist. Also ist es eigentlich jenseits von Raum und Zeit.

Severin Renoldner
isst Theologe, Philosoph und Bereichsleiter für Erwachsenenbildung sowie Leiter des Sozialreferates im Pastoralamt der katholischen Diözese Linz

Die Begeisterung überzeugt

Andererseits ist das Himmelreich, wenn ich dem heutigen Evangelium zuhöre, doch wieder so wie ein Gegenstand, den man so einfach finden kann. Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Acker (wo dann ein Schatz verborgen liegt) oder mit einer Perle, aber der Allerbesten unter den Allerbesondersten! Wer einen Sinn hat für schöne Perlen, oder einen Sinn für vergrabene Schätze, der kann etwas finden. Verborgen, irgendwie geheimnisvoll – von vielen anderen nicht entdeckt – liegt es plötzlich offen vor seinen Augen. Wie im Märchen.

Und dann ist es immer dasselbe: Der Mensch, der dieses Wunder entdeckt, ist voller Freude. Er gibt alles auf, was er besitzt, um dieses Prachtstück zu erwerben. Ich konzentriere mich jetzt auf diese Freude.

Erfüllte Zeit
Sonntag, 30.7.2017, 7.05 Uhr, Ö1

Ob eine Perle wirklich die beste von allen ist – ich könnte das nicht beurteilen. Ich brauche Fachleute, um die Merkmale der ganz reinen Oberflächenstruktur, oder um die Qualität eines Steines zu sehen und genießen zu können. Für den Augenblick interessiert mich nicht, wie gut das Objekt wirklich ist, das einer da in seiner Begeisterung kauft. Aber mich interessiert, dass er wirklich alles andere verkauft hat, um es zu erwerben. Seine Begeisterung ist enorm, und das hat etwas Überzeugendes.

Schätze entdecken

Der Evangelist Matthäus erzählt – in der Person Jesu – in dem heute vorgelesenen Gleichnis eigentlich eher beliebige Sachen über das Himmelreich. Und vor allem: eine nach der anderen. Mal ist es wie die Perle, dann wie der Schatz, schließlich bloß wie Fische, die aussortiert werden. Aber allen gemeinsam ist, dass Menschen, die das besondere erkennen, ganz begeistert davon sind und alles andere aufgeben wollen.

Die Zeit, in der man über das Himmelreich nicht nachdenken wollte, weil es unmodern schien, ist meiner Ansicht nach vorbei. Es ist im Gegenteil heute durchaus notwendig, über eine andere Welt nachzudenken, das Bild der größeren Gerechtigkeit, den Ort des Friedens und der Erfüllung der Träume wach zu halten. Nach diesem Schatz oder dieser Perle immer wieder zu suchen, ist seine Mühe und Zeit wert. Und vor allem gibt eine solche Hoffnung Kraft, dann vieles andere aufzugeben und nach dem zu suchen, was ganz wichtig sein könnte.

Mit objektiven Beweisverfahren allein kann diese Forschung nicht gelingen. Jeder Erfinder, jede Entdeckerin muss auch ein Stück Wagemut und Fantasie in die Welt setzen. Wenn ich an das glaube, was vielleicht noch nicht für alle sichtbar ist, wenn ich das für möglich halte, was ich wie einen verborgenen Schatz entdecken könnte, dann entdecke ich tatsächlich Schätze, zum Beispiel in den Mitmenschen. In diesem Sinn ist das Himmelreich wirklich schon da, wenn ich heute etwas Derartiges entdecke.