Bibelessay zu Jesaja 22, 19 – 23

Unglaublich, wie aktuell und richtungsweisend alte Texte sein können. Die Worte des Propheten Jesaja wurden vor weit mehr als 2500 Jahren in Jerusalem gesprochen. Politisch beklagt Jesaja die Korruption der damals Mächtigen.

Hier ist es ein Palastvorsteher des Königs Hiskija namens Schebna. Der ließ sich, wie die Bibel berichtet, ein Grab hoch oben in den Felsen hauen und hatte ein Faible für Prunkwagen. Eine schamlose Praxis nicht nur in Zeiten der Not. Er missbrauchte sein Amt, um das eigene Ansehen über den Tod hinaus zu sichern. Diesem Schebna kündigt Jesaja Gottes Gericht an: „Ich werde dich von deinem Posten stoßen und er wird dich aus deiner Stellung vertreiben.“ (V. 19)

Martin Jäggle
ist Religionspädagoge und katholischer Theologe

Schlüssel des Himmelreiches

Auf dieses Gerichtswort über Schebna folgt unmittelbar Gottes Verheißung, seine Initiative für einen Neubeginn. Eljakim - sein Name bedeutet „Gott richtet auf“ - wird zum Nachfolger bestimmt und seine Einsetzung sehr detailliert beschrieben. Die Accessoires sind ein Gewand, mit dem er bekleidet wird, eine Schärpe, die ihm fest umgebunden wird, und Schlüssel, die ihm auf die Schultern gelegt werden. Damit sind Ansehen, Amt und Vollmacht verbunden. Die in dieser Weise übertragene Aufgabe bringt Ehre und Macht, aber mit der Verantwortung auch eine geschulterte Last, die drücken kann.

Erfüllte Zeit
Sonntag, 27.8.2017, 7.05 Uhr, Ö1

Der neue Palastvorsteher, der zugleich Tempelvorsteher ist, soll die Verantwortung und die Last des Königs für das „Haus Davids“ mittragen. Doch Gott verlangt ein Amtsverständnis, das in einem patriarchalisch geprägten Bild beschrieben wird: „Er wird zum Vater für die Einwohner Jerusalems und für das Haus Juda“. Weisheit und Sorge um das Wohlergehen des ganzen Volkes, um das Gemeinwohl, sind erforderlich. Wer dieses Amt innehat, muss vorrangig für das Recht der Armen und Fremden, der Witwen und Waisen sorgen. Das Recht der Benachteiligten, der am meisten Verletzbaren, der an den Rand Gedrängten liegt Gott besonders am Herzen. Wer diese Aufgabe nicht erfüllt und so seinen Dienst missbraucht, handelt gegen die Menschen – und zugleich gegen Gott.

Das Bild der von Gott übertragenen Schlüsselgewalt wird in der katholischen Tradition für die Legitimation des Petrusamtes beansprucht. Im Matthäusevangelium spricht Jesus zu Petrus: „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben.“ (Mt 16, 19) Wie aber eine Ausübung dieses Amtes sein kann, die sich an den bei Jesaja genannten Kriterien orientiert, macht heute Papst Franziskus deutlich.