Bibelessay zu Jesaja 29, 17 – 24

Denn es wird ein Ende haben mit den Tyrannen – dieser Satz, den der Prophet Jesaia hier spricht, springt mich an, er bohrt sich in mein Bewusstsein, und macht sich dort hoffnungsvoll breit. So als ob es ein Versprechen genau für mich wäre.

Mein Unbehagen an der Welt wächst in Tagen wie diesen. Welche Quelle ich auch nutze, die Nachrichten sind voll mit Meldungen über verantwortungslose Subjekte, die sich wie Tyrannen gebärden, Menschen manipulieren und terrorisieren, Ressourcen verschwenden und eher dafür sorgen dass aus Gärten Wüsten werden als umgekehrt. Machtgewinn und Machterhalt, Gewalt und Unterdrückung und nicht das Wohl aller stehen nur zu oft im Mittelpunkt dessen, was uns über das weltweite Geschehen zugetragen wird.

Luise Müller
ist evangelische Theologin

Wer besiegt meine Angst?

Da höre ich gerne Sätze wie: Die Gedemütigten werden wieder Freude an Gott haben und die Armen der Menschheit werden über Gott jubeln. Und es werden alle die erledigt, die darauf aus sind, Unheil anzurichten, die Leute schuldig sprechen vor Gericht und dem Fallen stellen, der sie zurechtweist.

Ich atme durch, schwelge in Zufriedenheit, aber schon wächst auch meine Ernüchterung. Denn wenn diese Hoffnungssätze offensichtlich schon vor mehr als 2000 Jahren wichtig waren, ist der scheinbare Ausnahmezustand, in dem Tyrannen tun und lassen können was sie wollen, schon seit Menschengedenken ein Problem. Zu Zeiten des Propheten Jesaia, also lange vor Jesu Geburt aber auch jetzt, und wenn man den Geschichtsbüchern trauen kann in all den Zeiten dazwischen. Die Angst vor dem leibhaftigen Bösen gehört offensichtlich zum Menschsein dazu. Wie und wo kann man da noch lebenswert leben? Wie finde ich genug Sicherheit aber auch genug Freiheit? Was oder wer besiegt meine Angst? Wer schafft Gerechtigkeit, macht die Spötter mundtot, beendet das Unheil?

Gott tut das

Jesaia sagt seinem Gegenüber damals: Gott tut das. Der Gott, dem ihr vertraut und der sich euch zugewendet hat, beendet das Unheil, macht die Spötter mundtot, schafft Gerechtigkeit. Gegen präpotente Selbstsicherheit und Überheblichkeit auf der einen Seite und ungläubige Verzagtheit auf der anderen. Gott, der Heilige Jakobs schafft Heil für euch.

Erfüllte Zeit
Sonntag, 3.9.2017, 7.05 Uhr, Ö1

Ich habe die Hoffnung, dass Gott das auch heute tut. Als eine, die sich als Getaufte geborgen weiß in der Liebe Gottes beziehe ich diese Heilszusage aus vorchristlicher Zeit auch auf mich. Ich weiß, dass Jesaia zunächst zum Volk Israel gesprochen hat, auch wenn sich dieser Bibelabschnitt einer genaueren historischen Zuordnung widersetzt. Ich beanspruche als Christin meinen Platz in der Geschichte Gottes mit den Menschen und lebe aus der tiefen Überzeugung, dass Gott auch mir den Rücken stärkt. Ich habe die Gewissheit, dass er mich mit seinem Geist begleitet und mir den nächsten Schritt zeigt, dass er mir die Augen öffnet, die Zunge löst und meinen Händen sagt, wo sie anpacken sollen.

Und so sehe ich sein Eingreifen heute: in Menschen, die sich dem Unrecht entgegenstellen, indem sie es erst einmal benennen. Die auf den Straßen und in den Kirchen, in den Familien und Parlamenten davon reden. Und gemeinsam mit Gottes Hilfe nach Wegen suchen, dass aus Wüsten grüne Paradiese werden und die Elenden wieder Freude finden.