Bibelessay zu Matthäus 18, 15 – 20

Jahrhunderte lang sorgten Kirchen für Zucht und Ordnung, indem sie sich unter anderem auf diese Textstelle beriefen. Wer nicht hören will, gehört nicht mehr dazu.

Wem dieses Thema für eine Predigt zu unangenehm ist, der kann auf den berühmten Schlusssatz verweisen: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Das klingt schön harmonisch. Dabei wirft auch dieser Satz viele Fragen auf. Ich möchte heute aber den Fokus auf den ersten Teil des Textes legen. Er katapultiert mich nämlich in die Gegenwart.

Brigitte Schwens-Harrant
ist Germanistin, katholische Theologin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung „Die Furche“

Klärung im kleinen Raum

Man muss nicht unbedingt an die Kommunikationsaktivitäten des US-amerikanischen Präsidenten denken, der per Twitter etwa anderen Regierungen mitteilt, was sorgfältig durch Diplomaten vorbereitet und in Gesprächen unter vier Augen besprochen werden könnte und sollte. Man kann auch andere „Gespräche“ in den Blick nehmen. Was einer dem anderen mitzuteilen hat, wird per Social Media immer öfter sofort öffentlich verkündet bzw. all jenen, die sich „Friends“ nennen. Die solcherart Verständigten können daraufhin ebenso öffentlich ihre Meinung kundtun. Zu einer erbarmungslosen und brutalen Urteilsmaschine sind die sozial genannten Medien dadurch inzwischen geworden, zu einer Maschine, die sich, so scheint es, nicht mehr abstellen lässt.

Erfüllte Zeit
Sonntag, 10.9.2017, 7.05 Uhr, Ö1

Angesichts dessen erscheinen die Vorschläge bei Matthäus auf einmal gar nicht mehr so hart, wie sie auf den ersten Blick vielleicht wirken. Sehr pragmatisch scheint der Weg zur Lösung, der hier angeboten wird. Aber nicht nur pragmatisch, sondern auch respektvoll und diskret. Erst einmal unter vier Augen reden. Oder, wenn’s nicht klappt, dann ein, zwei andere hinzuziehen. Aus gutem Grund gilt dieses Modell auch für Mediationen, die versuchen, außergerichtlich Streit zu schlichten.

Matthäus fordert hier gerade keine Ausschließungsbehörden. Sein Vorschlag setzt zunächst und vor allem auf das gesprächsbereite persönliche Gegenüber, auf Klärung und Schlichtung im möglichst kleinen Raum. Auf Diskretion.